Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

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Steffen
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10701 Beitrag von Steffen » Mittwoch 8. Juni 2016, 20:09

Könntest du das evtl. noch etwas mehr ausführen?
Es gibt doch - in diesen fiktiven Fall - zwei Möglichkeiten. Entweder man teilt den Abmahner den Umzug ins Ausland (neue Adresse) mit, oder nicht. Entscheiden musst du dich schon.

VG Steffen

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AG Nürnberg, Az. 238 C 9282/15

#10702 Beitrag von Steffen » Mittwoch 8. Juni 2016, 21:50

WALDORF FROMMER: Tauschbörsen nutzt man nicht unbewusst - Anschlussinhaber haftet vollumfänglich


21:55 Uhr


Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot eines urheberrechtlich geschützten Filmwerkes


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

Beethovenstraße 12 | 80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10 | Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de | Web: www.waldorf-frommer.de




Bericht

Link:
http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... faenglich/

Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-conte ... 282_15.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Anna Zimmermann



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


Das Amtsgericht Nürnberg hat den Inhaber eines Internetanschlusses zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR für das öffentliche Zugänglichmachen eines Filmes in einer Tauschbörse sowie zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR verurteilt. Darüber hinaus hat der Beklagte sämtliche Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Im Rahmen seiner Verteidigung hatte der Beklagte vorgetragen, seinen Internetanschluss weiteren Familienangehörigen zur Nutzung überlassen zu haben, so dass diese zum Verletzungszeitpunkt selbstständigen und uneingeschränkten Zugang zum Internet gehabt hätten. Während die Tochter als Täterin der Rechtsverletzung ausgeschlossen werden konnte, hat der Beklagte zu seiner Ehefrau vorgetragen, dass diese des Öfteren Tauschbörsen nutze, sich aber nicht erinnern könne, den streitgegenständlichen Film herunter geladen und dementsprechend gleichzeitig in der Tauschbörse zum Abruf angeboten zu haben.

Die Klägerin hat der Ehefrau nicht nur den Streit verkündet, sondern sie auch als Zeugin dafür angeboten, dass sie die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht begangen hat.

Im Rahmen der Beweisaufnahme machte die Zeugin lediglich vage Angaben und erklärte unter anderem, sich nicht erinnern zu können, gezielt nach dem streitgegenständlichen Film in einer Tauschbörse gesucht zu haben. Auch habe sie keine Tauschbörsensoftware bewusst auf den von ihr genutzten Computern installiert.

Das Amtsgericht Nürnberg kam aufgrund des teils widersprüchlichen Vortrags des Beklagten zum Nutzungsverhalten seiner Ehefrau sowie deren Zeugenaussage zu dem Ergebnis, dass eine Täterschaft der Ehefrau auszuschließen ist und bejahte die täterschaftliche Haftung des Beklagten für die ihm vorgeworfene Rechtsverletzung. Die Zeugin sei offensichtlich bemüht gewesen, nur möglichst vage Angaben zu ihrem tatsächlichen Nutzungsverhalten zu machen, so das erkennende Gericht. Da es nicht möglich sei, unbewusst ein Tauschbörsenprogramm zu installieren und einen bestimmten Film gewissermaßen aus Versehen herunterzuladen, scheide die Zeugin als Täterin aus. Der Anschlussinhaber wurde daher antragsgemäß verurteilt.




Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 29.04.2016, Az. 238 C 9282/15

  • (...) erlässt das Amtsgericht Nürnberg durch die Richterin am Amtsgericht [Name] am 29 04.2016 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2016 folgendes

    Endurteil

    • 1. Der Beklage wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 600,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.04.2015 zu bezahlen.
      2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.04.2015 zu bezahlen.
      3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
      4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
      Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.



    Beschluss

    Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.




    Tatbestand

    Die Klägerin macht Ansprüche aus einer Urheberrechtsverletzung geltend.

    Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte betreffend den Film [Name] in Deutschland. Am [Name] zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr und am [Datum] zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr wurde über die IP-Adresse [IP] bzw. die IP-Adresse [IP] jeweils das vorgenannte Werk in einer auf dem "BitTorrent"-Protokoll basierenden Tauschbörse unentgeltlich zum Download angeboten. Die genannten IP-Adressen waren zu den jeweiligen Zeitpunkten dem Anschluss des Beklagten zuzuordnen.

    Mit Schreiben vom [Datum] wurde der Beklagte aufgrund der Urheberrechtsverletzung von der Klägerin abgemahnt und zugleich mit Fristsetzung aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungsserklärung abzugeben sowie Schadensersatz in Höhe von zunächst 450,00 EUR und Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 506,00 EUR zu zahlen.

    Mit Schreiben vom [Datum] gab der Beklagte daraufhin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Unterlassungserklärung ab, Zahlungen an die Klägerin erfolgten jedoch nicht.

    Die Klägerin behauptet, dass davon auszugehen sei, dass der Beklagte als Anschlussinhaber die streitgegenständliche Rechtsverletzung persönlich begangen habe. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Verantwortlichkeit des Beklagten begründen könnten, seien nicht ersichtlich bzw. nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden. Andere Personen, insbesondere die Ehefrau und die Tochter des Beklagten, hätten zu den Zeitpunkten der streitgegenständlichen Rechtsverletzung keine konkrete Zugriffsmöglichkeit auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt und die Rechtsverletzung nicht begangen.

    Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr daher nach den Grundsätzen der Linzenzanalogie nunmehr ein Schadensersatz von nicht weniger als 600,00 EUR zustehe Daneben habe sie gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Ersatz der ihr durch die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR.


    Die Klägerin beantragt daher,
    den Beklagten zu verurteilen, einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.04.2015 sowie 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.04.2015 zu zahlen.


    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.


    Er behauptet, dass er die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung nicht begangen habe. Zum Tatzeitpunkt habe sowohl die Ehefrau des Beklagten, die Zeugin [Name] als auch seine minderjährige Tochter, die Zeugin [Name] uneingeschränkten und selbstständigen Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt.

    Der Beklagte ist der Ansicht, dass er der ihm als Anschlussinhaber auferlegten sekundären Darlegungslast mit seinen Angaben entsprochen habe, weshalb für seine Täterschaft keine tatsächliche Vermutung mehr zu Gunsten der Klägerin spreche Daneben scheide aber auch eine Störerhaftung des Beklagten aus, da gegenüber seiner Ehefrau keine anlasslosen Belehrungs- oder Überwachungspflichten bestünden, die er hätte verletzen können. Seine Tochter sei vor den streitgegenständlichen Tatzeitpunkten über die Rechtswidrigkeit von Internettauschbörsen belehrt und jedwede Nutzung verboten worden. Konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch sein Tochter hätten nicht vorgelegen.

    Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin [Name]. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2016 Bezug genommen. Die Klägerin hat der Zeugin [Name] mit Schriftsatz vom 04.02.2016, zugestellt am 18.02.2016, den Streit verkündet.

    Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 05.02.2016 (Bl. 77/81 d. Akte) und vom 01.04.2016 (BI. 104/110 d. Akte) sowie die sonstigen Aktenteile Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet.


    I.

    Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Nürnberg gemäß § 104a UrhG i.V.m. §§ 12, 13 ZPO ausschließlich örtlich zuständig.


    II.

    Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von insgesamt 1.106,00 EUR aus einer Urheberrechtsverletzung gemäß §§ 97, 97a (a.F.) UrhG.


    1.

    Der Klägerin steht ein Anspruch auf die geltend gemachten Abmahnkosten in Höhe von 506,00 EUR aus § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG (a.F.) zu.

    Es liegt eine berechtigte Abmahnung der Klägerin gegenüber dem Beklagten vor, denn die Klägerin hat gegen den Beklagten aufgrund der rechtswidrigen Urheberrechtsverletzung des Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 97 Abs. 1 UrhG.

    Der Inhalt des Abmahnschreibens vom [Datum] entspricht den grundlegenden Anforderungen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2011, Az. 1-20 W 132/11). Die Aktivlegitimation der Klägerin wurde von dem Beklagten nicht bestritten. Die Ermittlungen der Klägerin haben ergeben, dass die Datei mit dem Hashwert [Hash], die den Film [Name] beinhaltet, unter Verwendung eines "BitTorrent"-Clients am [Datum] und am [Datum] zu zwei verschiedenen Zeitpunkten zum Herunterladen über IP-Adressen bereitgehalten wurde, die dem Internetanschluss des Beklagten zuzuordnen waren Die Rechtsverletzung vom Anschluss des Beklagten wurde nicht in Abrede gestellt.

    Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind, weshalb es grundsätzlich zunächst ihre Sache ist, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az: I ZR 75/14).

    Wird allerdings ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht die tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 12 05.2010, Az. I ZR 121/08), wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine andere Person diesen Internetanschluss benutzen konnte (BGH, Urteil vom 11 6.2015, Az: I ZR 75/14). Der Beklagte hat im vorliegenden Fall vorgetragen, dass er selber für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich sei. Zu den betreffenden Zeitpunkten habe aber nach seinen Angaben sowohl seine Ehefrau, die Zeugin [Name] als auch seine Tochter, die Zeugin [Name] uneingeschränkt und selbstständigen Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt. Von den Parteien wurde mittlerweile unstreitig gestellt, dass die Rechtsverletzung nicht von der Zeugin [Name] begangen wurde.

    Eine die angeführte tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist aber dann anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst der anderen Person zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seine Prozessverfolgung benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umständen darzulegen und nachzuweisen (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az: I ZR 75/14).

    Der Beklagte, der nach eigenem Vortrag in der IT-Branche arbeitet, gab auf Nachfrage des Gerichts an, dass das betreffende "WLAN" mit WPA2 verschlüsselt und durch ein individuell vergebenes 8- bis 12-stelliges Passwort, das aus einer Buchstaben-Zahlen-Sonderzeichen-Kombination bestanden habe, gesichert gewesen sei. Angesichts dieser Maßnahmen erscheint es dem Gericht fernliegend, dass ein unbefugter Dritter auf den WLAN-Access Point des Beklagten zugegriffen hat (OLG Köln, Urteil vom 02.08.2013, Az. 1-6 U 10/13, 6 U 10/13).

    Hinsichtlich seiner Ehefrau, der Zeugin [Name] teilte der Beklagte zunächst mit, dass diese uneingeschränkten und selbstständigen Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten habe und er vermute, dass diese für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich sei. Nach Erhalt der Abmahnung habe er seine Ehefrau diesbezüglich befragt, diese habe jedoch die Tat nicht zugegeben. Auf eine erneute Nachfrage habe die Zeugin [Name] dann bestätigt, Tauschbörsen genutzt zu haben, könne sich aber nicht erinnern, den streitgegenständlichen Film angeboten bzw. heruntergeladen zu haben, da sie des öfteren Filesharing betrieben und die heruntergeladenen Dateien überhaupt nicht angesehen habe. Im weiteren Verlauf des Verfahrens gab der Beklagte dann an, dass, soweit er sich erinnere, seine Ehefrau bereits nach Zugang der Abmahnung ihm gegenüber angegeben habe, dass sie auf Tauschbörsen unterwegs sei, sich aber nicht erinnern könne, dass sie zum streitgegenständlichen Zeitpunkt auf einer solchen gewesen sei und den Film auch angesehen habe.

    Die Zeugin [Name] selbst gab in ihrer uneidlichen Vernehmung im Termin am 01.04.2016 an, dass sie möglicherweise schon auf Tauschbörsen im Internet gewesen sei, konkrete Namen seien ihr diesbezüglich aber nicht in Erinnerung. Zum konkreten Zeitpunkt könne sie sich nicht erinnern, dass sie nach dem speziellen Film gesucht habe. Nach Erhalt der Abmahnung habe sie dem Beklagten auf dessen Nachfrage mitgeteilt, dass sie sich nicht erinnern könne, etwas herunter geladen zu haben. Auf Nachfrage des Gerichts gab die Zeugin dann an, dass sie nicht gezielt nach dem Film gesucht habe. Bewusst habe sie auch keine Tauschbörsen-Software auf den von ihr genutzten Rechnern installiert, sie wisse es aber nicht. Über Filme habe sie sich im Internet informiert, sie wisse aber nicht, ob sie schon einmal einen Film runtergeladen oder angeschaut habe. Zu den konkreten Tagen konnte die Zeugin nicht mehr sagen, ob sie konkret Zugriff auf das Internet gehabt habe. Auch konnte sie sich nicht erklären, warum von der Beklagtenseite vorgetragen wurde, dass sie Filme öfters runtergeladen und dann nicht angeschaut habe. Unbewusst habe sie schon mal Programme installiert, bewusst jedoch nur einmal ein Programm für ein Buch "als Reader". Es könne auch gut sein, dass sie "mal etwas runterladen musste, um danach dann etwas ansehen zu können, und dass sich zuvor etwas geöffnet hat", was sie dann habe bestätigen müssen.

    Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall schon fraglich ist, ob der Beklagte, der seinen Vortrag im Laufe des Prozesses mehrfach angepasst hat, in ausreichendem Maße den ihm im Rahmen der sekundären Darlegungslast auferlegten Anforderungen überhaupt nachgekommen ist, ist jedenfalls das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme der Überzeugung, dass die Zeugin [Name] hier nicht ernsthaft als Täterin der streitgegenständlichen Rechtsverletzung in Betracht kommt. Zwar hat die Beklagtenseite vor der Verhandlung vorgetragen, dass die Zeugin Tauschbörsen genutzt und desöfteren Filesharing betrieben habe. Diesen Eindruck vermittelte die Zeugin dem Gericht in ihrer uneidlichen Vernehmung aber zu keinem Zeitpunkt in nachvollziehbarer Weise. Auf Nachfrage konnte sie weder konkrete Namen von Tauschbörsen nennen, noch sicher angeben, ob sie jemals einen Film aus dem Internet runtergeladen habe. Dementsprechend konnte sich die Zeugin auch nicht erklären, wie die Beklagtenseite zu der vorgenannten Behauptung kommt. Die Zeugin war sonst offensichtlich bemüht, nur möglichst vage Angaben zu ihrem tatsächlichen Nutzungsverhalten zu machen. Das Gericht ist aber überzeugt, dass es der Zeugin nicht möglich gewesen ist, "unbewusst" das hier in Frage kommende Tauschbörsenprogramm zu installieren oder zu nutzen und dann mehr oder weniger aus Versehen den streitgegenständlichen Film herunterzuladen, zumal die Zeugin selber angegeben hat, dass sie nicht gezielt nach diesem im Internet gesucht habe. Da die Ehefrau des Beklagten hier aber aus Sicht des Gerichts als Täterin damit ausscheidet und aus den oben angeführten Gründen auch keine anderen Personen unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten hierfür in Betracht kommen, kann sich die Klägerin auf die dann geltende tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers, hier des Beklagten, berufen (OLG München, Urteil vom 14.01.2016, Az. 29 U 2593/15).

    Eine wirksame Einwilligung der Klägerin oder sonstige Lizenzierung lag nicht vor, so dass das mehrmalige Bereitstellen des Films [Name] zum Download über den Internetanschluss des Beklagten auch rechtswidrig war. Das Bestehen eines Unterlassungs- und Aufwendungsersatzanspruches ist unabhängig von einem etwaigen Verschulden. Die Wiederholungsgefahr wird vorliegend durch die mehrmalige Rechtsverletzung indiziert (LG Bielefeld, Urteil vom 04.03.2015, Az. 4 0 211/14).

    Die Kappungsgrenze des § 97a UrhG (a.F.) kommt vorliegend nicht zur Anwendung. Zwar ist nach dem bisherigen Vortrag der Parteien davon auszugehen, dass der Beklagte erstmalig von der Klägerin abgemahnt wurde, es lag aber bereits keine unerheblicher Rechtsverletzung im Sinne der genannten Vorschrift vor. Hinzu kommt, dass ein Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG zur Anschlussermittlung durchzuführen war und dem Anspruch eine komplexe Tatsachen-und Rechtsmaterie zugrunde liegt.

    Der Höhe nach ist der von der Klägerin angenommene Gegenstandswert von 10.000,00 EUR für das öffentliche Zugänglichmachen eines Films in einer Internettauschbörse sowie die Geltendmachung einer 1,0 Gebühr zuzüglich Auslagenpauschale auch angemessen (LG München I, Urteil vom 05.09.2014, Az. 21 S 24208/13). Da die Neuregelung des § 97a Abs. 3 UrhG erst zum 09.10.2013 in Kraft getreten und im vorliegenden Fall die Abmahnung dem Beklagten noch vorher zugegangen ist, kam eine Berechnung der Abmahnkosten nach einem Gegenstandswert von 1.000,00 EUR hier nicht in Betracht (Beck0K / Reber, UrhG, 11 Ed., Stand: 01.01.2016, § 97a Rn. 1).


    2.

    Die Klägerin hat darüber hinaus auch einen Anspruch auf Ersatz des fiktiven Lizenzschadens gemäß § 97 Abs. 2 UrhG.

    Wie oben bereits dargelegt wurde, hat der Beklagte vorliegend die ausschließlichen Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte der Klägerin verletzt. Der Anspruch auf Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 UrhG setzt, anders als der Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 UrhG, zudem ein Verschulden des Beklagten gemäß § 276 BGB voraus. Dies ist hier aber gegeben, da der Beklagte zur Überzeugung des Gerichts zumindest fahrlässig gehandelt hat. Wer fremde Werke nutzt oder verbreitet, muss sich grundsätzlich vorher auch über sein Recht zur Nutzung vergewissern (LG Bielefeld, Urteil vom 04.03.2015, Az. 4 0 211/14, m.w.N.). Im Urheberrecht gelten dabei generell hohe Sorgfaltsanforderungen, weshalb bereits leichte Fahrlässigkeit den Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung begründet. Dies gilt erst recht, wenn Filme unberechtigt zum Herunterladen im Internet verfügbar gemacht werden. Eine solche Verhaltensweise führt zu einer hochgradigen Gefährdung der Verwertungsrechte des Urhebers. Selbst wenn dem Beklagten nicht positiv bekannt gewesen sein sollte, dass er als Nutzer einer Tauschbörse die heruntergeladenen Dateien sogleich anbietet, oblag ihm zumindest die Pflicht, sich vor der Installation umfassend über die technische Ausgestaltung dieser Programme und deren Funktion zu vergewissern (LG Düsseldorf, Urteil vom 24 08.2011, Az. 12 0 177/10; LG Hamburg, Urteil vom 12.02.2014, Az. 308 0 227/13). Dass dies der Beklagte vorliegend getan hat, ist für das Gericht nicht ersichtlich, weshalb er den Film jedenfalls fahrlässig öffentlich zugänglich gemacht hat.

    Der danach dem Grunde nach gegen den Beklagten gegebene Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht in Höhe der geltend gemachten 600,00 EUR. Gibt es, wie im vorliegenden Fall, keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der von dem Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen. Dem Gericht kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. A 1 ZR 19/14).

    Bei der Bemessung des angemessenen Lizenzschadens hat das Gericht berücksichtigt, welchen Betrag der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Nach der Rechtsprechung ist dafür zu ermitteln, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrags in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Falls als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten, wobei maßgebend der objektive Wert der Nutzungsberechtigung ist. Hierzu müssen alle relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (LG Köln, Urteil vom 30.11.2011, Az. 28 0 482/10). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte in zwei Fällen den streitgegenständlichen Film kurz nach dessen Verkaufsstart auf DVD und damit innerhalb seiner relevanten Verwertungsphase zum kostenlosen Download über das Internet mittels eines Filesharing-Clients angeboten. Angesichts dessen erscheint es angemessen, den von der Klägerin geforderten Betrag von 600,00 EUR der gebotenen Schätzung des Gerichts zugrunde zu legen. Diese Höhe der Lizenzforderung erweist sich auch verglichen mit anderen Fällen als angemessen. Bereits für das kurzzeitige öffentliche Zugänglichmachen nur eines Musiktitels wird schon eine Lizenz in Höhe von 200,00 EUR für angemessen angesehen (Hans OLG Hamburg, Urteil vom 07.11.2013, Az. 5 U 222/10: OLG Köln, Urteil vom 23.03.2012, Az. 1-6 U 67/11, 6 U 67/11) und auch bereits für das einmalige öffentliche Anbieten eines Films ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 600,00 EUR (LG Bochum, Urteil vom 13.08.2015, Az 8 S 34/15).


    III.

    Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 286, 288,291 BGB. Der Zinsbeginn wurde von der Beklagtenseite nicht in Abrede gestellt.


    IV.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.



    Rechtsbehelfsbelehrung

    Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

    Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

    Landgericht Nürnberg-Furth
    Further Str. 110
    90429 Nürnberg

    einzulegen. (...)



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~



AG Nürnberg, Urteil vom 29.04.2016, Az. 238 C 9282/15,
Klage Waldorf Frommer,
WALDORF FROMMER Rechtsanwälte,
Rechtsanwältin Anna Zimmermann,
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LG Köln, Az. 14 S 21/14

#10703 Beitrag von Steffen » Donnerstag 9. Juni 2016, 17:22

Rasch Rechtsanwälte:
Das Landgericht Köln hebt die 10-Euro-Entscheidung
des Amtsgericht Köln (Az. 125 C 495/13) auf!



17:25 Uhr


Große Wellen hatte es geschlagen, das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 10.03.2014 (Az. 125 C 495/13). Das Gericht hatte als Schadensersatz nur 10,00 Euro für jede in ein Filesharing-System eingestellte Tonaufnahme zugesprochen. Vielfach hatte es Applaus dafür gegeben. Juristisch fundiert war das Urteil nicht - das zeigt die am 02.06.2016 ergangene Berufungsentscheidung des Landgerichts Köln (Az. 14 S 21/14).


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Rasch Rechtsanwälte

An der Alster 6 | 20099 Hamburg
Fon: 040 244 297-0 | Fax: 040 244 297-20
Mail: kanzlei@raschlegal.de | Web: http://www.raschlegal.de



Bericht

Link:
http://www.raschlegal.de/aktuelles/land ... idung-auf/

Urteil als PDF:
http://www.raschlegal.de/uploads/media/ ... _21-14.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Anja Heller



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


Dem von uns vertretenen Tonträgerhersteller ist damit nun der beantragte Schadensersatz von 2.500,00 EUR in vollem Umfang zugesprochen worden. Angesichts der seit Jahren beim Land- und Oberlandesgericht Köln zugesprochenen erheblichen Schadensersatzbeträge ist das Berufungsurteil zwar alles andere als überraschend, zumal auch der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung aus Köln zuletzt in vier unserer Verfahren bestätigt hatte (BGH Urteile vom 11.06.2015 "Tauschbörse I - III"; BGH Urteil vom 12.05.2016, Az. I ZR 48/15).

Bemerkenswert ist die Entscheidung aber deshalb, weil sie sich mit der Verwertbarkeit der Auskunft eines Resellers befasst, über die der betroffene Tonträgerhersteller letztlich Kenntnis von der Person des Beklagten erlangt hatte.

In Übereinstimmung mit der von Rasch Rechtsanwälte vertretenen Ansicht, die nicht zuletzt die Bundesdatenschutzbeauftragte teilt, hat das Landgericht Köln ausgeführt, dass die von einem Reseller zu verarbeitenden Daten wie Benutzerkennung, Name und Anschrift keine Verkehrsdaten sind, da sie von Art und Umfang der genutzten Telekommunikationsdienste unabhängig sind. Nachdem eine richterliche Gestattung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG aber nur im Falle von Verkehrsdatenverwendung vorgesehen ist, bedurfte die Auskunft des Resellers einer solchen Gestattung nicht und konnte ohne Weiteres verwendet werden.






Landgericht Köln, Urteil vom 02.06.2016, Az. 14 S 21/14



  • (...) hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 07,04.2016 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht[Name], die Richterin am Landgericht [Name] und den Richter am Landgericht [Name]

    für Recht erkannt:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 19. November 2014, Az. 125 C 495/13, abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 10. März 2014, Az. 125 C 495/13, wird aufrechterhalten, soweit der Beklagte darin im Wege des Teil-Versäumnisurteils kostenpflichtig verurteilt worden ist, an die Klägerin 260,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. September 2013 zu zahlen.

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.370,00 EUR Schadensersatz sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 521,30 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. September 2013 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die weitergehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz tragen die Klägerin zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, die der Beklagte allein trägt.

    Dieses Urteil und die Urteile des Amtsgerichts Köln vom 10. März 2014 sowie vom 19. November 2014, Az. 125 C 495/13, jeweils in der vorstehenden Form, sind vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.



    Gründe

    Die Klägerin macht wegen der von ihr behaupteten Verletzung ihrer Tonträgerherstellerrechte an dem Musikalbum [Name] der Künstlerin [Name] gegenüber dem Beklagten urheberrechtliche Ansprüche auf Zahlung von Lizenzschadensersatz in Höhe von 2.500,00 EUR sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.379,80 EUR geltend.

    Die Klägerin ist in der Katalogdatenbank "Media-Cat" der Phononet GmbH als "Lieferant" des streitgegenständlichen Musikalbums eingetragen (Anlage K5, BI. 34 der Akte).

    Der Beklagte ist Inhaber eines Internetanschlusses mit W-LAN-Verbindung in seiner Wohnung, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Zeugin [Name], bewohnt. Die Verbindung zum Internet für den Computer des Beklagten erfolgte (auch) über einen WLAN-Router, der schon zur Zeit der von der Klägern geltend gemachten Rechtsverletzungen im September 2010 vorhanden war. Das WLAN war mit einer WPA2-Verschlüsselung gesichert. Der Beklagte war Kunde bei der 1&1 Internet AG, die ihm den Internetzugang als Reseller dieses Anschlusses der Deutschen Telekom AG bereitstellte.

    Im Rahmen des von der Klägerin veranlassten Ermittlungsverfahren wegen der unberechtigten Nutzung des streitgegenständlichen Musikalbums in illegalen Filesharing-Tauschbörsen ermittelte die Pro Media GmbH für den 15. Juli 2010 unter der IP-Adresse [IP] einen Anbieter des Musikalbums. Die Deutsche Telekom AG erteilte der Klägerin aufgrund eines von dieser bei dem Landgericht Köln zu Az. 220 0 208/10 erwirkten Gestattungsbeschlusses vom 03. August 2010 die Auskunft, dass die IP-Adresse zu dem angegebenen Tatzeitpunkt der 1&1 Internet AG zugeordnet war, und zwar mit der Anschlusskennung [Kennung]. Die 1&1 Internet AG erteilte der Klägerin die Auskunft, dass die zum Tatzeitpunkt verwendete Benutzerkennung dem Internetzugang des Beklagten zugewiesen war, indem sie zu der Benutzerkennung Namen und Anschrift des Beklagten mitteilte.

    Die Klägerin mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 15. Februar 2011 (Anlage K3, BI. 25 ff. der Akte) ab.


    Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie
    1. einen angemessenen Schadensersatz in Höhe von mindestens 2.500,00 EUR;
    2. 1.379,80 EUR Kostenersatz nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.


    Der Beklagte hat beantragt,
    die Klage abzuweisen.


    Der Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin aktivlegitimiert sei. Insbesondere ergebe sich aus dem von der Klägerin selbst als Anlage K 13 (Bl. 340 der Akte) vorgelegten Einleger der CD, dass nicht die Klägerin, sondern die Tonträgerherstellerin sei. Daran ändere auch nichts, dass sich um eine Konzerngesellschaft der Klägerin handele.

    Der Beklagte hat bestritten, dass die Ermittlung des Anschlusses zutreffend ist. Dazu hat er auch das ordnungsgemäße Funktionieren der Software der Pro Media GmbH bestritten.

    Der Beklagte ist ferner der Auffassung, dass die von der 1&1 Internet AG erteilte Auskunft rechtswidrig sei, da insofern eine richterliche Gestattung nach § 101 Abs. 9 UrhG nicht vorliege. Daraus folge ein Beweisverwertungsverbot.

    Der Beklagte ist der Auffassung, es liege keine Urheberrechtsverletzung vor, da nur Teile des Werkes vom Anschluss des Beklagten heruntergeladen worden sei. Dabei handele es sich jedoch nicht um urheberrechtlich geschütztes Material, sondern nur um Datenmüll.

    Der Beklagte hat behauptet, nach seiner Erinnerung sei sein Sohn, der in Hamburg gelebt habe, am 15. Juli 2010 nicht bei den Eltern zu Besuch gewesen. Wenn er sich zu Besuch bei den Eltern befinde, habe er jedoch auch mit einem eigenen Computer Zugang zum Internet über den Internetanschluss des Beklagten.

    Das Amtsgericht hat gegen den Beklagten am 10. März 2014 ein "Versäumnisurteil und unechtes Versäumnisurteil" erlassen. mit dem es den Beklagten im Wege des Teil-Versäumnisurteils verurteilt hat, an die Klägerin 260,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. September 2013 zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage durch streitiges Endurteil, so genanntes unechtes Versäumnisurteil, gegen die erschienene Klägerin abgewiesen.

    Die Klägerin hat gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 10. März 2014, soweit die Klage abgewiesen ist, form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Der Beklagte hat gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 10. März 2014, soweit gegen ihn durch Teil Versäumnisurteil entschieden worden ist, form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

    Daraufhin sind die Parteien mit Verfügung des Berufungsgerichts vom 29. April 2014 darauf hingewiesen worden, dass im vorliegenden Fall, in dem in einem Urteil teilweise aufgrund der Säumnis einer Partei entschieden, über andere Teile dagegen ohne Rücksicht auf die Säumnis die Klage abgewiesen worden ist, dieses Urteil teils mit dem Einspruch und teils mit der Berufung anfechtbar ist. Das bis dahin zusammengefasste Verfahren fällt in solchen Fällen in 2 getrennte Verfahren auseinander. Im Hinblick darauf, dass das Amtsgericht im Rahmen des Einspruchsverfahrens auch über den Anspruchsgrund der geltend gemachten Urheberrechtsverletzung durch die Klägerin befinden müsse, hat das Berufungsgericht angeregt, zunächst das Einspruchsverfahren vor dem Amtsgericht durchzuführen, das Berufungsverfahren hingegen zunächst nicht weiter fortzuführen, bis über den Einspruch von dem Amtsgericht abschließend entschieden worden sei. Zur Vermeidung einer Berufungsbegründung vor der Entscheidung des Amtsgerichts hat das Berufungsgericht beide Parteien um ausdrückliche Zustimmungserklärung zu diesem Vorgehen gebeten. Dem sind beide Parteien nachgekommen und haben schriftsätzlich ihre Zustimmung zu diesem Vorgehen erklärt. Daraufhin hat das Berufungsgericht mit Verfügung vom 12. Mai 2014 die Akten dem Amtsgericht mit der Bitte um Durchführung des Einspruchsverfahrens übersandt und auf die vorstehende Verfügung vom 29. April 2014 hingewiesen.

    Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen [Name] und [Name].


    Die Klägerin hat beantragt,
    das Versäumnisurteil vom 10. März 2014 aufrechtzuerhalten.


    Der Beklagte hat beantragt,
    die Klage abzuweisen.


    Mit Urteil vom 19. November 2014 hat das Amtsgericht Köln unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage insgesamt abgewiesen und die Kosten des Versäumnisurteils dem Beklagten, die übrigen Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt.

    Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, es vermöge nicht festzustellen, dass der Beklagte dieses Filesharing begangen habe. Eine Vermutung der Täterschaft bestehe nicht, da der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen sei und vorgetragen habe, dass auch seine Frau und sein Sohn Zugang zu dem Internetanschluss gehabt hätten. Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass der Beklagte die Tat begangen habe. Vielmehr habe die Zeugin [Name], die Ehefrau des Beklagten ausgesagt, sie und der Beklagte könnten mit dem Computer gar nicht umgehen, um Filesharing zu begehen. Es spreche zumindest eine deutlich größere Wahrscheinlichkeit für eine Täterschaft des Zeugen [Name], der die Aussage verweigert habe, und als 30-jähriger offensichtlich interneterfahrener Mann dem Täterprofil sehr viel eher entspreche als der 72-jährige Beklagte. Der Beklagte hafte auch nicht als Störer, weil als Täter zum Tatzeitpunkt der volljährige Sohn des Beklagten in Betracht komme.

    Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

    Eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung enthält das Urteil des Amtsgerichts vom 19. November 2014 nicht; auch eine Streitwertfestsetzung ist im Urteil nicht erfolgt.

    Gegen das ihr am 8. Januar 2015 zugestellte Urteil des Amtsgerichts vom 19. November 2014 hat die Klägerin ebenfalls Berufung eingelegt, und zwar mit am 07. Februar 2015 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 06. Februar 2015.

    Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertritt insbesondere die Auffassung, dass der Beklagte die gegen ihn als Anschlussinhaber sprechende tatsächliche Vermutung, die Rechtsverletzung selbst begangen zu haben, nicht widerlegt habe.


    Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 19. November 2014 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Köln (Az. 125 C 495/13) zu verurteilen, an die Klägerin
    1. einen angemessenen Wertersatz in Höhe von 2.500,00 EUR und
    2. 1.379,80 EUR Kostenersatz nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.


    Der Beklagte beantragt,
    die Berufung zurückzuweisen.


    Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, dass die Täterschaftsvermutung widerlegt sei. Der Internetanschluss des Beklagten war sowohl für den Beklagten selbst als auch für seine Ehefrau, die Zeugin [Name] zugänglich, so dass beide in objektiver Hinsicht als Täter in Betracht kämen. Sie seien allerdings beide aus subjektiver Sicht nicht zur Bedienung von Filesharing Software in der Lage. so dass sie beide subjektiv als Täter ausschieden, was für die Zeugin [Name] unstreitig ist. Der Sohn des Beklagten hingegen, der Zeuge [Name] sei subjektiv in der Lage zur Tatbegehung gewesen. Ob bei jedoch zum Tatzeitpunkt bei seinen Eltern gewesen sei und daher objektiv Zugriff auf den Internetanschluss gehabt habe, könne der Beklagte nicht sagen.

    Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 27. August 2015 (Bl. 442 der Akte) durch Vernehmen des Zeugen [Name].

    Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7. April 2016 (Bl. 457 ff. der Akte) Bezug genommen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die inhaltlich vorgetragenen Schriftsätze der Parteien und die von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

    Die Berufung ist zulässig und in der Sache bis auf die von Klägerseite geltend gemachten Ermittlungskosten begründet.


    A.

    Die Berufung ist zulässig.


    1.

    Soweit sie sich gegen das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts Köln vom 10. März 2014 richtet, ist sie ohne weiteres statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und - nach entsprechender Verlängerung mit Zustimmung des Beklagten gemäß § 520 Abs. 2 ZPO - begründet worden.


    2.

    Die Berufung ist auch zulässig, soweit sie sich gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 19. November 2014 richtet. Nach § 511 Abs. 2 ZPO ist die Berufung gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile (Abs. 1) nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt (Nr. 1) oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat (Nr. 2). Gemäß § 511 Abs. 4 ZPO lässt das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung zu, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (Nr. 1) und die unterlegene Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600,00 EUR beschwert ist (Nr. 2).

    Die Entscheidung des Amtsgerichts im Urteil vom 19. November 2014 betraf nur die durch das Teil-Versäumnisurteil vom 10. März 2014 zugesprochenen Schadensersatzbeträge von 130,00 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 130,50 EUR, insgesamt also 260,50 EUR. Damit lag der Wert des Beschwerdegegenstandes betreffend das Urteil vom 19. November 2014 unterhalb von 600,00 EUR und war eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO erforderlich. Unterlässt das erstinstanzliche Gericht die Entscheidung über die Zulassung nach § 511 Abs. 4 ZPO, hat das Berufungsgericht die Entscheidung darüber nachzuholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO erfüllt sind. Selbst wenn das Berufungsgericht die Prüfung unterlässt, jedoch die Revision zulässt, überprüft das Revisionsgericht anstelle des Berufungsgerichts die Gründe für die Zulassung der Berufung (vergleiche dazu BGH, Urteil vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06 - Rn. 9, juris).

    Im vorliegenden Fall war die Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO erforderlich. Denn eine Entscheidung des Berufungsgerichts im vorliegenden Verfahren war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, auch wenn die Klägerin durch die Aufhebung des Teil-Versäumnisurteils mit nicht mehr als 600,00 EUR beschwert war. Denn nachdem das Amtsgericht durch Teil-Versäumnisurteil und Urteil vom 10. März 2014 entschieden hatte, war im Hinblick darauf, dass das Amtsgericht nach dem Einspruch des Beklagten gegen das Teil-Versäumnisurteil erstmals auch eine Entscheidung zur Haftung des Beklagten dem Grunde nach zu treffen hatte, eine zeitlich vorrangige Entscheidung des Amtsgerichts Köln angeregt worden, damit im Berufungsverfahren einheitlich zum Grunde und zur Höhe entschieden werden konnte.

    Nach der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme ist das Amtsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten bereits dem Grunde nach nicht in Betracht kämen. Da bezüglich des noch bei dem Amtsgericht anhängigen Teils der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche in Höhe von insgesamt 260,50 EUR die Berufungssumme von 600,00 EUR nicht erreicht war, wäre diese Entscheidung des Amtsgerichts ohne die Zulassung der Berufung rechtskräftig geworden, Hinsichtlich der von der Klägerin bereits zulässigerweise eingelegten Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 10. März 2014, soweit damit die Klage abgewiesen worden war, hätte das Berufungsverfahren durchgeführt werden müssen. Zu entscheiden gewesen wäre jedoch allein über die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Lizenzschadensersatz bzw. Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, nicht aber zum Grunde dieser Ansprüche. Deshalb hätte das Amtsgericht die Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zulassen müssen, um eine einheitliche Entscheidung in dem Fall für die Parteien zu erreichen.

    Hinzu kommt, dass angesichts der Fassung des amtsgerichtlichen Urteils vom 19. November 2014 auch davon ausgegangen werden kann, dass die Zulassung der Berufung nur versehentlich unterblieben ist. Denn das Amtsgericht hat ersichtlich die Sache nochmals umfassend bescheiden wollen. Dies folgt bereits aus der Formulierung im Hauptsachetenor, wonach das Amtsgericht unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 10. März 2014 die Klage insgesamt abgewiesen hat und die Kosten des Rechtsstreits (insgesamt) der Klägerin auferlegt hat.

    Die Zulassung der Berufung holt die Kammer nunmehr nach.


    B.

    Die Berufung ist überwiegend begründet.


    1.

    Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen der unberechtigten Nutzung des streitgegenständlichen Musikalbums in Form der öffentlichen Zugänglichmachung aus §§ 97 Abs. 2, 15 Abs. 2 i.V.m. 19a UrhG in Höhe von 2.500,00 EUR zu.


    a)

    Die Klägerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte zur öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Musikalbums aktivlegitimiert, § 85 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 UrhG. Im Rahmen tatrichterlicher Würdigung ist nach dem Sach- und Streitstand davon auszugehen, dass die Klägerin Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte des Tonträgerherstellers ist. Maßgeblich stützt sich die Kammer dabei auf den Umstand, dass die Klägerin als Lieferant in dem Medienkatalog der Phononet GmbH aufgeführt ist. Einer Eintragung in diesen Katalog, bei dem es sich um den zentralen Einkaufskatalog für den Einzelhandel handelt, kommt eine erhebliche Indizwirkung zu (vergleiche BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14 - Tauschbörse I). Diese ist auch im vorliegenden Fall gegeben und nicht etwa durch das Vorbringen des Beklagten eingeschränkt oder gar erschüttert. Zwar trifft zu, dass auf dem Einleger der DVD, den die Klägerin als Anlage K 13 vorgelegt hat, nicht die Klägerin selbst, sondern mit [Name]ein Label der [Name]in einem CD-Vermerk angegeben ist. Bei der [Name] handelt es sich jedoch unstreitig um eine Konzerngesellschaft des Konzerns, dem auch die Klägerin angehört. Damit stellt der C-Vermerk schon ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass die Rechte beim Konzern liegen. Wenn dann wiederum in der Katalogdatenbank der Phononet GmbH die Klägerin als Inhaber der Tonträgerherstellerrechte angegeben ist, und eben nicht die zum selben Konzern gehörende [Name], spricht alles für den Vortrag der Klägerin, dass in einem konzerninternen Repertoireaustauschvertrag die Rechte auf die Klägerin übertragen worden sind. Denn es liegt im einheitlichen Interesse des Konzerns und seiner Konzerngesellschaften, dass die Verwertungsrechte jeweils der Gesellschaft zugeordnet sind, die die Verwertung auch vornehmen soll, im vorliegenden Fall mithin der Klägerin.


    b)

    Der Beklagte ist passivlegitimiert.

    Nach dem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass von dem Internetanschluss des Beklagten aus die von der Klägerin vorgetragene Rechtsverletzung erfolgte, dass also zu dem angegebenen Zeitpunkt das Musikalbums [Name] der Künstlerin [Name] über den Anschluss des Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden ist.


    aa)

    Dabei steht zunächst zur Überzeugung der Kammer fest, dass die von der Pro Media GmbH durchgeführten Ermittlungen zutreffend waren. Insofern stützt sich die Kammer zunächst maßgeblich auf das Ergebnis der Beweisaufnahme und auf die Aussage des Zeugen [Name]. Dieser hat in einer ausführlichen Beweisaufnahme Schritt für Schritt die Ermittlungen gut nachvollziehbar und im Detail insbesondere anhand von ihm vorgelegter Screenshots, welche die tatsächliche Ermittlung im Jahre 2010 dokumentieren, erläutert Der Zeuge hat zunächst erläutert, dass es sich bei dem Screenshot auf Seite 1 der von ihm überreichten Unterlagen um eine Darstellung der einzelnen Titel des streitgegenständlichen Musikalbums handelt, die zuvor von dem Zeugen und seinem Unternehmen ermittelt worden waren. Dazu haben sich der Zeuge und die Firma Pro Media GmbH des Computerprogramms Vuze bedient. Dabei handelte es sich zum damaligen Zeitpunkt um eines der gängigen so genannten Tauschbörsenprogramme, die für die Tauschbörse BitTorrent von deren Nutzern eingesetzt wurden. Der Zeuge hat ferner auch noch auf Seite 1 der von ihm überreichten Unterlagen den BitTorrent Hashwert angegeben. Auf der Seite 2 der von ihm überreichten Unterlagen ist ein Screenshot der Programmoberfläche von Vuze dargestellt. Dazu hat der Zeuge erklärend darauf hingewiesen, dass wiederum der Hashwert des streitgegenständlichen Musikalbums aufgeführt ist, wodurch zu ersehen ist, dass mit dem Programm Vuze nach einer Datei mit diesem Hashwert gesucht wurde. Dadurch erschließt sich ohne weiteres, dass die Suche mit einem der üblichen Tauschbörsenprogramme nach dem streitgegenständlichen Musikalbum erfolgte.

    Ferner hat der Zeuge über den Screenshot auf Seite 3 der von ihm überreichten Unterlagen plausibel erläutert, dass es sich hier um die Daten des Anbieters der streitgegenständlichen Musikdatei handelt, die von dem Zeugen mithilfe des von ihm eingesetzten Programms festgestellt worden waren. Aus diesem Screenshot ergibt sich zum einen, dass die Musikdatei von einem Rechner mit der streitgegenständlichen IP-Adresse angeboten wurde, zu der die Deutsche Telekom AG und die 1&1 Internet AG die Auskunft erteilt haben, dass diese zu dem maßgeblichen Zeitpunkt dem Anschluss des Beklagten zugeordnet war. Darüber hinaus ist erkennbar, dass die Datei zu 100 % vorhanden war und dass ein Download mit einer Datenmenge von 2,05 MB von dem Rechner, der hinter der IP-Adresse [IP] vorhanden war, auf den von dem Zeugen und der Pro Media GmbH eingesetzten Ermittlungsrechner erfolgt ist.

    Gut nachvollziehbar und überzeugend hat der Zeuge [Name]weiter bekundet, dass eine 2. Art von Information die Netzwerkkommunikation zwischen den betroffenen Computern betrifft. Diese Informationen sind in einem so genannten Capture-File festgehalten und belegen, welche Daten zwischen dem Ermittlungsrechner einerseits und dem Rechner des Anbieters, der hinter der IP, Adresse [IP] vorhanden war, andererseits ausgetauscht wurden. Auch dies hat der Zeuge gut nachvollziehbar anhand der Seite 4 der von ihm überreichten Unterlagen erläutert. So hat er ausgeführt, dass zunächst einmal der so genannte Handshake zwischen den betroffenen Rechnern erfolgt. Mit dieser "Begrüßung" klären die Rechner, welche Datei gesucht und heruntergeladen werden soll. Dazu hat der Zeuge [Name] überzeugend erläutert, dass der weitere Inhalt dieser in der Übersicht oben auf der Seite 4 der von ihm überreichten Unterlagen in dem unteren Bereich angegeben ist und sich dort erneut der Hashwert der betroffenen Datei findet. Dadurch ist klar, dass die Anfrage dem streitgegenständlichen Musikalbums galt.

    Überzeugend hat der Zeuge [Name] weiter ausgeführt, dass bei dem Download-Prozess immer nur Teile, so genannte Pieces, geladen werden, die ebenfalls auf dem Screenshot auf Seite 4 der von dem Zeugen überreichten Unterlagen aufgeführt sind. Dass nicht nur ganze Dateien an einem Stück in Filesharing-Netzwerken geladen werden, entspricht nach Kenntnis der Kammer aus zahlreichen anderen Verfahren, die Rechtsverletzungen im Hinblick auf Filesharing-Netzwerke betreffen, den technischen Gegebenheiten beim Filesharing.

    Die Kammer ist auch überzeugt, dass es sich bei diesen Datenpaketen (Pieces) um Teile des streitgegenständlichen Musikalbums handelt. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Zeuge glaubhaft bekundet hat, sich einzelne Pieces aus dem damaligen Ermittlungsvorgang vor dem Termin zur Beweisaufnahme nochmals angesehen und die Übereinstimmung festgestellt zu haben. Die Kammer hat auch keinen Zweifel, dass es sich dabei um eine Übereinstimmung gehandelt hat. Der Zeuge hat dazu dargelegt, dass er nicht etwa einen Hörvergleich vorgenommen hat, sondern die Daten technisch abgeglichen hat, indem er nämlich Bit für Bit jedes Piece verglichen hat. Die Art und Weise dieser Überprüfung hat der Zeuge anschaulich erklärt, indem er zum Vergleich ein Beispiel angeführt hat, dass eine bestimmte Seite aus einem Buch aufgeschlagen wird, dieselbe Seite aus einem kopierten Buch danebengelegt wird und dann Buchstabe für Buchstabe die Seiten verglichen werden. Ergibt sich eine Übereinstimmung, ist von einer Kopie auszugehen.

    Aufgrund dieser Umstände hat die Kammer keine Zweifel, dass der von dem Zeugen [Name] initiierte Ermittlungsvorgang zutreffend war. Damit steht fest, dass die Datei auf dem Computer, dem zu dem Zeitpunkt am 15. Juli 2010 die IP-Adresse [IP] zugeordnet war, vollständig vorhanden war und zum Herunterladen im BitTorrent-Netzwerk bereitgehalten wurde.

    Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Einwand des in der mündlichen Verhandlung vom 07. April 2016, dass das BI. 4 der von dem Zeugen während seiner Vernehmung zur Akte gereichten Unterlagen nicht in der prozessual korrekte Form von der Klägerseite eingereicht oder in den Prozess eingeführt worden sei. Die Klägerin hat diese Unterlage nicht in den Prozess eingeführt. Der Zeuge hat die Unterlage vorgelegt und seine Aussage anhand der Unterlagen erläutert. Es handelt sich mithin um einen Teil des Beweisergebnisses, das in vollem Umfang verwertet werden kann und verwertet werden muss.
    Entgegen der Auffassung des Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11. Mai 2016 ist es auch nicht erforderlich, ein Sachverständigengutachten betreffend das von dem Zeugen [Name] eingesetzte Programm Vuze einzuholen. Dies gilt schon deshalb, weil es sich dabei nicht um ein speziell für die Ermittlung derartiger Rechtsverletzungen entwickeltes Programm handelt, sondern Vuze gerade für den Zweck programmiert worden ist, um es jedermann zu ermöglichen, das Filesharing-Netzwerk BitTorrent zu benutzen. Wäre das Programm nicht oder nur eingeschränkt in der Lage, die zutreffenden Musikdateien zu identifizieren, die Nutzer des BitTorrent Netzwerkes suchen, wäre es ungeeignet und würde das Filesharing-Netzwerk BitTorrent nicht funktionieren. In Anbetracht dessen liegt die diesbezügliche Bekundung des Zeugen [Name] auf der Hand, dass er davon ausgehen kann, dass die Informationen des Programms Vuze richtig gewesen sind.


    bb)

    Die Kammer ist darüber hinaus davon überzeugt, dass die Auskunfterteilung, der Internetanschluss des Beklagten sei derjenige gewesen, dem zum streitgegenständlichen Zeitpunkt am 15. Juli 2010 um 14:23:00 Uhr die von dem Zeugen [Name] ermittelte IP-Adresse [IP] zugeordnet war, richtig war. Die Klägerin hat die Auskunft von der Deutschen Telekom AG aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Köln vom 03. August 2010, Az. 220 OH 208/10, erhalten, wie sie bereits in der Klagebegründung im Einzelnen dargestellt und durch ihre Prozessbevollmächtigte versichert hat. Dies stellt auch der Beklagte nicht infrage, sondern geht ebenfalls davon aus, dass die automatisierte Auskunft durch die Deutsche Telekom AG jedenfalls insofern zuverlässig ist, als die Zuordnung der IP-Adresse zu einer bestimmten Benutzerkennung erfolgt.

    Im Anschluss an die Deutsche Telekom AG erteilte die 1&1 Internet AG die Auskunft, dass die von der Deutschen Telekom AG angegebene Benutzerkennung der 1&1 Internet AG dem Internetzugang des Beklagten zugewiesen war. Der Beklagte hat keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, wonach diese Auskunfterteilung unzutreffend gewesen sein könnte. Er hat lediglich allgemein Bedenken im Hinblick darauf formuliert, dass ein Netzbetreiber die Richtigkeit und Aktualität der ihm von dem Reseller mitgeteilten Bestandsdaten nicht prüfen könne. Diese Bedenken spielen im vorliegenden Fall schon deshalb keine Rolle, da nicht die Deutsche Telekom AG die Auskunft erteilt hat, dass die streitgegenständliche IP-Adresse dem Anschluss des Beklagten zur fraglichen Zeit zugeordnet war, sondern die 1&1 Internet AG, also der Reseller, selbst. Diese Auskunft der 1&1 Internet AG war auch zutreffend; dass nämlich die Benutzerkennung [Kennung] die Benutzerkennung des Beklagten zum Verletzungszeitpunkt gewesen ist, stellt auch der Beklagte nicht in Abrede.

    Schließlich bestehen entgegen der Auffassung des Beklagten auch keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass die 1&1 Internet AG ohne eine gesonderte Gestattung nach § 101 Abs. 9 UrhG die Auskunft erteilt hat. Insbesondere ist kein Beweisverwertungsverbot gegeben. Bei den Daten, über die die 1&1 Internet AG Auskunft erteilt hat, nämlich die Zuordnung von Name und Anschrift des Beklagten zu der von der Deutschen Telekom AG bereits im Rahmen des Gestattungsverfahrens mitgeteilten Benutzerkennung der 1&1 Internet AG, handelt es sich um Bestandsdaten im Sinne von § 3 Nr. 3 TKG. Bestandsdaten sind nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 3 TKG Daten eines Teilnehmers, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsdienste erhoben werden. Bei den Namen und Anschriften der Nutzer, denen die in der Anlage aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren, handelt es sich um Daten, die für die Begründung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsdienste erhoben werden, und damit um Bestandsdaten (vergleiche BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - I ZB 77/11). Ein Gestattungsverfahren gemäß § 101 Abs. 9 UrhG ist jedoch nur dann erforderlich bleibt insbesondere während des gesamten Vertragsverhältnisses unabhängig von Art und Umfang der von dem Beklagten genutzten Telekommunikationsdienste, wenn es sich um Verkehrsdaten im Sinne von §§ 3 Nr. 30, 96 TKG handelt (vergleiche OLG Köln, Beschluss vom 27. November 2012 - 6 W 181/12 - Gestattungserfordernis für Reseller), mithin um solche, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, also etwa das Datum und die Uhrzeit der Verbindung (vergleiche BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - I ZB 77/11). Die Zuordnung der Namen und Anschriften eines Anschlussinhabers zu einer Benutzerkennung geschieht nicht bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes, sondern betrifft das gesamte Vertragsverhältnis zwischen dem Reseller und dem Anschlussinhaber, im vorliegenden Fall also zwischen der 1&1 Internet AG und dem Beklagten, bleibt insbesondere unabhängig von Art und Umfang der von dem Beklagten in Anspruch genommenen Telekommunikationsdienste während des Vertragsverhältnisses unverändert.


    cc)

    Damit ist von der Klägerin im Wege des Indizienbeweises bewiesen, dass die Ermittlungen der Pro Media GmbH und die Angaben der Deutschen Telekom AG sowie der 1&1 Internet AG zutreffend waren. Aus diesem Beweisergebnis folgt ferner, dass wenigstens einer der mit dem Internetanschluss des Beklagten verbundenen Computer im Haushalt der Beklagten zu dem hier streitgegenständlichen Zeitpunkt am 15. Juli 2010 mit dem Internet verbunden gewesen war. Denn andernfalls hätte die Pro Media GmbH das streitgegenständliche Musikalbum nicht über den Internetanschluss des Beklagten (teilweise) herunterladen können.


    c)

    Der Beklagte ist auch täterschaftlich dafür verantwortlich, dass das streitgegenständliche Musikalbum zu dem hier fraglichen Zeitpunkt am 15. Juli 2010 öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Zwar trägt die Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf (Lizenz-) Schadensersatz sowie auf Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74112, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 - Morpheus; Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 - BearShare, Urteil vom 11. Juni 2015 - 175114 - Tauschbörse III).

    Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14 Tauschbörse III).

    Im vorliegenden Fall greift nach dem Sach- und Streitstand, insbesondere auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, zulasten des Beklagten die tatsächliche Vermutung seiner täterschaftlichen Verantwortlichkeit ein. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist nicht anzunehmen.

    Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzungen in Betracht kommen.


    aa)

    Nach dem Vortrag des Beklagten war das von ihm verwendete WLAN mit einer WPA2-Verschlüsselung versehen, wobei eine individuelle Verschlüsselung von mehreren Zeichen gewählt worden sei; auch der Router sei passwortgesichert gewesen. Damit war der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt hinreichend gesichert.


    bb)

    Der Beklagte geht - insbesondere nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht - davon aus, dass seine Ehefrau nicht als Täterin der streitgegenständlichen Rechtsverletzung in Betracht kommt.


    cc)

    Der Beklagte hat ferner nicht vorgetragen, dass sein Sohn [Name], der Zeuge [Name] ernsthaft als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt. Bereits mit der Klageerwiderung hat der Beklagte vorgetragen, dass der Sohn sich zwar gelegentlich bei den Eltern aufhalte und dann auch Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten habe, dies jedoch soweit dem Beklagten erinnerlich am 15. Juli 2010 nicht der Fall gewesen sei. Damit hat der Beklagte bereits nicht vorgetragen, dass sein Sohn als Alleintäter der Rechtsverletzung in Betracht kommt. Denn maßgeblich kommt es konkret auf die Situation zum Verletzungszeitpunkt an, nicht darauf, ob und inwieweit die Nutzungsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen besteht (vergleiche BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14 - Tauschbörse III). Es ergeben sich weiterhin keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Sohn anderweitig die Rechtsverletzung über den Internetanschluss des Beklagten hätte begehen können.


    dd)

    Schließlich ergibt sich auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht nichts anderes. Belastbare Feststellungen des Amtsgerichts, wonach die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter die Rechtsverletzung begangen hat, fehlen.

    Dies betrifft zum einen die Ehefrau des Beklagten. Aus ihrer Aussage ergibt sich nicht, dass sie ais Täterin in Betracht käme. Denn bereits objektiv ist ihre Aussage insofern unergiebig, da die Zeugin bekundet hat, nicht mit dem Internet umgehen zu können. Dies ist jedoch grundlegende Voraussetzung für die Nutzung von Filesharing-Netzwerken.

    Auch hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Sohn des Beklagten als alleiniger Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt. Vielmehr hat die Zeugin [Name] dazu keine konkrete Aussage getroffen; sie konnte sich vielmehr nicht erinnern, ob ihr Sohn am 15. Juli 2010 überhaupt bei ihr und dem Beklagten gewesen sei und damit auf den Anschluss des Beklagten hätte zugreifen können. Da der Zeuge [Name] zulässigerweise von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, ergibt sich auch insoweit nichts zu der Frage, ob und inwieweit er als Alleintäter der Rechtsverletzung in Betracht kommt.


    ee)

    Ist - wie hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - nicht feststellbar, dass ein Dritter selbstständigen Zugang zu dem Internetanschluss des Anschlussinhabers hatte und danach allein verantwortlich für die Rechtsverletzung sein kann, bleibt es bei der tatsächlichen Vermutung, dass der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt (vergleiche Urteil der Kammer vom 11. Februar 2016 - 14 S 23/14; OLG Köln, Urteil vom 06. Februar 2015 - 6 U 209/13). Daher spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Beklagte als Täter für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGHZ 200, 76 Rn. 15 - BearShare). In einem solchen Fall fehlt es an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme, ein Dritter könnte die Verletzungshandlung mit - alleiniger - Tatherrschaft begangen haben (vergleiche BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14 - Tauschbörse III).


    ff)

    Es ist schließlich auch nicht bewiesen, dass der Beklagte nicht der Täter gewesen wäre. Soweit die Ehefrau des Beklagten die Vorstellung als lächerlich abgetan hat, steht diese Aussage einer Täterschaft des Beklagten selbst nicht entgegen. Dies verkennt das Amtsgericht. Denn wenn mit dem Amtsgericht die Glaubwürdigkeit der Zeuge und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage angenommen wird, steht fest, dass die Zeugin mit dem Internet nicht umgehen kann, demzufolge also auch in keiner Weise beurteilen kann, auf welche Weise und für welche Zwecke der Beklagte seinen Internetanschluss nutzen konnte und genutzt hat. Denn im Unterschied zu der Zeugin ist der Beklagte grundsätzlich in der Lage, "mit dem Internet umzugehen". Diesen Aspekt hat das Amtsgericht nicht gewürdigt. Weil aber die Zeugin gar nicht beurteilen kann, ob der Beklagte das streitgegenständliche Musikalbum in einem Filesharing-Netzwerk angeboten hat, ist ihre Aussage schon deshalb unergiebig und daher ungeeignet, die Überzeugung des Amtsgerichts zu tragen.

    Das Urteil des Amtsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Denn soweit das Amtsgericht allgemeine Erwägungen über Wahrscheinlichkeiten anstellt, ob der Zeuge [Name] oder der Beklagte als Täter in Betracht kommen, lässt sich daraus für den vorliegenden Fall nichts ableiten. Dies gilt vor allem deshalb, weil schon auf der Grundlage des Vortrages des Beklagten gerade nicht feststeht, dass der Zeuge [Name] überhaupt als Täter in Betracht kommt geschweige denn, dass festgestellt wäre, dass er in dem konkreten Fall Alleintäter sein könnte.


    d)

    Das dem Beklagten zur Last fallende Verschulden im Sinne von § 276 BGB liegt darin, dass der Beklagte zumindest fahrlässig verkannt hat, zum Angebot eines Musikalbums im Internet zum Download durch Dritte im Rahmen von Filesharing-Tauschbörsen, an dem er keine Lizenzrechte erworben hatte, nicht berechtigt zu sein.


    e)

    Der Höhe nach steht der Klägerin wegen der rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung ihrer Leistungsschutzrechte durch den Beklagten nach der von ihr gewählten Schadensberechnungsart der so genannten Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe von 2.500,00 EUR zu.

    Die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (vgl. BGH Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 68/08 - Restwertbörse I). Nicht entscheidend ist hingegen, ob der Verletzte überhaupt beabsichtigte, eine Lizenzierung vorzunehmen; die Zuerkennung einer angemessenen Lizenzgebühr kommt selbst dann in Betracht, wenn die vorherige Erteilung der Zustimmung als schlechthin undenkbar erscheint (vergleiche etwa BGH GRUR 1993,55 - Tschibo/Rolex II) oder ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Benutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1320, 1321).

    Zur Ermittlung der angemessenen Lizenzgebühr ist zu fragen, was ein vernünftiger Lizenzgeber und ein vernünftiger Lizenznehmer anstelle der Parteien für die Übertragung des Rechts auf den Beklagten vereinbart hätten, damit dieser das streitgegenständliche Filmwerk im Internet im Rahmen eines Netzwerks für eine Vielzahl von Teilnehmern zum Download bereit halten durfte.

    Der Ansatz eines fiktiven Lizenzentgelts von 2.500,00 EUR ist im vorliegenden Fall angemessen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kammer, für das Angebot von Musikaufnahmen über Filesharingnetzwerke im Internet jeweils 200,00 EUR pro Musiktitel als angemessenen Schadensersatz für den Regelfall anzusetzen. Diese Rechtsprechung entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung, vergleiche etwa OLG Köln (zusammenfassend etwa Urteil vom 6. Februar 2015 - 6 U 209/13), OLG Hamburg (Urteil vom 05. November 2013 - 5 U 222/10) und OLG Frankfurt (Urteil vom 15. Juli 2014 - 11 U 115/13; Urteil vom 16. Dezember 2014 - 11 U 27/14). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof bestätigt (siehe dazu Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14 Tauschbörse III).

    Vor diesem Hintergrund hält die Kammer die geltend gemachten 2500,00 EUR für die 13 Musikstücke auf dem streitgegenständlichen Musikalbum im vorliegenden Fall für angemessen.


    2.

    Die Klägerin hat gegen den Beklagten ferner Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 651,80 EUR gemäß § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F..

    Bei der Ermittlung der Rechtsverletzung in so genannten Internet-Tauschbörsen wegen eines zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Filmes wie im vorliegenden Fall und der Durchsetzung der daraus folgenden Ansprüche handelt es sich nicht um einen einfach gelagerten Fall im Sinne von § 97 a UrhG in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. etwa Urteil vom 28. Mai 2015 - 14 S 33/14; bestätigend etwa OLG Köln, Beschluss vom 13. September 2013 - 6 W 152/13), weshalb eine Begrenzung des Anspruchs der Klägerin auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren für die außergerichtliche Abmahnung gemäß § 97 a Abs. 2 UrhG a.F. nicht in Betracht kommt.

    Der Anspruch der Klägerin berechnet sich nach einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 10.000,00 EUR, was einen Betrag von 631,80 EUR ausmacht, zuzüglich einer Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7300 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR, insgesamt mithin 651,80 EUR.

    Der Ansatz eines Gegenstandswertes von 10,000,00 EUR für den Unterlassungsanspruch wegen der öffentlichen Zugänglichmachung eines aktuellen Musikalbums orientiert sich an dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an der Unterbindung der Rechtsverletzung und der erheblichen Angriffsintensität des jeweiligen Rechtsverletzers, die mit der Beteiligung an illegalen Filesharing-Tauschbörsen verbunden ist. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung der für Urheberrechtsstreitigkeiten zuständigen Kammer sowie des Senates des Oberlandesgerichts Köln.

    Besondere Umstände, die gegebenenfalls ein Abweichen von diesem Ansatz rechtfertigen könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Soweit sie im Schriftsatz vom 23. Juni 2015 auf die Tauschbörsen-Entscheidungen des Bundesgerichtshofs hingewiesen hat, kann sie daraus nicht ableiten. Die Berechnung der dortigen Gegenstandswerte ist in Anbetracht der 3-stelligen Anzahl der dort gegenständlichen Musikstücke gerechtfertigt gewesen. Im vorliegenden Fall geht es um ein Musikalbum mit 13 Musikstücken.


    3.

    Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291, 247 BGB. Rechtshängigkeit ist mit Zustellung der Klage an den Beklagten am 3. September 2013 eingetreten, §§ 253 S. 1, 261 Abs. 1 ZPO.


    4.

    Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO war nicht angezeigt. Dies gilt auch im Hinblick auf den Schriftsatz des Beklagten vom 25. Mai 2016, mit dem er vorträgt, die Klageforderung (überwiegend) ausgeglichen zu haben. Mit neuem Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist der Beklagte ausgeschlossen, § 296 a ZPO. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war auch nicht aus prozessökonomischen Gründen angezeigt. Wenn und soweit der Beklagte die berechtigte Forderung der Klägerin ausgeglichen hat, sind derartige Erfüllungsleistungen im Rahmen der Vollstreckung zu berücksichtigen. Geschieht dies nicht, kann der Beklagte - wie alle Schuldner in einer solchen Situation - auf die dafür in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe zurückgreifen.


    5.

    Die Kostenentscheidung beruht §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO und entspricht dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien.

    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr 8 EGZPO.


    6.

    Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Die Kammer weicht mit dieser Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung oder ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (543 Abs. 2 ZPO).

    Die Entscheidung beruht auf der tatrichterlichen Anwendung gesetzlicher und höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze in einem Einzelfall unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des konkreten Sachverhaltes.

    Die Beschwer im Berufungsverfahren wird für beide Berufungen auf insgesamt 3879,80 EUR festgesetzt. (...)





~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

LG Köln, Urteil vom 02.06.2016, Az. 14 S 21/14,
Vorinstanz: AG Köln, Teil-Versäumnis- und Urteil vom 10.03.2014, Az. 125 C 495/13,
Rasch Rechtsanwälte,
Berufung Rasch Rechtsanwälte,
Schadensersatz,
10-Euro-Entscheidung,
Auskunft Reseller,
Reseller,
Beweismittelverbot

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AG Traunstein, Az. 312 C 771/15

#10704 Beitrag von Steffen » Freitag 10. Juni 2016, 16:53

WALDORF FROMMER: Amtsgericht Traunstein zu den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast - Unplausibler Vortrag führt zur vollen Verurteilung


16:50 Uhr


Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

Beethovenstraße 12 | 80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10 | Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de | Web: www.waldorf-frommer.de




Bericht

Link:
http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... urteilung/

Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-conte ... 771_15.pdf


Autorin:
Rechtsanwältin Eva-Maria Forster



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Nachdem sämtliche Versuche einer außergerichtlichen und gütlichen Beilegung des Rechtsstreits gescheitert waren, hatte die Rechteinhaberin Klage wegen der unlizenzierten Verbreitung ihres urheberrechtlich geschützten Filmwerks erhoben.

Der in Anspruch genommene Anschlussinhaber hatte seine Verantwortlichkeit für die Urheberrechtsverletzung bestritten und vorgetragen, dass er sich im streitgegenständlichen Zeitraum mit seiner Frau auf einer Urlaubsreise befunden habe. Er habe seinen Rechner zuvor ausgeschaltet und sein WLAN-Anschluss wäre mit einem individuellen Passwort ausreichend gesichert gewesen. Die volljährige Tochter der Familie sowie deren zu Besuch verweilende Freundin seien zum damaligen Zeitpunkt zuhause gewesen und hätten Zugang zu dem Internetanschluss gehabt. Er habe seine Tochter im Vorfeld belehrt, keine "illegalen Downloads" über seinen Anschluss zu tätigen.

Nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte sowohl seine Tochter als auch deren Freundin befragt; beide hätten ihre Täterschaft verneint. Im gerichtlichen Verfahren führte der Abgemahnte dann erstmals aus, er habe sich zudem nach Erhalt der Abmahnung die Laptops der beiden Frauen aushändigen lassen, "die er auf die entsprechende Filmdatei, sowie Tauschbörsensoftware" durchsucht hätte, "um eine Täterin auszumachen". Hierbei sei er jedoch nicht fündig geworden.

Ein derartiger Vortrag reicht nicht aus, den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers zu genügen. Das Gericht führt insofern aus:
  • "Schließt der Sachvortrag der Beklagtenpartei im Rahmen der sekundären Darlegungslast es aus, dass es überhaupt zu einer an sich feststehenden - Rechtsverletzung gekommen ist, so ist er nicht plausibel und bietet auch keine ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs. Vorliegend wäre nach dem Sachvortrag des Beklagten letztlich niemand für die - an sich feststehende - Rechtsverletzung verantwortlich, was denklogisch nicht möglich ist. [...]
    Lässt sich der Vortrag des Beklagten im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast jedoch in keinster Weise in Einklang mit der prozessual feststehenden Rechtsverletzung bringen und ist er folglich offenkundig widersprüchlich, so geht dieser Widerspruch zu Lasten des Beklagten."
Im Ergebnis hat der Beklagte neben der Leistung von Schadenersatz nun sowohl die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, als auch die vollen Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der von der Klägerin angesetzte Gegenstandswert, als auch der beantragte Schadensersatz sind angemessen, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung:
  • "Der angesetzte Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 EUR ist nicht zu beanstanden. [...] Durch das Angebot des streitgegenständlichen Spielfilms ist der Klägerin ein Schaden entstanden, den das Gericht auf 600,00 EUR schätzt, § 287 ZPO. Die Klägerin kann ihren Schadensersatzanspruch - wie geschehen - gem. § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen."





Amtsgericht Traunstein, Urteil vom 24.05.2016, Az. 312 C 771/15

  • (...)

    erlässt das Amtsgericht Traunstein durch die Richterin am Amtsgericht [Name] am 24.05.2016 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2016 folgendes


    Endurteil


    • 1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20.02.2015 zu zahlen.
      2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
      3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
      4. Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.



    Tatbestand

    Die Parteien streiten über Schadenersatz- und Aufwendungsersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten wegen Verletzung von Urheberrechten der Klägerin an dem Spielfilm [Name] durch Teilnahme an einer Internettauschbörse.

    Die Klägerin ist Inhaberin der Nutzungs- und Verwertungsrechte am streitgegenständlichen Werk, insbesondere der ausschließlichen Rechte zur Vervielfältigung und zum öffentlichen Zugänglichmachen. Die Klägerin ist Inhaberin der exklusiven Online-Rechte; sie vergibt keine Lizenzen für Vervielfältigungen bzw. Angebote in Tauschbörsen, ein entsprechendes Lizenzmodell existiert nicht. Die elektronische Verbreitung wird ausschließlich über kostenpflichtige Portale lizenziert. Für jeden Abruf eines Werks zum dauerhaften Download ist ein bestimmter Mindestbetrag als Lizenzgebühr abzuführen. Die entsprechende Mindestlizenz beträgt regelmäßig nicht weniger als 50 % von 11,76 EUR (= 5,88 EUR), kann aber je nach Aktualität des Werkes sowie der entsprechenden Bildqualität auch bei bis zu 65 % von 14,28 EUR (= 9,28 EUR) liegen.

    Dem Beklagten räumte die Klägerin keine Verwertungsrechte ein und stimmte keiner Verwertung in Tauschbörsen zu. Am [Datum] zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr und am [Datum] zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr wurde das streitgegenständliche Werk vom Internetanschluss des Beklagten in einer so genannten Internettauschbörse (BitTorrent) zum Download angeboten. Zu den streitgegenständlichen Zeitpunkten verfügte der Beklagte über ein verschlüsseltes WLAN Netzwerk. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom [Datum] forderte die Klägerin den Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, Zahlung von Schadensersatz und zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten auf. Zahlungen leistete der Beklagte nicht. Die Klägerin mahnte daraufhin zuletzt mit Schreiben vom 27.02.2015 unter Fristsetzung zum 06.03.2015 die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR und von Aufwendungsersatz in Höhe von 506,00 EUR erfolglos an. Am 11.05.2015 wurde daher beim Amtsgericht Coburg ein entsprechender Mahnbescheid beantragt, der am 13.05.2015 erlassen wurde. Hiergegen legte der Beklagte Widerspruch ein, der bei Gericht am 21.05.2015 eingegangen ist.

    Die Klägerin ist der Auffassung, den Beklagten treffe eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass er als Inhaber des fraglichen Internetanschlusses auch für über seinen Anschluss begangene Rechtsverletzungen persönlich verantwortlich sei. Diese Vermutung habe der Beklagte durch seinen Sachvortrag nicht widerlegt.

    Der im Wege der Lizenzanalogie zu berechnende und im Übrigen durch das Gericht zu schätzende Schaden betrage mindestens 600,00 EUR. Im Hinblick auf die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten sei ein Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 EUR und eine 1,0 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG angemessen.


    Die Klägerin beantragt,

    Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite

    • 1. einen angemessenen Schadenersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20.02.2015 sowie
      2. 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20.02.2015 zu zahlen.


    Der Beklagte beantragt
    • Klageabweisung.

    Der Beklagte trägt vor, dass er selbst die Rechtsverletzung nicht begangen habe. Am [Datum] und [Datum] habe er sich nicht zu Hause sondern zusammen mit seiner Ehefrau im Allgäu befunden. Bei seiner Abreise sei sein Rechner außer Betrieb gewesen. Neben dem Beklagten hätten auch seine Ehefrau und Tochter Zugang zum Internetanschluss. Die Tochter sei mehrfach darauf hingewiesen worden, dass der Internetanschluss des Beklagten nicht für "Illegale Downloads" verwendet werden dürfe. Während der Abwesenheit des Beklagten habe sich die volljährige Tochter sowie eine Freundin der Tochter im Haus des Beklagten befunden. Nur eine der beiden komme als Verantwortliche für die Urheberrechtsverletzung in Betracht. Schließlich sei ein Gegenstandswert von 1.000,00 EUR zugrunde zu legen.

    Am 06.11.2015 und 22.04.2016 wurde mündlich verhandelt und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen [Namen]. Auf die Sitzungsprotokolle wird Bezug genommen (Bl. 105/107 u. 135/138 d.A.) wird Bezug genommen. Zur Ergänzung wird ferner auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe


    I.

    Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Traunstein sachlich und örtlich zuständig, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, 32 ZPO, 105 Abs. 2 UrhG, 45 Abs. 1 GZVJu.


    II.

    Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR aus § 97 Abs. 2 UrhG wegen rechtswidriger und schuldhafter Verletzung des ausschließlichen Rechts der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Werks gern. § 19a UrhG. Ferner schuldet der Beklagte Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR aus § 97 Abs. 1 S. 2 UrhG, da die Abmahnung vom 30.10.2012 berechtigt war.


    1.

    Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG auf Schadenersatz in Höhe von 600,00 EUR.


    a)

    Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Klägerin hat zu ihrer Rechteinhaberschaft substantiiert und unter Beweisangebot vorgetragen. Soweit der Beklagte die Aktivlegitimation lediglich pauschal mit Nichtwissen bestreitet, ist dieses unbeachtlich.


    b)

    Das streitgegenständliche Werk wurde zu den genannten Zeitpunkten über den Internetanschluss des Beklagten zum Herunterladen angeboten und damit öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat zur Behauptung, dass zu den genannten Tatzeiten unter den jeweils ermittelten IP-Adressen das streitgegenständliche Werk zum Herunterladen angeboten wurde, dokumentiert (K2 und K3). Die Begehung der Rechtsverstöße über den Internetanschluss des Beklagten ist nach Auffassung des Gerichts erwiesen, nachdem das streitgegenständliche Werk innerhalb von 24 Stunden zweimal unter verschiedenen von der Klägerin ermittelten dynamischen IP-Adressen, die jeweils dem Beklagten zugeordnet wurden, zum Herunterladen angeboten wurden. Dass wiederholt eine fehlerhafte Ermittlung der IP-Adresse bzw. eine fehlerhafte Zuordnung zum Anschluss des Beklagten erfolgt sein sollen, hält das Gericht mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für ausgeschlossen. Dagegen erfolgt das lediglich pauschale Bestreiten der Beklagtenseite mit Nichtwissen ins Blaue hinein und ist nicht erheblich.


    c)

    Die Klägerin trägt nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellern die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Rechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. BGH GRUR 2013, 511 - "Morpheus"; BGH GRUR 2014, 657 - "BearShare").


    d)

    Im vorliegenden Fall spricht nicht bereits eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Beklagten. Der Beklagte hat vorgetragen, dass er zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen vom [Datum] bis [Datum] verreist war, seinen Rechner ausgeschaltet hatte und dass seine volljährige Tochter [Name] und deren Freundin [Name] sich im Haus des Beklagten aufhielten. Er hatte ihnen auch seinen Internetanschluss bewusst zur Nutzung überlassen und diese Personen konnten den Anschluss zu den beiden streitgegenständlichen Zeitpunkten, dem [Datum] um [Uhrzeit] Uhr und dem [Datum] um [Uhrzeit] Uhr, mit ihren mitgebrachten Laptops benutzen. Sowohl die Ortsabwesenheit des Beklagten und die Nutzungsmöglichkeit wird von den Zeugen [Namen] und [Name] bestätigt.

    Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht zwar grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH NJW 2010, 2061 - "Sommer unseres Lebens"). Diese tatsächliche Vermutung greift jedoch dann nicht, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten, entweder weil der Anschluss nicht hinreichend gesichert war oder weil er bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH GRUR 2014, 657 - "BearShare"). Dann muss - wie im vorliegenden Fall aufgrund der bewussten Überlassung an die Tochter des Beklagten und deren Freundin - die tatsächliche Vermutung nicht mehr erschüttert werden.


    e)

    Der Beklagte ist aber seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Steht der Beweisführer - wie regelmäßig der Rechteinhaber in Bezug auf Vorgänge in der Sphäre des Anschlussinhabers - außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs, kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache und die Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden.

    Den Inhaber eines Anschlusses trifft insoweit eine sekundäre Darlegungslast (BGH NJW 2010, 2061 - "Sommer unseres Lebens"; BGH GRUR 2014, 657 - "BearShare"). Dieser genügt er grundsätzlich dann, wenn er vorträgt, ob andere Personen selbstständig Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGH, GRUR 2014, 657). An den Sachvortrag sind bezüglich Detailgrad und Plausibilität ein strenger Maßstab anzulegen, wobei die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind.

    Der Vortrag des Beklagten genügt diesen Anforderungen nicht. Zwar trägt er vor, dass nur seine Tochter oder deren Freundin als Verantwortliche für die Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen, weil er und seine Ehefrau zu den streitgegenständlichen Zeitpunkten außer Haus und der Computer ausgeschaltet war. Auf der anderen Seite trägt er vor, dass er beide eingehend zu der streitgegenständlichen Rechtsverletzung befragt habe und sie die Begehung verneint hätten und er jeweils die Laptops nach der Filmdatei sowie der Tauschbörsensoftware durchsucht habe, ohne fündig zu werden. Schließt der Sachvortrag der Beklagtenpartei im Rahmen der sekundären Darlegungslast es aus, dass es überhaupt zu einer an sich feststehenden Rechtsverletzung gekommen ist, so ist er nicht plausibel und bietet auch keine ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs. Vorliegend wäre nach dem Sachvortrag des Beklagten letztlich niemand für die - an sich feststehende - Rechtsverletzung verantwortlich, was denklogisch nicht möglich ist. Ausgehend von diesem Sachvortrag ist die dennoch aufgestellte Behauptung des Beklagten, es komme entweder nur seine Tochter oder deren Freundin als Verantwortliche der Rechtsverletzung in Betracht, unplausibel. Anhaltspunkte für einen Missbrauch des WLAN-Netzwerks durch unberechtigte Dritte durch Überwinden der Zugangssicherung wurden vom Beklagten nicht vorgetragen.

    Lässt sich der Vortrag des Beklagten im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast jedoch in keinster Weise in Einklang mit der prozessual feststehenden Rechtsverletzung bringen und ist er folglich offenkundig widersprüchlich, so geht dieser Widerspruch zu Lasten des Beklagten. Der Beklagte hat seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt, so dass der Vortrag der Klägerin als zugestanden anzusehen ist (vgl. Zöller / Greger ZPO, 30. Aufl. § 138, Rz. 8b).


    f)

    Der Beklagte hat die Rechtsverletzung zumindest fahrlässig begangen, da sich, wer einen fremden urheberrechtlich geschützten Gegenstand nutzen will, über den Bestand des Schutzes sowie über den Umfang seiner Nutzungsberechtigung Gewissheit verschaffen muss.


    g)

    Durch das Angebot des streitgegenständlichen Spielfilms ist der Klägerin ein Schaden entstanden, den das Gericht auf 600,00 EUR schätzt, § 287 ZPO. Die Klägerin kann ihren Schadensersatzanspruch - wie geschehen - gern. § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen. Danach hat der Verletzter dasjenige zu zahlen, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrags in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalls als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten (st. Rspr., vgl. z.B. BGH GRUR 1990, 1008). Ein Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR ist angemessen. Berücksichtigung finden muss der Umstand, dass mit jedem Herunterladen eines urheberrechtlich geschützten Werkes in einer Tauschbörse je eine weitere Downloadmöglichkeit geschaffen wird. Denn zwingend hätten ein vernünftiger Lizenzgeber und Lizenznehmer diese Möglichkeit der für den Rechteinhaber unwägbaren kostenlosen Weiterverbreitung ihrer Vereinbarung zu Grunde gelegt. Vernünftige Parteien eines derartigen Lizenzvertrages hätten dieses Risiko abgegolten.


    2.

    Der Klägerin steht gegen den Beklagten auch ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 509,00 EUR für die Abmahnung vom [Datum] aus § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. zu.


    a)

    Der Beklagte ist als Empfänger einer berechtigten Abmahnung gem. § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG zum Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verpflichtet. Dies war vorliegend der Fall, da der Beklagte als Täter der Klägern gegenüber zur Unterlassung der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen gern § 97 Abs. 1 S 1 UrhG verpflichtet war.


    b)

    Der angesetzte Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 EUR ist nicht zu beanstanden. Das Gericht sieht sich nicht gehalten, bei der Bemessung des Gegenstandswertes die im Verletzungszeitpunkt noch nicht in Kraft getretene Neufassung des § 97a UrhG zugrundezulegen. Vielmehr war der Gegenstandswert im Rahmen des freien Ermessens nach § 3 ZPO als angemessen anzusehen. Die Abmahnung erfolgte in Bezug auf einen aktuellen Spielfilm. Zudem wurden neben der Unterlassungserklärung auch Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Bei der Bemessung des Unterlassungsinteresses ist zudem zu berücksichtigen, dass bei Tauschbörsen nicht nur die Nutzung des Werks sondern insbesondere auch die - unkontrollierbare - Vervielfältigung des Werks immanent ist. Das grenzüberschreitende Anbieten des Werks und das damit einhergehende ebenso leichte, wie unbegrenzte Ermöglichen der Vervielfältigung ist gerade das Wesen einer Internettauschbörse. § 97a Abs. 2 UrhG a.F. greift nicht ein, da es vorliegend an einer unerheblichen Rechtsverletzung fehlt.


    3.

    Der Zinsanspruch besteht gem. §§ 291, 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2 BGB.


    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr 11, 711 ZPO.



    Rechtsbehelfsbelehrung:

    Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

    Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

    Landgericht Traunstein
    Herzog-Otto-Str. 1
    83278 Traunstein


    einzulegen. (...)


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

AG Traunstein, Urteil vom 24.05.2016, Az. 312 C 771/15,
Waldorf Frommer Rechtsanwälte,
Klage Waldorf Frommer,
Rechtsanwältin Anna Zimmermann,
sekundäre Darlegungslast,
Rechtsanwältin Eva-Maria Forster,
Detailgrad und Plausibilität,
Pauschales Bestreiten mit Nichtwissen,
Mehrfachermittlung,
Lizenzmodelle,
Urlaubsabwesenheit,
Bestreiten ins Blaue hinein

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AG München, Az. 171 C 24217/13

#10705 Beitrag von Steffen » Freitag 10. Juni 2016, 19:43

WALDORF FROMMER: Amtsgericht München gibt Klage nach Einholung eines umfangreichen Sachverständigengutachtens statt - erneut keine Zweifel an der Richtigkeit der Ermittlungen


19:40 Uhr


Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

Beethovenstraße 12 | 80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10 | Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de | Web: www.waldorf-frommer.de




Bericht


Link:
http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... ittlungen/

Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-conte ... 217_13.pdf


Autorin:
Rechtsanwältin Carolin Kluge



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~



In diesem Verfahren hatte sich der beklagte Anschlussinhaber zunächst darauf beschränkt, die Ermittlung der Rechtsverletzung und die Zuordnung der Rechtsverletzung zu seinem Internetanschluss zu bestreiten. Denn in seinem Haushalt könne es "niemand" gewesen sein. Er selbst habe zu den streitgegenständlichen Zeiten wohl geschlafen.

Das Amtsgericht München hat daraufhin ein aufwändiges und kostenintensives Sachverständigengutachten zur Richtigkeit der Ermittlungen erstellen lassen. Dieses Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin der Nachweis der Rechtsverletzung vollumfänglich gelungen war: Es bestünden keinerlei Zweifel an der generellen Zuverlässigkeit der eingesetzten Ermittlungssoftware. Darüber hinaus konnte der Sachverständige durch die Auswertung der konkreten Netzwerkmitschnitte zweifelsfrei verifizieren, dass zu den ermittelten Zeiten tatsächlich das konkrete Werk über die ermittelten IP-Adressen in einer Tauschbörse angeboten worden ist.

Auch das Amtsgericht war daraufhin davon überzeugt, dass die Rechtsverletzung tatsächlich über den Internetanschluss des Beklagten vorgenommen wurde. Die ordnungsgemäße Ermittlung der Rechtsverletzung wurde durch das Gutachten zur Überzeugung des Gerichts bestätigt. Eine fehlerhafte Zuordnung der Rechtsverletzung zu dem Internetanschluss des Beklagten scheidet bei einer mehrfachen Zuordnung, die vom Provider jeweils unabhängig voneinander vorgenommen wird, bereits aus mathematischen Gründen aus; ein bloßes Bestreiten der ordnungsgemäßen Zuordnung reiche insoweit jedenfalls nicht.

Der beklagte Anschlussinhaber versuchte zwar nach Erhalt des Sachverständigengutachtens noch, seinen Vortrag zu relativieren und führte u.a. aus, nicht konkret zu wissen, wer die Rechtsverletzung über seinen Internetanschluss begangen haben könnte. Das Amtsgericht München ließ die Spekulationen des Anschlussinhabers nicht mehr zu und verurteilte diesen zur Zahlung der geforderten Beträge in voller Höhe. Die Kosten für das Gutachten in Höhe von mehreren tausend Euro müssen als Kosten des Verfahrens nun ebenfalls vom Beklagten beglichen werden.





Amtsgericht München, Urteil vom 25.05.2016, Az. 171 C 24217/13


  • (...)

    erlässt das Amtsgericht München durch den Richter am Amtsgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2016 und vom 24.06.2015 folgendes


    Endurteil


    • 1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit [Name] zu zahlen.
      2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
      3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.




    Beschluss

    Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.



    Tatbestand

    Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Aufwendungs- und Schadensersatz der Klägerin gegen den Beklagten wegen der unerlaubten Verwertung eines urheberrechtlich geschützten Filmwerks.

    Die Klägerin verfüge über die ausschließlichen Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte für die Bundesrepublik Deutschland an dem Filmwerk [Name].

    Zwischen den Parteien ist darüber hinaus der größte Teil des entscheidungsrelevanten Sachverhalts umstritten.

    Die Klägerin behauptet:

    Zur Feststellung von Urheberrechtsverletzungen bezüglich dieses Filmes habe die Klägerin die Firma ipoque GmbH (ipoque) mit der Überwachung von so genannten Internettauschbörsen beauftragt, welche zu diesem Zweck das "Peer-to-peer Forensic System (PFS)" verwendet habe.

    Die Firma ipoque habe hierbei ermittelt, dass am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr, von [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] über die IP-Adresse [IP], dass ebenfalls am [Datum] bis [Uhrzeit] Uhr über die IP-Adresse [IP] sowie dass ebenfalls am [Datum] von [Uhrzeit] Uhr über die IP-Adresse [IP] der streitgegenständliche Film im Rahmen einer Internettauschbörse unter Einschaltung der Software "BitTorrent" angeboten worden sei.

    Auf Grundlage dieser Zeiten sei seitens der Klägerin das zivilrechtliche Gestattungsverfahren beim Landgericht Flensburg gemäß § 101 Abs.9 UrhG unter den Aktenzeichen 5 0 49/10 durchgeführt worden. Im Rahmen der Auskunftserteilung durch den Provider "Versatel" sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr, um [Uhrzeit] Uhr, um [Uhrzeit] Uhr die IP Adresse [IP], dass am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr und um [Uhrzeit] Uhr die IP-Adresse [IP], sowie dass am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr und um [Uhrzeit] Uhr die IP-Adresse [IP] dem Beklagten als Anschlussinhaber zugeordnet gewesen sei Diese Mitteilung sei inhaltlich zutreffend.

    Der Beklagte wurde daraufhin durch Schreiben der Klägervertreter vom [Datum] (Anlage K4-1) wegen des illegalen Angebots des Films [Name] einer Internettauschbörse abgemahnt. Er wurde zur Abgable einer Unterlassungserklärung und Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR und Schadensersatz in Höhe von 450,00 EUR aufgefordert. Der Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht. Der Beklagte reagierte seinerseits mit dem Schreiben vom [Datum] (Anlage K4-2) und wies die Forderungen zurück. Mit Schreiben vom [Datum] (Anlage K4-3) forderten die Klägervertreter die Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung bis zum [Datum]. Der Beklagte reagierte seinerseits mit dem Schreiben vom [Datum] (Anlage K4-4) und wies die Forderung erneut zurück. Ob weitere Schreiben, nämlich die vom [Datum] (Anlage K4-5) und vom [Datum] (Anlage K4-6 und Anlage K4-7), von den Klägervertreter an den Beklagten versandt wurden und ob diese dem Beklagten zugegangen sind, ist streitig. Unstreitig ist wiederum, dass der Beklagte die Schreiben der Klägervertreter vom [Datum] (Anlage K4-9) und vom [Datum] (Anlage K4-10) erhalten hat. Mit letzterem Schreiben wurde der Beklagte zur Zahlung von 1.106,00 EUR - einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 600,00 Euro beinhaltend - zum [Datum] unter Ankündigung der Einleitung gerichtlicher Schritte aufgefordert. Mit anwaltlichen Schreiben vom [Datum] (Anlage K4-11) bestellte sich der jetziger Prozessbevollmächtigte für den Beklagten. Er wies die Geldforderungen der Klägerin zurück. Dem Schreiben beigefügt war eine so genannte qualifizierte Unterlassungserklärung des Beklagten.


    Die Klägerin behauptet weiter,
    die Feststellungen der von ihr eingeschalteten Firma ipoque seien de lege artis erfolgt und belegten, dass in dem genannten Zeitraum von dem Internetanschluss des Beklagten das fragliche Filmwerk in der Internettauschbörse "BitTorrent" zum Herunterladen angeboten worden sei. Ferner sei die vom Internetprovider Versatel erteilte Auskunft, dass die drei dokumentierten IP-Adressen jeweils dem Anschluss des Beklagten zuzuordnen gewesen seien, zutreffend.

    Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sich auf Grund der Ermittlungen der Firma ipoque und der Auskünfte von Versatel ergebe, dass über den Internetanschluss des Beklagten zu den angegebenen Zeitpunkten Urheberrechtsverletzungen an dem streitgegenständlichen Film stattgefunden haben. Der Beklagte, dessen Verantwortlichkeit als Anschlussinhaber vermutet werde, sei verpflichtet die Anwaltskosten und den Schadensersatz zu bezahlen. Hinsichtlich der anwaltlichen Kosten der Abmahnung seien zum einen ein Gegenstandswert von 10.000,00 EUR und zum anderen eine Geschäftsgebühr von 1,0 angemessen.


    Die Klägerin beantragt:

    Die Beklagtenseite wird verurteilt an die Klägerseite

    • 1. einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.12.2012 sowie
      2. den Betrag in Höhe von 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.12.2012 zu zahlen.


    Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage.


    Der Beklagte bestreitet die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen zu haben. Er sei zum damaligen Zeitpunkt verheiratet gewesen und habe mit seiner Ehefrau und den zwei gemeinsamen Kindern im Alter von 2 und 5 Jahren zusammengelebt. Seine Ehefrau habe selbstständigen Zugriff auf das Internet gehabt. Auch Besuchern der Familie sei der Zugriff auf das Internet über das WLAN-System regelmäßig erlaubt worden. Sie seien aber darauf hingewiesen worden, keine rechtswidrigen Handlungen zu begehen. Das WLAN-System sei wie folgt aufgebaut gewesen: Modem und Router seien zwei getrennte Geräte gewesen, es habe sich um Standardgeräte gehandelt, die von dem Provider Versatel zur Verfügung gestellt worden seien. Die Einrichtung sei durch Mitarbeiter von Versatel vorgenommen worden. Der Zugriff sei kennwortgesichert gewesen nach einem unbekannten Standard. Das Passwort sei nach erfolgter Einrichtung nicht geändert worden. Der Haushalt habe nur über einen internetfähigen Rechner verfügt und über keine weiteren internetfähigen Endgeräte, mit Ausnahme des Firmenhandys des Beklagten. Die Ehefrau des Beklagten haben den Rechner aber nicht genutzt, um ins Internet zu gehen.

    Auf dem Rechner seien weder der streitgegenständliche Film, auch nicht in Teilen, vorhanden noch ein P2P-Client installiert gewesen. Nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte den Rechner insoweit untersucht. Der Beklagte habe keine so genannten Filesharing-Programme genutzt. Mangels verfügbarer Log-Files des Routers könne er nicht mehr nachvollziehen, welcher der Hausgenossen oder Besucher den fraglichen Anschluss genutzt habe.

    Die Internetverbindung zum fraglichen Zeitpunkt sei sehr langsam gewesen. Schon große Bilddateien hätten kaum heruntergeladen werden können. Bei Uploads sei die Situation noch schlechter gewesen. Der konkrete Geschehensablauf am [Datum] könne nicht mehr nachvollzogen werden. Nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte versucht nachzuvollziehen, wer sich in seinem Haus aufgehalten habe Er habe in seinen Kalender geschaut. Es habe sich um einen Samstag gehandelt, so dass er davon ausgehe, dass er um 5 Uhr morgens geschlafen habe.

    Die Zutreffenheit der Ermittlungen der Firma ipoque bestreitet der Beklagte mit Nichtwissen, ebenso wie die Zutreffenheit der Zuordnung der ermittelten IP-Adressen zu seinem Internetanschluss.

    Die beklagte Partei argumentiert zunächst, die Klage sei bereits unzulässig. Das Amtsgericht München sei örtlich nicht zuständig. Insoweit darf auf den Schriftsatz vom 13.11.2013 verwiesen werden.

    Die Klage sei nicht geboten gewesen. Das Abmahnschreiben vom [Datum] (Anlage K4-1) und die Korrespondenz der Klägerin genüge nicht den an eine Abmahnung zu stellenden Mindestanforderungen. Dazu gehöre, dass der Abmahnende seine Sachbefugnis darlege, insbesondere weshalb er sich für berechtigt halte, den zu beanstandenden Verstoß zu verfolgen. Vorliegend sei weder die Aktivlegitimation noch der behauptete Verstoß hinreichend dargelegt worden. Die erbrachte Leistung sei daher völlig unbrauchbar und nicht zu vergüten.

    Es sei gerade nicht dargelegt, dass die fragliche IP-Adresse zum Tatzeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugewiesen worden sei. Ausweislich der Ausführungen der Klagepartei sei lediglich die Benutzerkennung zu einer IP-Nummer erfragt worden. Dies stelle aber keinen Nachweis für einen bestimmten Anschluss dar. Einzig die so genannte Calling-ID gebe den jeweiligen Telefon- bzw. Internetanschluss der Person wieder, dem die besagte IP-Adresse im jeweiligen Zeitfenster zugeordnet gewesen sei. Es sei auch mehr als unwahrscheinlich, dass bei einer dynamischen IP-Nummern-Vergabe dem gleichen Nutzer am gleichen Tage zu unterschiedlichen Zeiten dieselbe IP-Nummer [IP] zugewiesen worden sei. Auch könnten die Ermittlungen der ipoque schon deswegen nicht richtig sein, da nach dem Ergebnis einer Geo-Recherche feststehe, dass die angeblichen IP-Adressen [IP] in Dortmund, [IP] in Witten und [IP] in Dortmund und gerade nicht am Wohnort des Beklagten angesiedelt seien.

    Die Täterschaft des Beklagten ergebe sich keineswegs nach den Regeln des Anscheinsbeweises. Der Inhaber eines Internetanschlusses hafte auch nicht grundsätzlich persönlich für die über seinen Anschluss begangenen Rechtsverletzungen. Die beklagte Partei verweist insofern auf die Entscheidung des BGH vom 12.05.2010 (I ZR 121/08). Diverse andere Familienmitglieder wie auch Besucher hätten das WLAN des Beklagten genutzt.

    Die Ausführungen der Klagepartei zur Bezifferung des Schadens gingen fehl. Die beklagte Partei verweist auf die Entscheidung des BGH vom 20.05.2009 (I ZR 239/06). Es sei der Verkaufspreis als Maßstab für die übliche Vergütung heranzuziehen. Für einen Betrag von 600,00 Euro hätte der Titel bei einem regulären Preis von 8,05 Euro 74-mal von Dritten vollständig heruntergeladen werden müssen. Hierfür gebe der Klagevortrag nichts her. Im übrigen sei dies auf Grund der Dateigröße und der Geschwindigkeit des Anschlusses des Beklagten schlicht unmöglich. Der GEMA-Tarif sei für die Schätzung heranzuziehen. Es komme der Tarif von 0,1650 EUR in Betracht. Selbst wenn man 250 Downloads unterstelle, errechne sich ein Betrag in Höhe von lediglich 41,25 EUR.

    Die Höhe der Abmahnkosten sei durch die Regelung des § 97a Abs.2 UrhG a.F. auf 100,00 EUR beschränkt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen seien gegeben. Der Beklagte habe keine gleich gelagerten Verletzungshandlungen begangen und es handele sich rechtlich um einen einfach gelagerten Fall. Man könne auch auf vorformulierte Schreiben zurückgreifen, die nur in einem beschränkten Umfang modifiziert werden müssten. Die Rechtsverletzung sei auch unerheblich. Es handele sich um eine einmalige Rechtsverletzung durch das Zugänglichmachen eines einzelnen Werks. Ferner könne die Klägerin nur die erforderlichen Aufwendungen verlangen. Sie könnte sich aber ohne weiteres einen Musterbrief für ihre Abmahnungen fertigen oder fertigen lassen. Übernähme die Klägerin diese Serienabmahnungen selbst, dann würden regelmäßig nur die reinen Portokosten, Ermittlungskosten und Kosten für Papier entstehen. In den Fällen, in denen sich die Abgemahnten nicht unterwürfen, könnte die Klägerin im weiteren Verlauf einen Rechtsanwalt beauftragen. Weiterhin sei der mit 10.000,00 EUR angesetzte Streitwert überhöht. Angemessen für ein Filmwerk sei ein Streitwert in Höhe von maximal 2.000,00 Euro.

    Das Gericht hat Beweis erhoben durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens durch den Sachverständigen Diplom-Informatiker [Name] aus München. Der Sachverständige hat überprüft, ob die Feststellungen der Firma ipoque GmbH zutreffend sind. Insoweit wird auf den Beweisbeschluss vom 26.03.2014 (BI.93/94) unter Berücksichtigung der Korrektur vom 09 04 2014 (Bl. 100/101) und der Ergänzung vom 05.06.2014 (BI.104/105) Bezug genommen. Das Gutachten vom 16.08.2014 findet sich auf Bl. 110/134 der Akte.

    Das Gericht hat eine mündliche Verhandlung am 24.06.2015 durchgeführt. Im Rahmen dieses Termins wurde der Sachverständige zu den von der beklagten Partei gegen sein schriftliches Gutachten erhobenen Einwänden gehört. Weiterhin wurde der Beklagte persönlich angehört. Wegen des Inhalts der Anhörungen wird auf das Protokoll vom 24.06.2015 Bezug genommen. Das Gericht hat eine weitere mündliche Verhandlung am 13.04.2016 durchgeführt. Im Rahmen dieses Termins wurde der Zeuge der Klagepartei Dr. [Name] vernommen. Bezüglich der durch den Zeugen gemachten Angaben wird auf das Protokoll vom 13.04.2016 (BI.189/193) verwiesen.

    Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen, das schriftliche Sachverständigengutachten, die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet.


    A) Die Klage ist zulässig.

    Insbesondere ist das Amtsgericht München nach § 32 ZPO zuständig. Die Klägerin macht (auch) Schadenersatzansprüche aus § 97 UrhG geltend und das streitgegenständliche Angebot in der Tauschbörse richtete sich auch an Interessenten in München und konnte hier im Internet aufgerufen werden. Dabei kommt es nicht darauf an, wo sich der Computer des Beklagten befand, sondern darauf, wo die Internetseite, auf der das Angebot erfolgte, bestimmungsgemäß aufgerufen werden sollte. Zu dem Schaden, der nach § 97 UrhG geltend gemacht werden kann, zählen auch die im Zusammenhang mit der Abmahnung angefallenen Rechtsanwaltskosten, so dass auch insoweit der Gerichtsstand des § 32 ZPO eröffnet ist. Am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist dann der geltend gemachte Anspruch unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Insoweit ist vorliegend nicht lediglich eine etwaige Störerhaftung des Beklagten zwischen den Parteien streitig, sondern auch die Frage, ob eine Haftung des Beklagten auf Schadensersatz über eine täterschaftliche Haftung besteht. Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts München ergibt sich somit über § 32 ZPO.


    B) Die Klage ist begründet.

    Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR aus § 97 Abs.2 UrhG wegen rechtswidriger und schuldhafter Verletzung des ausschließlichen Rechtes der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Werks gemäß § 19a UrhG. Ferner schuldet die Beklagte Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR aus § 97a Abs.1 S.2 UrhG, sowie aus §§ 683, 677 und 670 BGB, da die Abmahnung vom 29.06.2010 berechtigt war.

    Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR aus § 97 Abs.2 UrhG.

    Seitens des Beklagten wurde das Recht der Klägerin der öffentlichen Zugänglichmachung nach §§ 85, 19a UrhG an dem streitgegenständlichen Film [Name] rechtswidrig und schuldhaft verletzt.

    Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der streitgegenständliche Film am [Datum] zu den verschiedenen genannten Zeitpunkten über den Internetanschluss des Beklagten in einer Internettauschbörse einer unbekannten Vielzahl von Dritten zum Download angeboten wurde und somit unerlaubt öffentlich zugänglich gemacht wurde.

    Die Ermittlungen der Firma ipoque, wonach der streitgegenständliche Film im fraglichen Zeitraum über die Tauschbörse "BitTorrent" über die genannten IP-Adressen angeboten worden ist, sind zur Überzeugung des Gerichts zutreffend. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 16.08.2014 diese Behauptungen der Klägerin vollumfänglich bestätigt. An der Sachkunde des Gutachters, der Diplom-Informatiker und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständige für Systeme und Anwendungen der Informationsverarbeitung, insbesondere Softwareentwicklung, ist, hat das Gericht keine Zweifel. Das Gericht hat die plausiblen und von Fachkunde geprägten Ausführungen nachvollzogen und sich zu Eigen gemacht.

    Von Seiten der beklagten Partei wurden Einwendungen gegen das Gutachten vorgebracht. Diese Einwendungen wurden dem Sachverständigen in dem Termin vom 24.06.2015 vorgehalten. Unter Berücksichtigung dieser Argumente blieb der Sachverständige bei seiner bereits schriftlich niedergelegten Auffassung. Das Gericht schließt'sich insoweit dem Sachverständigen vorbehaltlos an. Die Einwendungen der beklagten Partei können die Überzeugung des Gerichts insoweit nicht erschüttern. Das Gericht hat diesbezüglich in dem Hinweisbeschluss vom 24.06.2015 ausgeführt:
    • "Das Gericht darf den Parteien zu deren besseren Orientierung seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage darlegen:

      Zur Frage der Zutreffenheit der Ermittlungen:

      Nach Anhörung des Sachverständigen tendiert das Gericht dazu, den Beweis von Seiten der Klagepartei als geführt anzusehen. Das Gericht verkennt nicht, dass letztlich die technischen Gegebenheiten zum fraglichen Zeitpunkt nicht vollständig anhand objektiver Kriterien festgestellt werden können. Das hat der SV auch so angegeben. Weiterhin hat der SV eine klare Schwachstelle des Systems benannt, nämlich die fehlende Hinterlegung des Schlüsselpaars 1 bei einer vertrauenswürdigen Stelle.

      Auf der anderen Seite erachtet das Gericht die durchaus denkbare Möglichkeit der Manipulation insbesondere durch die Firma ipoque selbst als so fernliegend, dass sie auszuschließen sein wird. Insbesondere hat der SV ausgeführt, dass eine Manipulation mit einem erheblichen Aufdeckungsrisiko und einem erheblichem Aufwand verbunden wäre. Warum vorliegend ein derartiger Aufwand zum Nachteil des Beklagten betrieben worden sein soll, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich."
    Die beklagte Partei führt zutreffend aus, dass das System, das die Rechtsverletzung am festgestellt, aufgezeichnet und dokumentiert haben soll, durch den Sachverständigen angesichts des Zeitablaufs nicht mehr in Augenschein genommen werden konnte. Man darf auch - wie die beklagte Partei anführt - die Person Dr. [Name] von der ipoque, die den Sachverständigen maßgeblich mit Informationen versorgt hat, als so genannten Lagerzeugen ansehen und dem Lager der Klägerin zuordnen. Weiterhin verkennt das Gericht nicht, dass insbesondere angesichts der fehlenden Hinterlegung des zur Verschlüsselung der Rohdaten verwendeten Schlüsselpaares grundsätzlich die Möglichkeit bestanden hat, die aufgezeichneten Rohdaten nachträglich, auch unbemerkbar für den Sachverständigen, zu andern. Die Argumentationslinie der beklagten Partei scheitert zur Überzeugung des Gerichts immer an demselben Punkt. Auch wenn Manipulationen möglich gewesen sind, hätten diese nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen einen ganz erheblichen Aufwand ausgelost, der außer Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung des einzelnen Verfahrens gestanden hätte. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, warum die Klägerin und/oder die Firma ipoque einen derartigen Aufwand betreiben sollte, wenn es sich wirtschaftlich gar nicht rechnen kann. Denn bei de lege artis durchgeführten Manipulationen wird es sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht rechnen. Auf der anderen Seite - unterstellt, die Manipulationen werden nicht de lege artis und mit einem nur begrenzten Aufwand ausgeführt, um die Wirtschaftlichkeit des Modells gewährleisten zu können - ist die Vielzahl von bundesweit vor Gerichten verhandelten Verfahren zu berücksichtigen. Dem Gericht - und offenkundig auch der beklagten Partei - ist kein einziges Verfahren bekannt, in dem sich der konkrete Verdacht einer Manipulation der Daten ergeben hatte. Das Gericht hat seine vorläufige Sicht der Dinge offen kommuniziert. Die beklagte Partei hätte jederzeit zur weiteren Klärung des Falles die Analyse der - so von der Klagepartei und dem Zeugen [Name] behauptet - auf den Magnetbändern gespeicherten Rohdaten beantragen können. Ein solcher Antrag wurde nicht gestellt.

    Entgegen der Ausführungen der beklagten Partei im Schriftsatz vom 20.07.2015 hat der Sachverständige nachvollziehbare Ausführungen zu dem Einwand mit der Geo-Recherche getätigt. Er hat ausgeführt, dass dies im Jahre 2013 durchgeführte Recherche für den Vorfallszeitraum infolge des Zeitablaufs nicht aussagekräftig sei. Das Gericht kann diese Angabe durchaus nachvollziehen. Wenn die beklagte Partei dies beanstanden möchte, dann steht ihr dies selbstverständlich offen. Mit dem Schriftsatz vom 20.07.2015 sind insoweit aber weder tragfähige Argumente noch Beweisangebote vorgetragen worden.

    Mutatis mutandis verhält es sich mit der Einwendung der beklagten Partei, wonach es extrem auffällig sei, dass dem Anschluss des Beklagten während des Laufes eines einzigen Tages drei verschiedene IP-Adressen zugewiesen worden seien. Drei Zwangstrennungen während eines Tages seien extrem ungewöhnlich. Dies überzeugt das Gericht nicht. Zum einen ist nicht belegt, dass es sich um Zwangstrennungen gehandelt hat. Trennungen können auch aus anderen Gründen erfolgen oder manuell herbeigeführt werden. Gewichtiger ist aber, dass die beklagte Partei wiederum ihre Behauptung nicht untermauern konnte. Insbesondere wurden wiederum keine Beweisangebote unterbreitet.

    Die Argumentation der beklagten Partei im Zusammenhang mit der so genannten Calling-ID, wie sie im Schriftsatz vom 15.01.2014 vorgetragen ist, wurde im Laufe des Verfahrens nicht weiter verfolgt. Weder in dem Schriftsatz vom 30.09.2014, im Rahmen dessen die beklagte Partei ihre Einwendungen gegen das schriftliche Sachverständigengutachten vorgebracht hat, noch im Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen wurde dieser Aspekt angesprochen. Das Gericht erachtet ihn daher als nicht weiter relevant. Unter Berücksichtigung des Inhalt des Schriftlichen Gutachtens, der Angaben des Sachverständigen in der Anhörung sowie den auch jederzeit nachvollziehbaren und schlüssigen Angaben des Zeugen Dr. [Name] in dessen Vernehmung kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass die Ermittlungen des Firma ipoque im streitgegenständlichen Vorfall zutreffend waren. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass an der Zutreffenheit der Angaben des Zeugen [Name] Zweifel angebracht wären. Die beklagte Partei hat derartige Anknüpfungstatsachen jedenfalls nicht vorgetragen.

    Das Gericht ist nach der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass die ermittelten IP-Adressen dem Anschluss des Beklagten zugeordnet waren. Der Provider Versatel hat im Rahmen des Auskunftsverfahrens unstreitig die Auskunft erteilt, dass die ermittelten IP-Adressen an drei unterschiedlichen Zeitpunkten dem Anschluss des Beklagten zuordenbar waren.

    Dies ergibt sich schon nach Auffassung des Gerichtes daraus, dass die Beauskunftung durch Versatel mehrere unterschiedliche Zeitpunkte betraf. Das Auskunftsverfahren wurde bezüglich mehrerer Zeitpunkte am [Datum] durchgeführt.

    Nach der Rechtsprechung des OLG Köln vom 16.05.2012 (Az. 6 U 239/11) liegt es so fern, dass es kurz nacheinander mehrfach zu Fehlern bei der Erfassung und Zuordnung gekommen sein könnte, so dass Zweifel an der Richtigkeit der Anschlussidentifizierung schweigen. Auch das OLG München hat im Beschluss vom 01.10.2012 (Az. 6 W 2808/12) ausgeführt, dass es als unwahrscheinlich anzusehen ist, dass es mehrfach zu einer fehlerhaften Ermittlung gekommen sein soll, wenn ein Internetanschluss in mindestens zwei Fällen als entsprechender Anschluss ermittelt wurde.

    Es ist dem Gericht bekannt, dass die Daten, die von der Klägerin als Antragstellerin übermittelt werden, in ein automatisches Nachforschungssystem geleitet werden. Manuell werden Arbeiten nicht durchgeführt, so dass keine manuellen Zahlendreher und Tippfehler möglich sind. Das Nachforschungssystem teilt dann als Ergebnis mit, welcher Benutzerkennung die jeweilige IP-Adresse zugeordnet ist. Das Nachforschungssystem bearbeitet jede einzelne angefragte Uhrzeit getrennt. Wenn hier bezüglich einer IP-Adresse mehrere Zeitpunkte angefragt wurden, dann wurde jeder Zeitpunkt separat durch das System bearbeitet.

    Vor diesem Hintergrund erscheint es als sehr unwahrscheinlich, dass der automatisierte Prozess bei mehreren unterschiedlichen Zeitpunkten den Beklagten als Anschlussinhaber falsch zuordnet. Nachdem das Verfahren auch bei derselben IP-Adresse bezüglich jeden angefragten Zeitpunkt neu durchgeführt wird, ist es unerheblich, wie viele IP-Adressen vorliegen. Diese Vorgehensweise ist zwingend notwendig, nachdem IP-Adressen auch dynamisch sein können. Insofern muss das Verfahren bei jedem neuen Zeitpunkt durchlaufen werden, um auszuschließen, dass die IP-Adresse bei einem späteren Zeitpunkt nicht bereits einem neuen Anschluss zugeordnet wurde. Konkrete Anknüpfungstatsachen, die die Zuordnung der IP-Adresse zum Anschluss des Beklagten zweifelhaft erscheinen lassen, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Das Gericht geht daher von der Zutreffenheit der Zuordnung aus.

    Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeordnet ist, trifft diese nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.05.2010, I ZR 121/08 - "Sommer unseres Lebens") eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass sie als Inhaberin des fraglichen Internetanschlusses auch für über ihren Anschluss begangene Rechtsverletzungen verantwortlich ist. Aus dieser Vermutung ergibt sich für den Beklagten eine sekundäre Darlegungslast, die es ihm verwehrt, sich auf ein an sich zulässiges einfaches Bestreiten der Rechtsverletzung zurückzuziehen. Eine Entkräftung der tatsächlichen Vermutung setzt vielmehr hinsichtlich aller fraglicher Tatzeitpunkte Sachvortrag voraus, nach dem die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12 - "Morpheus"). Dabei ist an den Sachvortrag bezüglich Detailgrad und Plausibilität ein strenger Maßstab anzulegen (Landgericht München I, Urteil vom 22.03.2013, Az. 21 S 28809/11). Maßgeblich sind dabei die konkreten Umstände des Einzelfalls.

    Wie diese tatsächliche Vermutung sich letztendlich auf die Verteilung der Beweislast auswirkt, ist noch nicht abschließend geklärt. Vorliegend hat der Beklagte zwar durch seinen Sachvortrag seiner sekundären Darlegungslast genügt. Sein Sachvortrag ist vor dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber nicht plausibel, da er sich mit den festgestellten Anknüpfungstatsachen nicht in Einklang bringen lässt.

    Der Beklagte bestreitet seine Verantwortlichkeit. Er sei zum damaligen Zeitpunkt verheiratet gewesen und habe mit seiner Ehefrau und den zwei gemeinsamen Kindern im Alter von 2 und 5 Jahren zusammengelebt. Seine Ehefrau habe selbstständigen Zugriff auf das Internet gehabt. Auch Besuchern der Familie sei der Zugriff auf das Internet über das WLAN-System regelmäßig erlaubt worden. Sie seien aber darauf hingewiesen worden, keine rechtswidrigen Handlungen zu begehen. Das WLAN-System sei wie folgt aufgebaut gewesen: Modem und Router seien zwei getrennte Geräte gewesen, es habe sich um Standardgeräte gehandelt, die von dem Provider Versatel zur Verfügung gestellt worden seien. Die Einrichtung sei durch Mitarbeiter von Versatel vorgenommen worden. Der Zugriff sei kennwortgesichert gewesen nach einem unbekannten Standard Das Passwort sei nach erfolgter Einrichtung nicht geändert worden. Der Haushalt habe nur über einen internetfähigen Rechner verfügt und über keine weiteren internetfähigen Endgeräte, mit Ausnahme des Firmenhandys des Beklagten. Die Ehefrau des Beklagten haben den Rechner aber nicht genutzt, um ins Internet zu gehen.

    Auf dem Rechner seien weder der streitgegenständliche Film, auch nicht in Teilen, vorhanden noch ein P2P-Client installiert gewesen. Nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte den Rechner insoweit untersucht. Der Beklagte habe keine so genannten Filesharing-Programme genutzt. Mangels verfügbarer Log-Files des Routers könne er nicht mehr nachvollziehen, welcher der Hausgenossen oder Besucher den fraglichen Anschluss genutzt habe.

    Die Internetverbindung zum fraglichen Zeitpunkt sei sehr langsam gewesen. Schon große Bilddateien hätten kaum heruntergeladen werden können. Bei Uploads sei die Situation noch schlechter gewesen. Der konkrete Geschehensablauf am [Datum] könne nicht mehr nachvollzogen werden. Nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte versucht nachzuvollziehen, wer sich in seinem Haus aufgehalten habe Er habe in seinen Kalender geschaut. Es habe sich um einen Samstag gehandelt, so dass er davon ausgehe, dass er um 5 Uhr morgens geschlafen habe.

    Nach dem eigenen Sachvortrag des Beklagten bleibt das in der Tauschbörse vorhandene Angebot ein nicht erklärbares Mysterium. Für das Gericht ergibt sich aus dem Sachvortrag zusammenfassend überhaupt keine Möglichkeit, wie sich die über den Anschluss des Beklagten erfolgte Rechtsverletzung ergeben konnte. Vielmehr wäre es ausgeschlossen, dass die streitgegenständliche Rechtsverletzung über seinen Anschluss begangen wurde. In der rechtlichen Konsequenz fällt das Gericht auf die Figur der tatsächlichen Vermutung zurück, wonach der Beklagte als Anschlussinhaber für die festgestellte Rechtsverletzung verantwortlich ist.

    Man muss sich den konkreten Vorgang in seiner Gesamtheit vor Augen führen, um ihn abschließend beurteilen zu können. Ein konkretes Filmwerk wurde über einen längeren Zeitraum zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr zum Download angeboten. Es ist höchst unwahrscheinlich und auszuschließen, da es sich dabei um das Werk verschiedener Personen gehandelt hat; denn das hieße, dass eine Person gegen halb sechs ein bestimmtes Filmwerk angeboten und sich eine andere Person Stunden später dazu entschlossen hätte, auch das nämliche Filmwerk anzubieten. Das erachtet das Gericht als ausgeschlossen. Das Gericht geht daher davon aus, dass der gesamte Vorgang auf einem einheitlichen Entschluss beruht hat, der zu einem nicht bekannten Zeitpunkt getroffen worden ist, aber jedenfalls gegen halb morgens entsprechend umgesetzt wurde Der Beklagte gibt an, dass er wohl geschlafen habe. Wenn Besucher von Freitag auf Samstag über Nacht geblieben wären, dann geht das Gericht schon davon aus, dass dem Beklagten oder dessen Ehefrau dies in Erinnerung geblieben sein müsste. Entsprechend verhält es sich mit der Variante, dass bereits zu so früher Stunde Besuch eingetroffen sein konnte. Die Ehefrau des Beklagten scheidet ebenfalls aus, da sie nicht über den Rechner auf das Internet zugegriffen haben soll und da keine weiteren internetfähigen Endgeräte existent gewesen sein sollen. Somit verbleibt noch ein zumindest theoretisch denkbarer Zugriff von außen auf den Anschluss in der Form eines so genannten Hacker-Angriffs. Es müsste sich eine unbekannte Person unberechtigterweise in das WLAN-Netz des Beklagten eingeschlichen haben und den Internetanschluss des Beklagten ohne dessen Kenntnis genutzt haben Ein solcher Angriff ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Zwar hat der Beklagte ausgeführt, dass er das das WLAN-Netzwerk sichernde Passwort nach der Einrichtung nicht mehr verändert habe. Eine Schutzlücke ist daher nicht ausschließbar, da nicht bekannt ist, welche Art von Passwort die Techniker von Versatel verwendet haben. Mangels weiteren Sachvortrags bleibt diese Variante aber bloße Spekulation, eine plausible und greifbare Alternative stellt sie nicht dar. Damit verbleibt es bei der so genannten tatsächlichen Vermutung im Sinne der Rechtsprechung des BGH mit der Konsequenz, dass das Gericht den Beklagten als Täter anzusehen hat.

    Der Beklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Die bedarf keiner eingehenden Erörterung. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich vorliegend bereits aus der Rechtsverletzung. Zudem muss sich der, der Internettauschbörsen nutzt, über die Rechtmäßigkeit des Angebots des streitgegenständlichen Werkes kundig machen.

    Durch das Angebot des streitgegenständlichen Filmwerks ist der Klägerin ein Schaden entstanden, den das Gericht auf 600,00 EUR schätzt gemäß der Vorschrift des § 287 ZPO.

    Dabei hat der Verletzte das Wahlrecht, wie er seinen Schadensersatzanspruch berechnen will. Dies gilt sowohl nach § 97 Abs.2 S.3 UrhG als auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (siehe hierzu BGH GRUR 1990,1008). Hiernach kann der Schaden auch in Hohe einer angemessenen Lizenzgebühr berechnet werden. Bei der von der Klägerin gewählten Lizenzanalogie ist rein objektiv darauf abzustellen, was bei vertraglicher Einräumung der Rechte ein vernünftiger Lizenznehmer gefordert und ein vernünftiger Lizenzgeber gewährt hätte, wenn beide im Zeitpunkt der Entscheidung die gegebene Sachlage gekannt hätten. Dies folgt der Erwägung, dass derjenige, der ausschließliche Rechte anderer verletzt, nicht besser stehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte.

    Dabei spielt jedoch keine Rolle, in welchem Ausmaß und Umfang es tatsächlich zu einem Schaden gekommen ist.

    Das erkennende Gericht besitzt auf Grund seiner regelmäßigen Arbeit mit einer Mehrzahl von Tauschbörsenfällen hinreichend Sachkunde um zu beurteilen, dass ein Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR angemessen ist. Berücksichtigung finden muss der Umstand, dass mit jedem Herunterladen eines urheberrechtlich geschützten Werkes in einer Tauschbörse je eine weitere Downloadmöglichkeit geschaffen wird. Denn zwingend hätten ein vernünftiger Lizenzgeber und Lizenznehmer diese Möglichkeit der für den Rechteinhaber unwägbaren kostenlosen Weiterverbreitung ihrer Vereinbarung zu Grunde gelegt. Vernünftige Parteien eines derartigen Lizenzvertrages hätten dieses Risiko abgegolten Die Ausführungen der beklagten Partei zu einer Berechnung des Schadens in Anlehnung an GEMA-Tarife sind nicht zielführend. Denn mittels der GEMA-Tarife werden musikalische Leistungen abgegolten, so dass es insoweit schon an der Vergleichbarkeit fehlt. Der genannte Vergütungssatz VR-OD 4 beschäftigt sich mit dem Streamen von Musikvideos. Die Forderung der beklagten Partei, die Klagepartei müsse konkret die durch das Angebot des Beklagten vollendeten Download-Vorgänge beziffern. Denn dazu kann die Klägerin technisch gar nicht in der Lage sein. Vielmehr geht diese Ungewissheit zu Lasten des Verwenders von Tauschbörsensoftware, da dieser durch sein Handeln die Möglichkeit und die konkrete Gefahr einer unkontrollierten und unkontrollierbaren Weiterverbreitung des urheberrechtlich geschützten Filmwerks geschaffen hat.

    Die Klägerin kann auch die Erstattung der Kosten der Abmahnung in Höhe von 506,00 EUR verlangen. Diese stehen der Klägerin sowohl nach § 97a Abs.1 S.2 UrhG als auch als adäquat kausaler Teil des Schadensersatzes sowie nach der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683, 677, 670 BGB zu. Die Abmahnung des Beklagten war berechtigt.

    Gegen die geltend gemachte Geschäftsgebühr bestehen keine Bedenken. Die Regelgebühr beträgt 1,3. Die vorliegend in Ansatz gebrachte Geschäftsgebühr von 1,0 ist hierbei auf jeden Fall angemessen. Zudem wurden neben der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auch Schadensersatzansprüche geltend gemacht.

    Auch der angesetzte Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 EUR ist nicht zu beanstanden Der Gegenstandswert ist im Rahmen des freien Ermessens nach § 3 ZPO als angemessen anzusehen. Die Abmahnung erfolgte in Bezug auf ein aufwändig hergestelltes Filmwerk, das in Lichtspielhäusern vermarktet wurde Zudem wurden neben der Unterlassungserklärung auch Schadensersatzanspruche geltend gemacht. Bei der Bemessung des Unterlassungsinteresses ist zudem zu berücksichtigen, dass bei Tauschbörsen nicht nur die Nutzung des Werks nach § 19a UrhG, also das öffentliche Zugänglichmachen des Werks, sondern insbesondere auch die nicht kontrollierbare Vervielfältigung des Werks (§ 16 UrhG) immanent ist. Das grenzüberschreitende Anbieten des Werks und das damit einhergehende ebenso leichte wie unbegrenzte Ermöglichen der Vervielfältigung ist gerade das Wesen einer Tauschbörse. Insofern ist das Unterlassungsinteresse der Klägerin als sehr hoch einzustufen. Im übrigen entspricht ein Gegenstandswert von 10.000,00 Euro der ständigen Rechtsprechung im hiesigen Gerichtsbezirk.

    Hinsichtlich der Kosten für die Abmahnung greift § 97a Abs.2 UrhG nicht ein, da es vorliegend an einer unerheblichen Rechtsverletzung fehlt. Von einer unerheblichen Rechtsverletzung ist nur auszugehen, wenn die Rechtsverletzungen sich nach Art und Ausmaß auf einen eher geringfügigen Eingriff in die Rechte des Abmahnenden beschränken und deren Folgen durch die schlichte Unterlassung beseitigt werden können. Dafür genügt der Hinweis auf ein Handeln im Privatbereich nicht, da dies eine zusätzliche und eigenständige Voraussetzung für die Reduzierung des Erstattungsanspruchs ist (Wandtke / Bullinger, UrhG, 3. Auflage, § 97a Rn.36). Dabei ist der Begriff der unerheblichen Rechtsverletzung sehr eng auszulegen. In aller Regel indiziert die Erforderlichkeit der Abmahnung bereits die Erheblichkeit der Rechtsverletzung. Beim Anbieten eines vollständigen Kinofilms oder Computerspiels im Internet wird die qualitative Erheblichkeit auf der Hand liegen (vgl. Fromm / Nordemann, UrhR, 10. Auflage, § 97a Rn.34).

    Die Ausführungen der beklagten Partei insbesondere im Schriftsatz vom 15.01.2014 zur fehlenden Erforderlichkeit der Aufwendungen überzeugen das Gericht nicht. Das nicht autorisierte Anbieten eines urheberrechtlich geschützten Werks stellt einen zumindest nicht unerheblichen Eingriff in des Rechtssphäre des Inhabers des entsprechenden Urheberrechts dar. Dieser Inhaber ist grundsätzlich berechtigt, diesen Eingriff durch Inanspruchnahme auch anwaltlicher Unterstützung entsprechend abzuwehren und ausgleichen zu lassen. Es mag sein, dass ein Inhaber den Abmahnvorgang in Eigenregie und unter Verwendung von Musterformularen durchführen könnte. Eine Obliegenheit, dies im Interesse des Eingreifenden und der Schadensminderung, trifft den Inhaber aber nicht. Die beklagte Partei übersieht bei ihre Aufzählung relevanter Kostenpositionen (Portokosten, Ermittlungskosten, Kosten für Papier) den Faktor Arbeitskraft und Personaleinsatz. Die Abmahnvorgänge müssten auch entsprechend verwaltet und überwacht werden. Derartige Tätigkeiten gehören aber typischerweise nicht zum Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin. Es kann auch im Rahmen der Vorgaben des § 254 BGB nicht angemessen sein, dass die Klägerin für diese Tätigkeiten eine eigene Arbeitsgruppe oder Abteilung zu schaffen hat.


    C) Weitere Entscheidungen

    Die Nebenforderung hinsichtlich der Verzugszinsen ist begründet nach §§ 280 Abs.1 und 2, 286 Abs.1, 288 Abs.1 BGB. Das Schreiben der Klägervertreter vom 13.12.2012 (Anlage K4-10) hat der Beklagte unstreitig erhalten. Er war damit spätestens ab dem 21.12.2012 in Zahlungsverzug.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

    Die Streitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 3, 5 ZPO. Es handelt sich um zwei Hauptforderungen, die nebeneinander geltend gemacht und daher zu addieren sind. Beide geltend gemachten Ansprüche finden ihren Rechtsgrund in der behaupteten Verletzungshandlung des Beklagten. Sie sind in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander unabhängig. Es besteht kein Verhältnis im Sinne einer Hauptforderung und einer Nebenforderung.



    Rechtsbehelfsbelehrung:

    Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

    Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

    Landgericht München 1
    Prielmayerstraße 7
    80335 München


    einzulegen.

    (...)



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


AG München, Urteil vom 25.05.2016, Az. 171 C 24217/13,
Rechtsanwältin Carolin Kluge,
Klage Waldorf Frommer,
Mehrfachermittlung,
sekundäre Darlegungslast,
Waldorf Frommer Rechtsanwälte,
Gutachten,
sekundäre Darlegungslast,
Delta-Theorie,
Ermittlungssoftware,
ipoque GmbH,
Sachverständigengutachten,
Peer-to-peer Forensic System,
PFS,
Hacker-Angriff

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AG Charlottenburg, Az. 231 C 65/1

#10706 Beitrag von Steffen » Samstag 11. Juni 2016, 10:39

Jüdemann Rechtsanwälte (Berlin): Amtsgericht Charlottenburg - Keine Belehrungspflicht für volljährige Mitarbeiter - Volljährige Mitarbeiter sind wie Wohngemeinschaften, volljährige Besucher oder Gäste einzuordnen - Kläger hat gegen den Beklagten - keinen - Anspruch auf Zahlung von insgesamt 3.405,75 EUR!


10:40 Uhr


In einem aktuellen Filesharing Fall waren wir gegen eine Klage der Kanzlei "Rasch Rechtsanwälte" für "Universal" erfolgreich. Diese hatte den Inhaber eines Schmuckgeschäfts wegen Filesharing abgemahnt und auf Zahlung vor dem Amtsgericht Charlottenburg verklagt. Nach Ansicht des Gerichts treffen den Dienstherrn jedoch in Bezug auf volljährige Mitarbeiter keine Belehrungspflichten hinsichtlich des Internetanschlusses. Ihn treffen auch keine anlasslosen Prüf- und Kontrollpflichten. Das Gericht folgt damit einer aktuellen Pressemeldung des BGH. Zudem folgte uns bei der Wertung des Schlussantrages des Generalanwaltes am EuGH in der Rechtssache C-484/14, der eine Haftung für offenes WLAN ablehnt.

  • Amtsgericht Charlottenburg:
    (...) Es handelt sich vorliegend aber gar nicht um einen privat genutzten Anschluss, sondern um einen solchen für ein Ladengeschäft mit Werkstatt, so dass bereits äußerst fraglich ist, ob die von der Rechtsprechung entwickelte tatsächliche Vermutung, die auf der nachvollziehbaren Erwägung beruht, dass der private Anschlussinhaber im Zweifel selbst seinen Anschluss nutzt, überhaupt entsprechend anwendbar ist. (...)

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Bild

Rechtsanwalt Kai Jüdemann


Jüdemann Rechtsanwälte

Schlüterstraße 37 | 10629 Berlin
Fon: 030 88 70 23 80 | Fax: 030 88 70 23 85
E-Mail: kanzlei@ra-juedemann.de | Web: http://www.ra-juedemann.de



Bericht

Link:
http://www.ra-juedemann.de/urheberrecht-2/



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~






AG Charlottenburg, Urteil vom 08.06.2016, Az. 231 C 65/16


  • (...)

    In dem Rechtsstreit

    der [Name],
    - Klägerin -

    - Prozessbevollmächtigte: [Name] -,


    gegen


    [Name]
    - Beklagter -

    - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Jüdemann, Schlüterstraße 37, 10629 Berlin,-


    hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 231, auf die mündliche Verhandlung vom 11.05.2016 durch die Richterin am Amtsgericht [Name]

    für Recht erkannt:

    • 1. Die Klage wird abgewiesen.
      2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
      3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.



    Tatbestand

    Die Klägerin ist eine der führenden deutschen Tonträgerherstellerinnen und als solche Inhaberin ausschließlicher Verwertungsrechte an dem Musikalbum "Lioness: Hidden Treasures" der Künstlerin "Amy Winehouse" enthaltenen Musiktiteln zu, und zwar den folgenden:
    • "1. Our Day Will Come,
      2. Between The Cheats,
      3. Tears Dry,
      4. Will You Still Love Me Tomorrow,
      5. Like Smoke,
      6. Valerie,
      7. The Girl From Ipanema,
      8. Half Time ,
      9. Wake Up Alone,
      10. Best Friends, Right?,
      11. Body and Soul,
      12. A Song For You."
    Sie beauftragte die "proMedia GmbH" mit der Überwachung von Internet-Tauschbörsen zwecks Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen.

    Der Beklagte war im Jahr 2012 Inhaber eines Internetanschlusses der "Deutsche Telekom AG" in dem von ihm betriebenen Ladengeschäft mit Werkstatt für sein [Name-]label "[Name]".

    Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.03.2012 mahnte die Klägerin den Beklagten wegen Anbietens des o.g. Musikalbum in einem Peer-to-Peer-Netzwerk ab und forderte ihn zur Zahlung von Schadensersatz und Ersatz von Anwaltskosten auf (Anlage K7 zur Klageschrift, Bl. 24-26 d.A.). Der Beklagte reagierte mit Schreiben vom 08.06.2012 (Anlage B1 zur Klageerwiderung, Bl. 57-58 d.A.).

    Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte das Musikalbum am 07.01.2012 um 12:33:17 Uhr über die IP-Adresse 91.**.**.72 zum Download für Dritte zur Verfügung gestellt habe. Dies stehe fest aufgrund der in ihrem Auftrag durchgeführten Ermittlungen der "proMedia GmbH" und der Auskunft der "Deutsche Telekom AG" aufgrund von des Klägerin erwirkten Beschlusses des Landgerichts Köln vom 02.02.2012, wonach die ermittelte IP-Adresse zu der genannten Zeit dem Anschluss des Beklagten zugeordnet gewesen sei; was der Beklagte mit Nichtwissen bestreitet. Die Ermittlungssoftware arbeite fehlerfrei und werde regelmäßig überprüft. Das Zutreffen der Ermittlungen folge insbesondere daraus, dass noch zu einem zweiten Zeitpunkt, am 03.03.2012, um 14:35:56 Uhr, über die ebenfalls dem Anschluss des Beklagten zu diesem Zeitpunkt zugeordnete IP-Adresse 87.***.***.199 ein Upload des aus 16 Titeln bestehenden Musikalbums "Born To Die" der Künstlerin "Lana del Rey" erfolgt sei. Insoweit ist unstreitig, dass diesbezüglich keine Abmahnung erfolgt ist.

    Nach Ansicht der Klägerin seien vom Beklagten für die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung in Höhe einer 1,3 RVG Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert in Höhe von 50.000,00 EUR zuzüglich Pauschale, somit in Höhe von 1.005,40 EUR, zu erstatten; außerdem Auslagen für das Auskunftsverfahren in Höhe von 1,35 EUR. Darüber hinaus stehe ihr ein Schadensersatz nach der Lizenzanalogie in Höhe von 2.400,00 EUR zu. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Klageschrift (dort Seite 15-20, Bl. 24-29 d.A.) verwiesen.


    Die Klägerin beantragt,
    • den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.400,00 EUR Wertersatz und 1.005,40 EUR Kostenersatz nebst jeweils Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins­satz seit Rechtshängigkeit und 1,35 EUR Auslagen zu zahlen.


    Der Beklagte beantragt,
    • die Klage abzuweisen.


    Er behauptet, er habe das Album zu keinem Zeitpunkt über das Internet Dritten zum Download zur Verfügung gestellt. In seinem Unternehmen arbeiteten regelmäßig bis zu zehn Mitarbeiter / innen, die Zugang zum Internet über den Anschluss des Beklagten hätten, u.a. die von ihm namentlich benannte [Name]. Er sei zum behaupteten Zeitpunkt, einem Samstag, gar nicht in der Werkstatt bzw. dem Ladengeschäft und sein dort befindlicher Computer sei ausgeschaltet gewesen. Hingegen sei die Zeugin [Name] in seiner Abwesenheit in den Geschäftsräumen gewesen. Die Zeugin [Name] habe auf Nachfrage die Tat bestritten, aber eingeräumt, mit Filesharing vertraut zu sein. Auch einige andere Mitarbeiter verfügten über eigene Schlüssel für die Werkstatt. Der Beklagte behauptet weiter, die Nutzung der Mitarbeiter sei mit der Maßgabe und Weisung erfolgt, dass keine illegalen Downloads erfolgen dürften. Der Router sei durch ein nutzereigenes WPA2-Passwort geschützt.

    Die Klägerin bestreitet all dies mit Nichtwissen.



    Entscheidungsgründe


    I.

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

    Das Amtsgericht Charlottenburg ist gemäß §§12,13 ZPO, §§ 104a, 105 UrhG i.V.m. mit der gerichtlichen Konzentration in Berlin für Urheberrechtsstreitigkeiten ausschließlich zuständig.

    Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 3.405,75 EUR.

    Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 97 Abs. 2 UrhG gegen den Beklagten als Täter der von ihr der behaupteten Urheberrechtsverletzung.

    Sie ist zwar unstreitig aktivlegitimiert. Dass die Ermittlung der IP-Adresse und deren Zuordnung zu dem behaupteten Zeitpunkt zutreffend war, sowie, dass tatsächlich von dieser IP-Adresse ein Upload des streitgegenständlichen Musikalbums erfolgte, kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Hieran bestehen auch keine ernstlichen Zweifel angesichts der Darstellung der Klägerin, wonach noch ein anderes Musikalbum knapp zwei Monate später ebenfalls ermittelt und nach Auskunftsbeschluss und Auskunft der Deutsche Telekom AG dem Anschluss des Beklagten zugeordnet wurde.

    Die Täterschaft des beklagten Anschlussinhabers als anspruchsbegründende Tatsache ist aber nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen von der Klägerin darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012, Az. I-6 U 239/11, 6 U 239/11, -juris, BGH, Urteil vom 15. November 2012, GRUR 2013, 511 - "Morpheus"), wobei allerdings nach der obergerichtlichen Rechtsprechung gewisse Beweiserleichterungen gelten sollen.

    Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so soll im Allgemeinen eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGHZ 185, 330 - "Sommer unseres Lebens"). Daraus wiederum folge auch eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, welcher geltend macht, nicht er sondern eine andere Person müsse die Rechtsverletzung begangen haben, da die betreffenden Vorgänge allein in seiner Sphäre liegen. Eine Umkehr der Beweislast ist damit aber ebenso wenig verbunden wie eine über seine prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, der Gegnerin alle für ihren Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (OLG Köln, a.a.O. m.w.N.). Der Anschlussinhaber genügt vielmehr der von der Rechtsprechung entwickelten sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und wenn ja, welche Personen im relevanten Zeitraum selbstständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und daher als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen; in diesem Umfang kann der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet sein (vgl. BGH, Urteil vom 08. Januar 2014,1ZR 169/12 - "BearShare").

    Es handelt sich vorliegend aber gar nicht um einen privat genutzten Anschluss, sondern um einen solchen für ein Ladengeschäft mit Werkstatt, so dass bereits äußerst fraglich ist, ob die von der Rechtsprechung entwickelte tatsächliche Vermutung, die auf der nachvollziehbaren Erwägung beruht, dass der private Anschlussinhaber im Zweifel selbst seinen Anschluss nutzt, überhaupt entsprechend anwendbar ist.

    Jedenfalls aber spricht auch bei Zugrundelegung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze keine tatsächliche Vermutung (mehr) für eine Täterschaft des Beklagten, denn er ist seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem er vorgetragen hat, dass zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch mindestens eine andere Person, nämlich die namentlich benannten Mitarbeiterin, diesen Anschluss mit seiner Kenntnis benutzen konnten (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014, a.a.O.). Es spricht aufgrund des erheblichen und in sich schlüssigen Gegenvortrags des Beklagten nicht mehr dafür, dass der Beklagte, nur weil er selbst als Geschäftsinhaber auch Anschlussinhaber ist, die - unterstellte - Rechtsverletzung begangen hat, als die den Anschluss in gleicher Art und Weise nutzende Mitarbeiterin. Vielmehr spricht eindeutig dagegen, dass der Beklagte angegeben hat, im Tatzeitraum gar nicht im Laden gewesen zu sein. Zwar setzt das Filesharing eine Anwesenheit nicht voraus, jedoch erscheint es schon nicht plausibel, dass jemand, bevor er für das Wochenende sein Geschäft verlässt, noch einen Download- (und damit zugleich Upload-)vorgang für ein Musikalbum in Gang setzt. Zudem gibt der Beklagte aber sogar an, dass der von ihm persönlich im Büro genutzte Computer ausgeschaltet gewesen sei; Voraussetzungen für die Nutzung der Tauschbörse wer aber jedenfalls eine bestehende Internetverbindung. Schließlich gibt der Beklagte konkret an, das im Gegensatz zu ihm die Zeugin [Name] zum behaupteten Tatzeitpunkt in der Werkstatt gewesen sei, so dass es jedenfalls nicht wahrscheinlicher erscheint, dass der Beklagte der Täter war als diese andere Person. Der Beklagte hat die andere Nutzerin nach seinen Angaben auch ergebnislos befragt, mehr ist ihm insoweit nicht zuzumuten. Beweis über die Behauptungen des Beklagten war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu erheben. Zur Erschütterung der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung reicht vielmehr schlüssiger Gegenvortrag aus. Unter diesen Umständen ist es wiederum Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (vgl. BGH, GRUR 2013, 511 ff - "Morpheus"). Solche Umstände hat die Klägerin nicht dargetan; ein taugliches Beweisangebot erfolgt nicht. Sie bestreitet lediglich fast den gesamten Gegenvortrag mit Nichtwissen, was zwar nach § 138 Abs. 4 ZPO zulässig ist, aber nicht dazu führt, dass erheblicher Vortrag hinsichtlich der Täterschaft vorliegt; zudem ist insbesondere unstreitig geblieben, dass es sich eben gerade nicht um einen Privatanschluss, sondern einen Geschäftsanschluss handelt.

    Auch aus den neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus Juni 2015 (Urteile vom 11.06.2015, Az. I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14, - juris) folgt nicht, dass der Vortrag des Anschlussinhabers zur Erschütterung der tatsächlichen Vermutung von diesem bewiesen werden müsse. Der BGH hatte vielmehr in keinem der drei Rechtsstreite über die Beweislast im Falle ausreichenden Tatsachenvortrages zur Erschütterung der Vermutung zu entscheiden. Es ging in dem "Mallorca-Fall" (Az. I ZR 19/14) gerade nicht primär darum, dass die Beklagtenseite einen alternativen Geschehensablauf dargetan hatte. Vielmehr hat sie dort behauptet, niemand aus der Familie komme als Täter in Betracht, da sie sich die gesamte Familie im Urlaub befunden habe. Dies ist aber gerade kein Vortrag im Sinne der vorliegend in Bezug genommenen "BearShare"- Entscheidung. Denn damit wird lediglich die Richtigkeit der Ermittlung bestritten. Selbstverständlich war dann - wie geschehen - Beweis über die Ordnungsgemäßheit der Ermittlung zu erheben und die Familienmitglieder waren gegenbeweislich als Zeugen zu vernehmen.

    Dies hat jedoch entgegen der Ansicht der Klägerseite nichts mit der Erschütterung der Vermutung zu tun. Erst sozusagen hilfsweise stellte der dortige Beklagte in den Raum, eines seiner Kinder habe möglicherweise dies doch getan haben können, wobei der Vortrag auf Vermutungen beruhte, vage und in sich und insbesondere zum Hauptvortrag dort widersprüchlich war. All diese Besonderheiten fehlen hier. Es ist eine konkrete eigenverantwortliche Nutzungsmöglichkeit der erwachsenen Mitarbeiterin zum von der Klägerin behaupteten Tatzeitpunkt seitens des Beklagten dargetan. Ähnliches gilt für die beiden anderen vom BGH zu entscheidenden Fälle, bei denen es in einem Fall nur um die Belehrung der feststehenden minderjährigen Täterin ging (Az. I ZR 7/14) und in dem dritten Fall (Az. I ZR 19/14) ebenfalls nicht um einen alternativen Geschehensablauf, sondern - wie im "Mallorca-Fall" - um das Bestreiten der Täterschaft sämtlicher dortiger Familienmitglieder (und mithin auch dort um das Bestreiten der Richtigkeit der Ermittlung).


    II.

    Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch gegen den Beklagten als so genannter Störer. Danach könnte sie nach §§ 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F, 683, 670 BGB ohnehin nur Aufwendungen ersetzt verlangen; Schadensersatz nach der sog. Lizenzanalogie, den sie in Höhe 2.400,00 EUR mit der Klage begehrt, scheidet insoweit von vornherein aus.

    Da die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfpflichten voraus, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und in wieweit dem als Störer in Anspruch genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, "Morpheus" a.a.O.).

    Den Beklagten treffen in Bezug auf seine erwachsene Mitarbeiterin keine Belehrungspflichten hinsichtlich des Internetanschlusses (vgl. noch nicht im Volltext veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.05.2016, Az. I ZR 86/15 betreffend Wohngemeinschaften, volljährige Besucher oder Gäste). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den anderen Nutzern um volljährige Mitarbeiter, hier kann daher nichts anderes gelten. Beweis war daher nicht zu erheben, es kann dahin stehen, ob der Beklagte wie behauptet eine Belehrung vorgenommen hat. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht nötig. In der mündlichen Verhandlung hatte das Gericht - wegen der entsprechenden bisherigen Rechtsprechung des Berufungsgerichts - zwar noch angedeutet, dass ggf. hier eine Beweisaufnahme stattfinden müsse, jedoch hatte die Beklagtenseite bereits mit der Klageerwiderung unter Bezug auf das beim EuGH anhängige Verfahren zum Az. C-484/14 die Ansicht vertreten, dass dies nicht notwendig sei, und es verstößt daher nicht gegen das rechtliche Gehör der Klägerin, welche hierauf bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, wenn das Gericht sich aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen obergerichtlichen Entscheidung, nunmehr dieser Ansicht anschließt.

    Anlasslose Prüf- oder Kontrollpflichten hatte der Beklagte ebenso wenig. Denn bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Mitarbeiter / innen ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Erst wenn der Anschlussinhaber - etwa aufgrund einer Abmahnung - konkreten Anlass für die Befürchtung haben muss, dass die anderen Nutzer den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbrauchen, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, a.a.O.). Dass der Beklagte vor dem streitgegenständlichen Vorfall Anlass hatte, einen Missbrauch des Internetanschlusses durch Mitarbeiter / innen zu befürchten, hat die Klägerin nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Erst danach soll es nach ihrem Vortrag eine weitere Urheberrechtsverlet­zung zulasten der Klägerin gegeben haben. Diese soll am 03.03.2012 um 14:35:56 Uhr stattgefunden haben, das streitgegenständliche Abmahnschreiben ist allerdings erst auf den 02.03.2012 datiert, so dass es ausgeschlossen erscheint, dass der Beklagte dieses bereits am nächsten Tag vor dem maßgeblichen Zeitpunkt erhalten haben sollte, zumal auch der 03.03.2012 wieder ein Samstag war. Dies könnte allerdings ohnehin nur Auswirkungen auf eine Störerhaftung bezüglich des weiteren Verstoßes haben, der aber nicht streitgegenständlich ist; hingegen behauptet die Klägerin keine Abmahnung vor der hiesigen.

    Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    (...)



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


AG Charlottenburg, Urteil vom 08.06.2016, Az. 231 C 65/16,
Klage Rasch Rechtsanwälte,
proMedia GmbH,
Rasch Rechtsanwälte,
alternativen Geschehensablauf,
sekundäre Darlegungslast,
EuGH - C-484/14,
Gewerblicher Internetanschluss,
Mitarbeiter,
Ladengeschäft,
Rechtsanwalt Kai Jüdemann,
Jüdemann Rechtsanwälte

The Grinch
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10707 Beitrag von The Grinch » Sonntag 12. Juni 2016, 07:50

Es geht doch heute gar nicht mehr um die "Kunst",
es geht nur noch um das "Geld" - und da ist es wie in der Liebe: jedes Mittel ist erlaubt!

Wir haben es als Volk nur versäumt, was die Lobbyisten erfolgreich umgesetzt haben!
Schlussendlich waren wir, der schnöde Pöbel von der Strasse, es selber schuld.

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Steffen
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10708 Beitrag von Steffen » Sonntag 12. Juni 2016, 10:20

Hallo @Mistreaded, @THe Grinch, @all,

anfänglich, Gesundheit ist ein wertvolles Gut. Aus ganzen Herzen, es ist gut dass es dir besser geht und Du wieder hinterfragen kannst.


(...) Es geht doch heute gar nicht mehr um die "Kunst", es geht nur noch um das "Geld" - und da ist es wie in der Liebe: jedes Mittel ist erlaubt! (...)
Natürlich will der Künstler mit seiner Kunst sicherlich andere erfreuen, aber in erster Linie davon Leben. Das bedeutet, er will damit Geld verdienen. Und selbst die Großen sind immer abhängig von einem großen Label bzw. Producer. Letztlich ist Musik = Business. Leider.


(...) Und dann kommen immer diese angeblichen Firmen ins Spiel, kennen die überhaupt die Verträge? Wohl nicht, oder woher haben die Erkenntnis daraus? Ach, die haben was geloggt, ja was denn eigentlich, wo ist denn der Beweis? Warte schon Jahre auf so ein Zeug, kommt nix. Ach ja, Rechtsprechung und nach neuen Wegen suchen. Hat sich denn was an der Ermittlungsmethode geändert oder haben die trotzdem nix?
Firma. Wie es auch sei, der IPOQUE und der Ermittlung glaube ich nicht. Da gibt es evtl. auch so einen aus Israel mit BitTorrent. (...)

@Mistreaded,

Du hast leider immer noch die gleichen Vorstellungen wie sehr viele Abgemahnte und Engagierte. 2016 sollte man - insbesondere da die zahlenmäßig versendeten Abmahnungen rückläufig sind - bei der Beurteilung einer Filesharing-Abmahnung bzw. -Klage definitiv die Fehler und Kritiken an die Musik- bzw. Unterhaltungsindustrie ad acta legen und sich nur auf das Wichtige konzentrieren. Und das Wichtige heißt, Du befindest dich mit Erhalt eines Abmahnschreibens in einen Rechtsstreit im Zivilrecht. Dann muss man wenn man es nicht möchte einen Anwalt hinzuziehen, oder die Spielregeln: "Zivilrecht" lernen.

Hier ist in erster Linie die ZPO bindend und das, was ein Gericht unter Berücksichtigung der Gesetze, Rechtsschriften (z.B.: BGB) sowie höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH) - entscheidet!

Und es geht im Grundsatz immer um die Verteilung der Beweislast in einem Filesharing-Fall.

Der Beweis der Täterschaft des Anschlussinhabers liegt nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen beim Kläger. Er wird aber nur die für ihn zum Vorteil gereichten Tatsachen vortragen. Jetzt kommt im Zivilrecht (auch im Strafrecht) - nenne es von mir aus Beweiserleichterung / Beweislastumkehr / abgestufte Darlegungs- und Beweislast - die sekundäre Darlegungslast (abgeleitet vom § 138 ZPO) zum tragen, wenn der Kläger zu einem bestimmten Sachverhalt keine Einsicht hat, sondern nur allein der Beklagte oder dem Kläger es nicht zumutbar ist.

Und wie es zum jeweiligen Vorwurf (Tatzeit) konkret am Anschluss aussah, hierzu hat der Kläger keine Einsicht, sondern allein der Verantwortliche - der Anschlussinhaber (Vertragspartner des Providers). Und der Beklagte hat sich jetzt zu bestimmten Sachverhalten - substantiiert - zu äußern.

Natürlich gibt es jetzt Unterschiede an die Anforderungen, wann man der sekundären Darlegungslast gerecht wird zwischen den Gerichtsstandorten und sogar innerhalb eines Gerichtsstandortes. Nur dies ist nicht grundlegend Neues und für alle gleich.


Kläger:
a) mit dem Log der (P2P-) IP-Adresse / n
b) dem Antrag auf Herausgabe von Verkehrsdaten (§ 101 IX UrhG)
aa) hier erfolgt schon die Aktivlegitimation
ab) die Ermittlung der IP-Adresse
per Anscheinsbeweis und Glaubhaftmachung
c) der Gestattung
d) der Zuordnung der (P2P-) IP-Adresse durch den Provider und Beauskunftung des Kunden
aa) oder Kennung des Reseller-Kundens
aaa) jetzt geht der Abmahner zum Reseller und fordert die Beauskunftung der Bestandsdaten
e) Abmahnung

Dies gilt als Anscheinsbeweis - der BGH spricht von der tatsächlichen Vermutung, das der Vorwurf über den Anschluss aus begangen wurde bzw. der Anschlussinhaber verantwortlich -.

Definition Anscheinsbeweis:
»Annahme eines typischen bzw. der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt oder jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft - bewusst und alleine - kontrolliert«


Jetzt obliegt dem Beklagten
a) diese Vermutung zu erschüttern
aa) Nennung Mitnutzer
ab) unzureichend gesicherten Anschluss
UND
b) sich zu bestimmten Fragen - substantiiert - zu äußern

Schafft er es nicht - ist sein Vortrag unbeachtlich, schafft er es - muss der Kläger wieder beweisen - wer!



Und liebe Leute,

wenn ich vortrage: "Nein, ich nicht; der und der hätten den Anschluss mitbenutzen können, aber bestreiten...
... dann
a) habe ich die Vermutung - nicht erschüttert -
- kein Vortrag, dass der und der zum jeweiligen Vorwurf (Log) i.V.m. wie das Internet genutzt hat
b) wurde ich der sekundären Darlegungslast - nicht gerecht -
- denn niemand weder AI noch der und der kommen als Täter infrage


BGH (sinngemäß in "BearShare"):

1. Säule der Verteidigung (tatsächliche Vermutung)
  • (... ) Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. (...)


2. Säule der Verteidigung (sekundäre Darlegungslast)
  • (...) Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. (...)
Natürlich kann ich jetzt weinen und München verdammen oder unter jedes - aus unserer Sicht - verlorenes Urteil den Stempel aufdrücken:

Bild


Dies ist für mich einfach - lächerlich -, zumindest naiv! Natürlich kommt es aber in der Foren jederzeit gut an - und das ist ja die Hauptsache.



Und in einem Zivilverfahren gibt es nun einmal eine Klage- und Verteidigungsstrategie.


Naturwissenschaftlicher Teil

1) Beweiskette
a) IP-Ermittlung
b) IP-Übermittlung/-Übertragung
c) IP-Beauskunftung (§ 101 IX UrhG)
aa) IP-Übermittlung/-Übertragung
ab) IP-Zuordnung durch Provider
ac) IP-Beauskunftung Provider - Abmahner

2) Logfirma
a) verwendete Software
b) bestehende (Privat- / Gerichts-) Gutachten zur Software / IP-Ermittlung
c) eidesstattliche Erklärungen der den Logvorgangs überwachenden Mitarbeiters der Logfirma
d) Technische Daten des Logs (Hashwert, IP-Adresse, Datum)

3) internetfähige Endgeräte
a) Absicherung (Hardware / Software)
b) vorhandene/nichtvorhandene P2P-Software bzw. -Client
c) vorhandener/nichtvorhandener Streitgegenstand


Juristischer Teil

a) Rüge der örtlichen Zuständigkeit
Beachte:
aa) mit Inkrafttreten des GguGpr (09.10.2013) wurde der "fliegende Gerichtsstand" abgeschafft
ab) siehe hierzu §§ 104a, 105 UrhG
b) Aktivlegitimation
Hinweis:
aa) Ist der Kläger berechtigt, verfügt er über die notwendige Rechte abzumahnen und zu Klagen
c) substantiierter Sachvortrag zu den Vorwürfen
Hinweis: Detailliertheit eines Vortrages
d) Passivlegitimation/Beweislastverteilung
aa) Beweiskraft
e) Entkräftung Störerhaftung
f) Entkräftung Täterschaft bzw. Teilnahme
aa) für sich selbst
ab) Vortrag, wer als Täter in Betracht kommen kann
(anderer möglicher Geschehensablauf)
g) Anwaltskosten
h) Sonstiges



Grundsätze:
1) Gleichheitsprinzip:
Jede Partei (Kläger/Beklagter) beweise, was ihm zum Vorteil gereicht und seinen Anspruch stützt oder den gegnerischen Anspruch hindert
2) Behauptung ist ein Tatsachenvortrag.
Dieser muss bewiesen werden. Der Beweis ist erbracht, wenn die behauptete Tatsache zur Überzeugung des Gerichtes feststeht.
3) Tatsachenbehauptungen der Klägerseite, die der Beklagte nicht bestreitet, gelten als zugestanden und werden vom Gericht als "wahr" unterstellt.

Und ich sollte mir im Klaren sein, wenn ich den Hauptaugenmerk meiner Verteidigung auf den naturwissenschaftlichen Teil lege, kommt es in der Regel zu einem unabhängigen Sachverständigengutachten, wo der Richter festlegt, was bewiesen werden soll.

Mit den Aussagen nach "P2P - einem unerklärlichen Mysterium", wo sind die Beweise? usw. - sprich nichts konkretes einer Fehlerhaftigkeit der Software oder der Zuordnung - ist dies nicht ratsam. Und letztendlich bezahlt zwar der Beweiserbringende den Kostenvorschuss; der Verlierer - alles!

Wir sollten einmal abgehen zu erzählen, was sein hätte können, sondern wie es dem eigenen Wahrheitsempfinden war! Und Letztendlich, wenn man nicht die Spielregeln beherrscht, sollte man nicht spielen.


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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10709 Beitrag von Steffen » Sonntag 12. Juni 2016, 23:25

Hallo @Mistreaded,
Ich hinterfrage halt, liebe Logger, aber so ein Zeug wie Logistep, Ipoque usw., das ist Märchenwelt
Alte Kamellen. Logistep spielt keine große Rolle mehr und WF Neue ist "Digital Forensics GmbH" (gegründet 2015). Bitte aber nicht wieder das ganze Impressum posten - danke.

Was wäre denn, wenn die 1 Säule schon untergeht, weil die tatsächliche Vermutung schon daran scheitert, das die Täterschaft des AI nicht begründet ist, da andere angeblich benutzt haben. Ob da andere sind ist doch nicht dargelegt worden, nur Sicherung. Sollen die mal machen. Und dann kommt die Säule 2 der sekundären Darlegungslast. Woher soll der AI davon Kenntnis haben oder der Logger, Gerichte usw. oder war es ein selbstständiger Zugang?

Menschlich verständlich vs. rechtliche Anforderung

Egal was man meint, der Auslöser einer Abmahnung ist eine ermittelte UrhR-Verletzung über ein P2P-Netzwerk sowie hat der Verletzte ein legitimes Recht diese zu ahnden. Jetzt muss man keine technische Superkenntnisse besitzen, zuordenbar und beauskunftbar ist eben - nur - der Anschlussinhaber und nicht der Filesharer.

Nun wie soll man denn eine UrhR-Verletzung ahnden, wenn - nur - der Verantwortliche des zuordenbaren und beauskunftbaren Anschluss rechtlich greifbar ist?

Nur steht erst einmal eine UrhR-Verletzung fest. Diese wurde über einen bestimmten Anschluss aus getätigt.
  • a) Verantwortlich ist der AI - weil eben die rechtliche Annahme besteht, dass er allein den Zugang benutzt bzw. die Mitnutzer kennt
    b) mit Inbetriebnahme eines Internetzugang eine Gefahrenquelle schafft, die er selbst zumutbar sichern muss
Und es kann doch sofort - hier stimme ich dir nicht zu - diese "Täterschaftsvermutung" erschüttert werden, wenn er vorträgt dass:
»zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.«

Das heißt,
  • a) Singlehaushalt wird diese Vermutung nicht erschüttern können und deshalb Hauptaufmerksamkeit auf die sekundäre Darlegungslast legen (was sehr schwer sein wird)
    b) wenn ich als AI vortrage: "Ich war es nicht, Mitbenutzer A - B hätte den Anschluss theoretisch mitnutzen können, streiten den Vorwurf aber ab" - dann ist diese Vermutung wieder nicht erschüttert i.V.m. dass man der sekundären Darlegungslast nicht gerecht wurde.
  • (...) Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten UND als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. (...)
Und die "BB-Zeiten" sind vorbei. Zukünftig wird man sich mit 1 Massen-Kläger befassen werden (WF) und einigen Einzel-Klägern (rka., FAREDS, usw.). Das heißt, dass auch die Qualität der Kläger steigt. Nun muss aber endlich auch die der Beklagten steigen.

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10710 Beitrag von Steffen » Montag 13. Juni 2016, 23:35

Hallo @Mistreaded,

- die beklagte AI'in bestreitet die Tat (ortsabwesend; außerhalb DE) und benennt Mitnutzer (WG, vollj. Personen)
- Nachfrage mit Abmahnung erbrachte kein Ergebnis genau wie die Zeugenvernehmung durch das Gericht

Wenn der AI nachweislich zum Log ortsabwesend war und den Anschluss innerhalb einer WG vollj. Personen benutzen konnten - dann AI kein Täter + kein Störer.

Man weiß aber nicht, ob der Sachvortrag bei Rasch, rka. oder WF ausgereicht hätte. Denn große Anforderungen an die Nachforschungspflicht wurden nicht gestellt. Mit so etwas muss man dann leben.

VG Steffen

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10711 Beitrag von Steffen » Dienstag 14. Juni 2016, 23:56

Hallo @Mistreaded,

im Grundsatz geht es doch:
a) es wurde ein Rechtsverstoß geloggt
b) der Verletzte möchte den Verstoß ahnden
aa) eine Kenntnis über gewerblich oder private Nutzung
ab) es wurde in sein legitimes Recht rechtswidrig eingegriffen
ac) Ziel: Unterlassung, Schadensersatz
c) Letztendlich ist aber nur der AI verauskunftbar

Der AI schafft mit Inbetriebnahme des Internetzuganges eine Gefahrenquelle, die er zumutbar sichern muss.
Da angenommen wird, das der AI in der Regel seinen Anschluss selbst nutzt oder diejenigen kennt, die ihn mitbenutzen, spricht die Vermutung, das
a) der verstoß über den Anschluss ausging
b) der AI dafür verantwortlich gemacht werden kann

Diese Vermutung kann der AI erschüttern, indem er - substantiiert - vorträgt das
a) er selbst, weder Störer noch Täter ist
a) andere Personen den Anschluss zum Tatzeitpunkt selbstständig mitbenutzen oder
b) er über einen ungesicherten Zugang verfügte.

Hier schwingt aber über den AI das Damoklesschwert - möglicher andere Geschehensablauf. Das heißt, es muss jemand oder ein Sachverhalt als möglicher Täter infrage kommen. Was nicht heißt, das man einen Mitbenutzer namentlich als Täter benennen muss. Aber man muss, um seiner sekundären Darlegungslast gerecht zu werden, über einen pauschalen Vortrag hinaus gehen und hinsichtlich den Logzeiten konkret vortragen. Plus, ist der Vortrag für den/die Richter schlüssig und nachvollziehbar.

BGH Tauschbörse III (Rdnr. 42 aa))
  • (...) dass es nicht auf die Nutzungsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern konkret auf die Situation zum Verletzungszeitpunkt ankommt. (...)
Kann er die Vermutung erschüttern und kommt seiner sekundären Darlegungslast nach ist alles o.k.; kann er zum Beispiel die Vermutung nicht erschüttern, trotz pauschalen Vortrag von Mitnutzern, dann geht die Vermutung auf den AI zurück und er haftet als Täter.

Letztendlich ist es eine politisch korrekte Frage: Kann der AI für von seinem Anschluss aus verursachte Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden?


[quoteemMistreaded](...) Ich hinterfrage mal nur, plausibel erscheint mir das nicht mit der sekundären Darlegungslast und zu dem AI, gibt es ja nix oder wurde nachgewiesen? Sicherung ist ja auch angesprochen, zu wem denn eigentlich, Auch schon wieder fraglich. Aufklärung soll ja auch sein durch den AI zu anderen. Wie das denn, sekundär?. Die sind ja alle irre, sollen das mal selber nachvollziehen. Oder Nachforschung oder wie, ist das überhaupt zumutbar und genau zu dem Zeitpunkt in der Abmahnung, Warum soll man dazu noch recherchieren, sagen ja nix zu anderen Möglichkeiten, wissen aber auch nix wirklich zu dem Zeitpunkt und anderen.

Ach ja, da soll man dann wohl noch nach der Abmahnung weiter recherchieren zu wem denn? Familienangehörige usw. Machen die das bei den Gerichten und BGH auch täglich? Träumer. (...)[/quoteem]

Wir können uns doch bis zum St. Nimmerleinstag unsere Standpunkte um die Ohren des anderen schmettern. Die sekundäre Darlegungslast wird aus dem § 138 ZPO hergeleitet und ist nichts extra für Filesharing-Fälle Erfundenes. Sicherlich, Erschwerend, dass die Anforderungen an die sekundären Darlegungslast bundesweit unterschiedlich im Ermessen des jeweiligen Richter bzw. der Richter sind.

Damit müssen wir aber klarkommen. Eigentlich nicht wir, sondern die Anwälte.

Sobald der Kläger zu einem bestimmten Sachverhalt - wie sah es zum Log am Internetzugang des AI aus? - selbst keine Einsicht hat, sondern nur der beklagte AI - hat sich der beklagte AI substantiiert zu bestimmten Fragen zu äußern. Wenn nicht, zählt der Vortrag des Klägers als eingestanden.

So ist es nun einmal. Punkt.

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10712 Beitrag von Steffen » Donnerstag 16. Juni 2016, 10:31

[quoteemMistreaded]Tolle Verpflichtung vom BGH, sind auch nur Tagträumer. Selbstständiger Zugang zu dem Internetanschluss und dazu nachforschen. Die spinnen einfach alle und verstehen Internet nicht wirklich. Sprechen einerseits von selbstständigen Zugang den der AI nicht kennt, dann wäre die Abmahnung ja wohl an eine andere Adresse gegangen, die theoretische Möglichkeit und Anforderungen und "gegebenenfalls" ist auch schon wieder fragwürdig.[/quoteem]


Hallo @Mistreaded,

ich muss einmal etwas forscher gegen argumentieren. Anfänglich sollte man - egal welchen Standpunkt man innehat - einmal dezenten Respekt erbringen. Der BGH ist das höchste oberste Gericht dem Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit und damit letzte Instanz in Zivil- und Strafverfahren. Punkt. Die Hauptaufgabe liegt nach Wiki: der BGH soll durch seine Rechtsprechung die Rechtseinheit wahren und das Recht fortbilden, vor allem aber die Entscheidungen der ihm untergeordneten Gerichte überprüfen auf Rechtsfehler.

Und ich muss einmal etwas zitieren, was auch Du regelmäßig negierst:

BGH "Morpheus" (Rdnr. 34):
  • (...) Die massenhafte Nutzung von Tauschbörsen beeinträchtigt die urheberrechtlich geschützten Rechte und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsinhaber zwar auch dann ganz erheblich, wenn die einzelne Rechtsverletzung für sich genommen kein beträchtliches Ausmaß erreicht (...)
Oder nach dem Steffen-Style:
  • »Massenhafte Abmahnungen haben massenhafte Rechtsverstöße als Ursache«
Wenn ich jetzt irgendjemanden - nehmen wir @Mistreaded - sage: Du bist jetzt Rechteinhaber und dein Ziel ist es mit deinem Werk Geld zu verdienen. Nun werden diese kaum entwickelt / produziert / komponiert usw. kostenlos in eine Internettauschbörse gestellt. Das bedeutet, dein (Eigentums-)Recht wird verletzt sowie möchtest du als Rechteinhaber dass dieser Verstoß gegen ein bestehendes Recht - geahndet wird. Und da dieser Zustand schon seit 2005 anhält, die Filesharer uneinsichtig seien, ist dir jedes Recht - auch dass der Abschreckung - recht.

Und wenn ich jetzt frage: @Mistreaded, wie willst Du als Inhaber eines Rechtes, massenhafte Verstöße die zwar keinen berechenbaren, aber sicherlich - einen - Einfluss auf ausbleibende Käufe haben, diese ahnden? Als erstes käme wahrscheinlich, weil es jetzt um DEIN Eigentum geht, das der Gesetzgeber und die Polizei dafür verantwortlich seien, diese "Diebe" zu ermitteln und der gerechten Strafe zuzuführen. Ist nicht, also bleibt dir nur der Weg des privaten Auskunftsverfahren und der Abmahnung.

Der BGH dabei hat sich am Recht zu orientieren, an der Rechtsprechung sowie muss um einen Interessenausgleich zwischen dem Verletzten und Verletzer bemüht sein. Dabei werden wohl, die Interessen des Verletzten im Vordergrund stehen.

Also @Mistreaded, Du bist jetzt Rechteinhaber, wie willst Du massenhafte Verstöße gegen dein Recht ahnden und vor allem beweisen?

Ich kann Dir jetzt eines sagen, wenn man realistisch wäre und es gegen das eigene Recht geht, dann versteht man keinen Spaß. Du würdest als Techniker hoch technische Anforderungen aufstellen, wie ein Verletzer sich aus seiner möglichen Haftung befreien könnte. Und die wären nicht gering. Es kann sich auch gern einmal jeder Andere an die Beantwortung wagen.

Man sollt einmal realistisch bleiben. Es kann doch jeder - es ist ja nach deiner Auffassung so easy - sich aus dem Klammergriff der Haftung befreien. Denn Du bist seit 2005 der Erste, der auf diese Idee kommt. Und ja, um das Mysterium P2P zu klären, soll jeder Tausende Euros in die Hand nehmen, um noch mehr unabhängige Sachverständigengutachten dem Abmahner zu sponsern. Denn Du - selbst - als Beklagter, würdest - keinen - Cent dafür in die Hand nehmen, denn dann ging es um dein Geld.

Ich kann dieser Logik - die ich mittlerweile seit 2006 lese - es ist alles nur eine Riesen Abzocke; Porsche fahrender Anwälten; keine Beweise; Richter verkalkt; wenn es zum Treffen käme, reise ich denen den Poppers auf bis zur Halskrause ... Ich bin unschuldig! ....
... kommt es zum Treffen: Hu, hu, hu, ich kann mein Unschuld ja nicht beweisen und vergleiche mich - natürlich nur aus reinen Kostengründen, aus keinen anderen! ...
... nicht mehr hören oder lesen.

Es gibt nun einmal Gesetz und Vorschriften sowie eine Rechtsprechung. Die sind für alle gleich und das bedeutet, damit müssen alle - eigentlich nur die Anwälte - klarkommen. Kann ich damit klarkommen, ist es gut. Wenn nicht, dann verliere ich.


[quoteemMistreaded]Mit der sekundären Darlegungslast wird das sicherlich noch interessant, aber ich sehe das halt so, das es die nicht wirklich gibt.. Die Gerichte entscheiden dazu ja auch unterschiedlich, kommt wohl für den Abgemahnten auf den Gerichtsbezirk an. Ist aber nur meine persönliche Meinung.[/quoteem]

Hier ist ja wieder das beste Beispiel: Juristerei ist eine Sache, die in einem Rechtsstreit überbewertet wird. Ein Hoch auf die Techniker! Pustekuchen.

BGH, Urteil vom 10.02.2015, Az. VI ZR 343/13: sekundäre Darlegungslast
  • (...) Grundsätzlich muss zwar der Kläger alle Tatsachen behaupten und beweisen, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Stützt er sich auf eine deliktische Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, so hat er prinzipiell alle Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt. In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Eine solche sekundäre Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Diese Grundsätze kommen insbesondere bei Schadensersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spielt dabei weder eine Rolle, dass es sich bei dem als verletzt in Rede stehenden Schutzgesetz des § 266 StGB um eine strafrechtliche Norm handelt, noch, ob ein entsprechender Auskunftsanspruch besteht. (...)
Und nein, hier ging es ausnahmsweise einmal nicht um Filesharing. Deine Meinung ist zwar Teil dieser Diskussion, entbehrt aber der Realität. § 138 ZPO ist seit sehr vielen Jahren fester Bestandteil als Grundprinzip (mit) im (prozessualen) Zivilrecht. Die einfachsten Dinge werden nicht beherrscht, das wäre die falsche Formulierung, sondern nicht arrogant beachtet.

Sollte es zu einem Zivilverfahren kommen, gilt:
  • 1. Das Gleichheitsprinzip. Jede Partei (Kläger / Beklagter) beweise, was ihm zum Vorteil gereicht und seinen Anspruch stützt oder den gegnerischen Anspruch hindert.
    2. Eine Behauptung ist ein Tatsachenvortrag. Dieser muss bewiesen werden. Der Beweis ist erbracht, wenn die behauptete Tatsache zur Überzeugung des Gerichtes feststeht.
    3. Tatsachenbehauptungen der Klägerseite, die d. Beklagte nicht bestreitet, gelten als zugestanden und werden vom Gericht als "wahr" unterstellt.
In der Verteidigung bei Filesharing-Fälle, gilt:
  • 1. tatsächliche Vermutung (Anscheinsbeweis) muss man = erschüttern (unzureichend gesicherter Internetzugang, Mitnutzer)
    2. der sekundären Darlegungslast (Substantiierung) muss man = gerecht werden (andere möglicher Geschehensablauf)
Deine Meinung ehrt dich und es ist deine, aber einmal einseitig und andermal realitätsfremd. Ausrufezeichen.

VG Steffen

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#10713 Beitrag von Steffen » Donnerstag 16. Juni 2016, 12:16

WALDORF FROMMER: Behauptungen ins Blaue hinein sind nicht geeignet, die Täterschaft des Anschlussinhabers auszuschließen


23:12 Uhr


Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

Beethovenstraße 12 | 80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10 | Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de | Web: www.waldorf-frommer.de




Bericht

Link:
http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... chliessen/

Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-conte ... 7_1574.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Linda Haß



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


In dem Verfahren hat die Beklagte ihre persönliche Verantwortlichkeit für die Rechtsverletzung bestritten und insoweit auf ihre angebliche Ortsabwesenheit verwiesen. Zudem hätte auch ihr Sohn eine generelle Zugriffsmöglichkeit gehabt. Dieser komme nach Ansicht der Beklagten daher als Täter der Rechtsverletzung in Betracht.

Der Sohn der Beklagten wurde sodann als Zeuge gehört, berief sich im Termin jedoch auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Die Beklagtenseite revidierte daraufhin in der informatorischen Befragung ihren bisherigen Vortrag dahingehend, dass sie in Wahrheit gar nicht wisse, ob ihr Sohn überhaupt die Zugangsdaten für den Internetanschluss und somit die Möglichkeit des Zugriffs hatte.

Das Gericht reagierte entsprechend und stellte fest, dass es sich - nicht zuletzt aufgrund des nun umgestellten Vortrags - bei der behaupteten möglichen Alleintäterschaft des Sohnes um eine reine Behauptung ins Blaue hinein handle. Diese sei weder geeignet die tatsächliche Vermutung der Täterschaft der Beklagten zu widerlegen, noch die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen:
  • "Substantiierte Umstände, die einen alternativen Geschehensablauf nahelegen oder es möglich erscheinen lassen und geeignet sind, die tatsächliche Vermutung, dass die Verletzung von ihr als Inhaberin des Internetanschlusses begangen wurde, zu widerlegen, sind von der Beklagten nach oben Gesagtem nicht vorgetragen."
Auch zu der angeblichen Ortsabwesenheit der Beklagten zu den streitgegenständlichen Zeiten fand das Gericht deutliche Worte und stellte klar, dass diese Ausführungen nicht geeignet sind, die Täterschaft der Beklagten auszuschließen.
  • "Auch die Behauptung der Beklagten sie sei am 16.12.2012 nicht zu Hause gewesen, vermag diese tatsächliche Vermutung nicht zu widerlegen. Gerichtsbekannt ist die gleichzeitige Anwesenheit des Anschlussinhabers im Moment der festgestellten Verletzungshandlung nicht erforderlich, da die Verletzungshandlung bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Gang gesetzt werden sein kann. Eine ständige räumliche Anwesenheit während des Zeitpunktes der Verletzungshandlung ist nicht erforderlich."
Im Ergebnis wurde die Beklagte zur Zahlung des geltend gemachten Schadensersatzes sowie zu Ersatz der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten verurteilt und hat zudem die vollen Kosten des Rechtsstreits zu tragen.



AG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.05.2016, Az. 31 C 2837/15 (74)



  • (...) hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Richter am Amtsgericht [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2016

    für Recht erkannt:

    • 1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 16.07.2015, Aktenzeichen [Az.] bleibt aufrechterhalten.
      2. Die Beklage hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
      3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
      Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des von der Klägerin zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.




    Tatbestand

    Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer behaupteten Urheberrechtsverletzung.

    Die Klägerin ist Inhaberin zahlreicher ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte zur öffentlichen Zugänglichmachung über Filesharing- Netzwerke an Filmwerken. Zur Überwachung möglicher Verletzungen ihrer Nutzungs- und Verwertungsrechte durch anbieten urheberrechtlich geschützter Werke beauftragte sie die ipoque GmbH mit der Überwachung' von Tauschbörsen zwecks Ermittlung der illegalen Verbreitung ihrer urheberrechtlich geschützten Bild- / und Tonaufnahmen in Tauschbörsen. Dieses beauftragte Unternehmen führt seine Überwachungs- und Ermittlungstätigkeit durch Verwendung des "Peer- to- Peer Forensic System" ("PFS") durch, dass die IP-Adresse, über die eine Rechtsverletzung begangen wurde, und den File- Hashwert des jeweiligen Werkes sowie den Zeitpunkt des Anbietens dieses Werkes zum Download dokumentiert. Bei dieser Software handelt es sich um eine Software, die sich wie ein regulärer Client mit dem Netzwerk verbindet und Daten über die Aktivitäten anderer Clients, die bestimmte Dateien zum Download anbieten, protokoliert und in eine Datenbank hineinschreibt.

    Am [Datum] protokolierte die ipoque GmbH mittels dieser Software das die Datei mit dem Filehashwert [Hash] am [Datum] von [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr ausgehend von einem Rechner, welcher über die IP-Adresse [IP] und am [Datum] zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr ausgehend von Rechner, welcher über die IP-Adresse [IP] mit dem Netzwerk verbunden war, vervielfältigt und damit anderen Nutzern zum Download angeboten wurde Diese Datei bzw. Dateigruppe enthält das Filmwerk bzw. Teile des Filmwerks [Name]. Auf Vervielfältigungsstücken dieses Filmwerks ist die Klägerin durch Copyrightvermerk als Herstellerin des Filmwerkes bezeichnet.

    Unter Angabe der durch das PFS ermittelten Angebotsdaten erwirkte die Klägerin beim Landgericht Köln einen Beschluss, der den Provider Deutsche Telekom AG zur Auskunft über den zugehörigen Anschlussinhaber der von PFS ermittelten IP-Adresse verpflichtete. Dieser wies die übermittelten IP-Adressen dem Anschluss der Beklagten zu, die zum maßgeblichen Zeitpunkt über einen Internetanschluss bei T-Online verfügte, den sie über ein Passwort geschütztes WLAN nutzte.

    Mit Schreiben vom [Datum] mahnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte wegen einer Urheberrechtsverletzung am Werk [Name] ab und forderte diese unter gleichzeitiger Abgabe eines Vergleichsangebotes, wonach die Angelegenheit mit Zahlung eines Betrages von 956,00 EUR erledigt sein sollte, zur Abgabe einer strafbewerten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte gab diese in der Folge nicht ab und leistete auch keine Zahlung an die Klägerin.

    Die Klägerin begehrt von der Beklagten wegen der behaupteten Urheberrechtsverletzung Ermittlung der ihr entstandenen Abmahnkosten in Höhe von 506,00 EUR sowie Schadensersatz in Form einer Lizenzentschädigung in Hohe von 600,00 EUR. Sie behauptet, die von "PFS" ermittelten Daten wiesen eine eindeutige Zuordnung der Rechtsverletzung durch die Beklagte zu. Das nach streng forensischen Grundsätzen entwickelte Ermittlungssystem ermögliche die exakte Rekonstruktion der Rechtsverletzung anhand der im Einzelfall erfassten Rohdaten. Soweit die Beklagte behauptet, die Rechtsverletzung habe auch durch ihren im Haushalt lebenden Sohn begangen worden sein können, habe dieser zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verletzungshandlung keinen Zugriff auf den Internetanschluss der Beklagten gehabt.

    Die Klägerin ist darüber hinaus der Ansicht, der von ihr geltend gemachte Lizenzschaden sei angesichts des Einzelverkaufspreises des Werkes sowie der Lizenzhöhe bei Video- On Demand- Portalen angemessen. Als Geschäftswert für die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten sei jedenfalls ein Gegenstandswert von 10.000,00 Euro zugrunde zu legen.

    Gegen die Beklagte ist am 16.07.2015, der Beklagten zugestellt am 21.07.2015, ein Vollstreckungsbescheid ergangen, wonach diese zur Zahlung eines Lizenzschadens in Hohe von 600,00 EUR sowie Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR nebst Zinsen verurteilt wurde. Hiergegen hat die Beklagte mit bei Gericht am 03.08.2015 eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.


    Die Klägerin beantragt,
    den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg, Aktenzeichen [Az.] aufrechtzuerhalten.


    Die Beklagte beantragt,
    den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg, Aktenzeichen aufzuheben und die Klage abzuweisen.


    Die Beklagte behauptet, sie sei zum maßgeblichen Verletzungszeitraum am [Datum] nicht zu Hause gewesen und habe auch zu keinem Zeitpunkt ein Tauschbörsenprogramm auf ihrem Computer installiert gehabt. Eine Verletzungshandlung habe möglicherweise durch ihren Sohn begangen werden können, der in ihrem Haushalt lebe und an diesem Tag zu Hause gewesen sei.

    Soweit die ipoque GmbH zur Ermittlung des Filehashwertes sowie der IP-Adresse das PFS verwendet habe, bestreitet die Beklagte, dass dieses einwandfrei funktioniere und Gewähr für eine korrekte Ermittlung der IP-Adresse biete. Gegen eine richtige IP-Adresse Datenermittlung spreche im Übrigen, dass die behaupteten Urheberrechtsverstöße am [Datum] zwei verschiedene IP-Adressen innerhalb eines Zeitraums von 4 Stunden festgestellt haben.

    Die Beklagte bestreitet des Weiteren, dass der Klägerin Rechte an dem streitgegenständlichen Filmwerk zustehen. Ebenfalls sei der in Ansatz gebrachte Lizenzschaden unangemessen hoch. Auch sei der zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren zugrunde gelegte Geschäftswert in Höhe von 10.000,00 EUR weit überhöht. Gemäß § 97a Urhebergesetz alte Fassung könne die Klägerin allenfalls 100,00 EUR Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen, da es sich vorliegend um einen einfach gelagerten Fall mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs handelte

    Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitig eingereichten Schriftsatze verwiesen.

    Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beweisbeschluss vom 20.10.2015 durch Vernehmung des Zeugen [Name]. Zudem wurde die Beklagte angehört. Wegen des Inhaltes der Beweisaufnahme und der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 01.12.2015 verwiesen



    Entscheidungsgründe:

    Die Klage ist begründet.

    Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung einer Lizenzentschädigung nach den §§ 97a Abs. 1 Satz 1, Satz 3, 19a, 2 Nr. 6 Urhebergesetz zu.

    Die Klägerin ist gemäß der §§ 94 Abs 4, 10 Abs. 1 Urhebergesetz als Urheber des streitgegenständlichen Werkes anzusehen, da sie ausweislich des Covers des streitgegenständlichen Werkes in üblicher Weise als Urheber und Rechtsinhaber bezeichnet ist. Damit wird widerleglich ihre Inhaberschaft der Leistungsschutzrechte vermutet. Die Beklagte hat keine substantiierten Tatsachen zur Widerlegung dieser Vermutung vorgetragen. Das einfache Bestreiten der Beklagten vermag dieser Vermutung nicht zu widerlegen.

    Das Gericht stellt darüber hinaus fest, dass die Beklagte die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung begangen hat.

    Die Klägerin ließ die für den Zeitpunkt der Rechtsverletzung maßgebliche IP-Adresse durch Heranziehung eines spezialisierten Unternehmens unter Verwendung des "Peer-to-Peer Forensic System" ("PFS") ermitteln und erwirkte einen Beschluss des Landgerichts Köln, der den zugehörigen Internetprovider Deutsche Telekom AG zur Auskunft hinsichtlich des Anschluss nach § 101 Urhebergesetz verpflichtete. Diese wies die ermittelten dynamischen IP-Adressen für den Zeitpunkt der streitgegenständlichen Urheberechtsverletzungen der Beklagten zu.

    Es handelt sich bei diesem Vorgehen um ein übliches technisches Vorgehen, dessen Korrektheit nicht mit schlichtem Bestreiten angegriffen werden kann. Vielmehr ist auf Grund der Üblichkeit und in einer Vielzahl von Verfahren überprüften technischen Zuverlässigkeit des entsprechendes Verfahrens darauf zu schließen, dass außerhalb von atypischen Sonderfällen nicht das Ermittlungsverfahren als solches oder darin enthaltene theoretische mögliche Fehler, sondern vielmehr konkrete Anhaltspunkte für im Einzelfall auftretende Unzulänglichkeiten des Ermittlungsvorganges notwendige dazutun sind, um die Annahme der Korrektheit der Ermittlung zu entkräften (vgl. OLG Köln, Urteil vom 20.12.2013, Az. 1-6 U 205/12; BGH, Beschluss vom 11.06.2015, Az.: I ZR 19/14). Entsprechendes hatte die Beklagte nicht hinreichend dargetan. Ihr Vorbringen beschränkte sich vielmehr im Wesentlichen auf den Verweis auf die Ermittlungsungenauigkeit bzgl. jeweils neu vergebenen, so genannten dynamischen IP-Adressen, was angesichts der sekundengenauen Ermittlung der IP-Adresse durch die Klägerin nicht hinreichend substantiiert ist. Soweit die Beklagte einwendet, die Deutsche Telekom tausche die IP-Adressen der Anschlussinhaber regelmäßig nur zur Nachtzeit aus, mag dies die richtige Ermittlung der IP-Adresse der Beklagten nicht zu erschüttern Die Beklagte wird als verantwortliche Anschlussinhaberin zu zwei unterschiedlichen IP-Adressen an einem Tag und zu zwei Zeitpunkten beauskunftet.

    Eine doppelte Falschzuordnung, die zufällig stets zum gleichen, unzutreffenden Ergebnis führt, liegt jenseits jeder mathematischen bzw. statistischen Wahrscheinlichkeit und kann ausgeschlossen werden. Nachdem die heruntergeladene Datei bzw. Dateigruppe mit dem Hashwert [Hash] das Filmwerk [Name] enthalten hat, steht nach oben Gesagtem für das Gericht fest, dass die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung über den der Beklagten zugeordneten Internetanschluss erfolgte.

    Es besteht eine tatsächliche Vermutung, dass eine über einen Internetanschluss erfolgte Urheberrechtsverletzung vom Inhaber des Internetanschusses begangen wurde, die allerdings vom Inhaber des Internetanschusses widerlegt werden kann Hierfür sind von diesem im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast substantiiert Umstände vorzutragen, die einen alternativen Geschehensablauf nahelegen oder möglich erscheinen lassen

    Anfänglich hat die Beklage im Rahmen Ihrer Anhörung zwar ausgeführt, dass sie am [Datum] zu Hause gewesen sei, substantiiert einen alternativen Geschehensablauf sie jedoch nicht schildern. Auf ausdrückliche Nachfrage nämlich hatte die Beklagte dass sie nicht wisse, ob ihr Sohn Zugriff auf das Internet habe und diesem die Verschlüsselung bzw. das Passwort für eine Nutzung des Internet über WLAN bekannt war Soweit die Beklagte schriftsätzlich vortragen lasst, ein möglicher Urheberrechtsverstoß habe auch von ihrem Sohn begangen worden sein können, handelt es sich bei dieser Behauptung , ach den Ausführungen der Beklagten im Rahmen ihrer Anhörung um einen reinen Vortrag ins Blaue hinein. Kenntnis dazu, ob ihr Sohn zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzungshandlung Zugriff auf ihr Internet hatte, hat die Beklagte, wie sich aus ihrer Anhörung ergab, nicht. Substantiierte Umstände, die einen alternativen Geschehensablauf nahelegen, oder es möglich erscheinen lassen und geeignet sind, die tatsächliche Vermutung, dass die Verletzung von ihr als Inhaberin des Internetanschlusses begangen wurde, zu widerlegen, sind von der Beklagten nach oben Gesagtem nicht vorgetragen.

    Auch die Behauptung der Beklagten, sie sei am [Datum] nicht zu Hause gewesen, vermag diese tatsächliche Vermutung nicht zu widerlegen. Gerichtsbekannt ist die gleichzeitige Anwesenheit des Anschlussinhabers im Moment der festgestellten Verletzungshandlung nicht erforderlich, da die Verletzungshandlung bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Gang gesetzt worden sein kann. Eine ständige räumliche Anwesenheit während des Zeitpunktes der Verletzungshandlung ist nicht erforderlich.

    Dass das WLAN-Netz der Beklagten durch ein Passwort geschützt und damit gegen unbefugte Verwendung durch Dritte gesichert war, vermag die Täterschaftsvermutung zu Lasten der Beklagten gleichfalls nicht zu entkräften, denn hiermit legt die Beklagte keine möglichen alternativen Geschehensabläufe dar, sondern schließt einen solchen vielmehr aus.

    Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2016 nochmals Beweis dafür angeboten hat, dass ihr Sohn die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen hat und am Verletzungstag Zugriff auf das Internet hatte, war diesem Beweisangebot nicht nachzugehen, nachdem der Sohn der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2015 die Aussage hierzu verweigert hat. Einem erneuten Antrag auf Vernehmung eines Zeugen, der von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gebraucht gemacht hat, ist nur stattzugeben, wenn bestimmt anzunehmen ist, dass er nunmehr bereit ist, auszusagen. Diese Voraussetzung hat die antragende Partei vorzutragen und zu belegen, in der Regel durch eine schriftliche Erklärung des Zeugen. Alleine ein entsprechender Antrag durch die antragende Partei, wie vorliegend, ist hierzu nicht ausreichend.

    Doch zur Überzeugung des Gerichtes von der Beklagten begangene Urheberrechtsverletzung war auch schuldhaft im Sinne des § 97 Abs 2 Satz 1 Urhebergesetz. Nachdem die Beklagte die Vermutung ihrer Täterschaft nicht entkräften konnte, ist anzunehmen, dass sie das streitgegenständliche Werk heruntergeladen und zumindest zeitweise auch selbst zum Download angeboten hat, Der Download eines urheberrechtlich geschützten Werkes über Tauschbörse erfordert mehrere aktive Willensentscheidungen, so dass insoweit Vorsatz anzunehmen ist. Hinsichtlich des Anbietens des heruntergeladenen Werkes zum Download handelte die Beklagte dabei zumindest fahrlässig, denn dass das heruntergeladene Werk zugleich als Download angeboten und damit weiterverbreitet werden kann, ist auch aus der Programmoberfläche deutlich ersichtlich und ein mögliches Abschalten dieser Funktion durch die Beklagte ist nicht erfolgt.

    Die geltend gemachte Lizenzentschädigung ist der Höhe nach begründet. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 3 Urhebergesetz kann der Umfang des zu entsetzenden Schadens anhand der hypothetischen Lizenzierung gegenüber der Beklagten erfolgen Danach kann der Schaden auch in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr berechnet werden. Aufgrund der zahlreichen gleich gelagerten Verfahren und das sich hieraus ergebenden hinreichenden eigenen Sachkunde des Gerichtes schatzte das Gericht die angemessene Lizenz gemäß § 287 ZPO angesichts des hierzu substantiierten Sachvortrags der Klägerin gemäß § 287 ZPO auf 600,00 EUR.

    Der Klägerin steht gegen die Beklagte im Weiteren auch ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 506,00 EUR zu, die ihr im Zusammenhang mit der Abmahnung vom 17.01.2013 entstanden sind (§ 97a Abs. 1 Satz 2 Urhebergesetz in der zum Verletzungszeitpunkt gültigen Fassung i.V.m. den §§ 689, 670, 677 BGB). Die Abmahnung hinsichtlich des mit Abmahnung verfolgten Unterlassungsanspruch war berechtigt, da ein Anspruch nach den §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 19a, 2 Nr. 6 Urhebergesetz bestand. Die Klägerin ist ihrem gesetzlichen Auftrag zur Schadensminderung in nicht rechtsmissbräuchlicher Weise nachgekommen. Dabei ist es nicht als verwerflich anzusehen, wenn die Klägerin wegen einer Vielzahl von Urheberrechtsverletzungshandlungen auch eine Vielzahl von Abmahnungen verschickt.

    Eine summenmäßige Begrenzung nach § 97a Abs. 2 Urhebergesetz alte Fassung kommt nicht in Betracht, denn bei der durch die Beklagte begangenen Rechtsverletzung handelt es sich nicht um eine nur unerhebliche Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs in einem einfach gelagerten Fall. Unerheblich ist eine Rechtsverletzung nur dann, wenn sie weder qualitativ noch quantitativ nur geringfügig nachteilige Folgen für den Rechtsinhaber hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Anbieten von urheberrechtlich geschützten Werken zum Download für eine bestimmte Zahl von Personen außerhalb des geschäftlichen Verkehrs anzusiedeln ist. Denn angesichts der exponentiellen Vervielfältigung des zur Verfügung gestellten Werk und der damit einhergehenden Minderung des Erwerbsanreizes für eine Vielzahl von potenziellen Kunden, die die Beklagte jedenfalls in Kauf nimmt, um ihrerseits entgeltfrei in de Besitz des geschützten Werkes zu kommen, ist von einem Fall einer qualitativ unerheblichen Urheberrechtsverletzung nicht mehr auszugehen.

    Die Höhe des den vorgerichtlichen Anwaltskosten zugrunde gelegten Gegenstandswertes hinsichtlich des Unterlassungsanspruches ist zuletzt nicht unverhältnismäßig. Die mit 1,3 angesetzte Geschäftsgebühr entspricht durchschnittlichem Arbeitsaufwand und kann entsprechend auch bei einfach gelagerten Fällen, die über ein standardisiertes Arbeitsvorgehen betrieben werden können, angesetzt werden. Der angesetzte Gegenstandswert von 10.000,00 EUR, der sich am Unterlassungsinteresse des Rechteinhabers orientieren soll, entspricht den insoweit üblichen Streitwertfestsetzungen in vergleichbaren Verfahren. Die erst nachträglich eingeführte Deckelung des zulässigen Gegenstandswertes bei Abmahnung im § 97a Abs. 3 Satz 2 Urhebergesetz greift hier nicht zu Gunsten der Beklagten ein, denn die maßgebliche Rechtsverletzung erfolgte vor der Gesetzesänderung am 09.10.2013.

    Dahinstehen bleiben kann, ob die Klägerin die geltend gemachten Anwaltskosten bereits an ihr Prozessbevollmächtigte bezahlt hatte, da sie jedenfalls einem entsprechenden Gebührenanspruch ausgesetzt ist.

    Der geltend gemachte Zinsanspruch ist nach den §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs 1 Satz 2, begründet.

    Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. (...)


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.05.2016, Az. 31 C 2837/15 (74),
sekundäre Darlegungslast,
Behauptungen ins Blaue hinein,
Klage Waldorf Frommer,
WALDORF FROMMER Rechtsanwälte,
Rechtsanwältin Linda Haß,

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10714 Beitrag von Steffen » Freitag 17. Juni 2016, 09:57

Hallo @Mistreaded,

schau einfach einmal das Urteil über dir genauer an. Hier findest Du alles, was man benötigt sowie was meine Argumentation stützt - insbesondere von dem gemäßigten AG FAM.

VG Steffen

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LG Hannover, Az. 18 O 44/16

#10715 Beitrag von Steffen » Sonntag 19. Juni 2016, 10:23

.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR: Landgericht Hannover - Haftung des Anschlussinhabers bei Mehrfachabmahnungen. Haftung besteht selbst dann, wenn der Wohnort des Anschlussinhabers und der Ort, an dem der Internetanschluss angemeldet ist und betrieben wird, auseinander fallen.


10:20 Uhr


Hannover/ Hamburg, 19.06.2016 (eig.). Der Anschlussinhaber eines Internetanschlusses haftet jedenfalls als Störer, wenn er nach mehrfach vorangegangenen Abmahnungen wegen einer Verletzung am Werk eines Rechteinhabers mittels Tauschbörse im Internet in Anspruch genommen wird. Dies hat das Landgericht Hannover geurteilt.


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Bild

Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz



.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR

Johannes-Brahms-Platz 1 | 20355 Hamburg
Telefon +49 (040) 5 50 06 05 0 | Telefax +49 (040) 5 50 06 05 55
E-Mail kanzlei@rka-law.de | Web www.rka-law.de



Bericht

Link:
http://rka-law.de/filesharing/lg-hannov ... mahnungen/

Urteil als PDF:
http://rka-law.de/wp-content/uploads/20 ... -44-16.pdf



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


Die Haftung besteht selbst dann, wenn der Wohnort des Anschlussinhabers und der Ort, an dem der Internetanschluss angemeldet ist und betrieben wird, auseinander fallen. Dies hat das Landgericht Hannover entschieden (LG Hannover, Urt. v. 06.06.2016, Az. 18 O 44/16).

Zwar ergibt sich eine Haftung als Störer nicht einschränkungslos sondern nur bei der Verletzung von Prüfpflichten; indes sei dies gegeben, denn "vorangegangene Vorwürfe illegaler Nutzung des von der Beklagten für den Enkel finanzierten Internetzugangs gab es bereits zuvor. So bezieht sich auch die Beklagte bspw. auf den vor dem Amtsgericht Hannover wegen vorangegangener Anlässe zu Abmahnungen von der Klägerin geführten Rechtsstreit (...) . Des weiteren ist unstreitig, dass die Beklagte von der Klägerin eine Mehrzahl von Abmahnschreiben erhielt.", so die Hannoveraner Richter.

Demgemäß verurteilten sie die Anschlussinhaberin zur Unterlassung und zur Übernahme der Anwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 20.000,00 EUR.

"All dies hätte vermieden können, wenn sich namentlich der Nutzer des Internetanschlusses - wohl der Enkel der Beklagten - mindestens nach der ersten Abmahnung rechtstreu verhalten und eine außergerichtliche Lösung versucht hätte", so Rechtsanwalt Nikolai Klute von .rka Rechtsanwälte. So aber hat allein der Rechtsstreit bei der Dame mehr als 5.000,00 EUR an Prozesskosten verursacht. Der Enkel wird's ihr danken.






LG Hannover, Urteil vom 06.06.2016, Az. 18 O 44/16


  • (...)
    - Abschrift -


    Landgericht Hannover


    Verkündet am: 06. Juni 2016
    Geschäfts-Nr.: 18 O 44/16

    [Name], Justizangestellte
    als Urkundsbeamtin/beamter der Geschäftsstelle


    Im Namen des Volkes!


    Urteil


    In dem Rechtsstreit


    [Name]
    Klägerin,

    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute, Johannes Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,
    Geschäftszeichen: [Gz.]



    gegen


    Frau [Name]
    Beklagte,

    Prozessbevollmächtigte: [Name]


    hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2016 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], den Richter am Landgericht [Name] und die Richterin am Landgericht Dr. [Name]

    für Recht erkannt:

    • 1. Die Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verurteilt, es zu unterlassen,

      • Dritten zu ermöglichen, das Computerspiel "[Name]" ohne Einwilligung der Klägerin über den eigenen Internetanschluss in Peer-to-Peer-Netzwerken zum Herunterladen bereitzuhalten.

      2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 859,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.08.2013 zu zahlen.

      3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

      4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.




    Tatbestand

    Die Klägerin macht urheberrechtliche Ansprüche geltend.

    Sie wirft der Beklagten vor, Ende 2012 über den Internetanschluss der Beklagten das im Jahr 2011 erstveröffentlichte Computerspiel "[Name]" gemäß der Auflistung auf Seiten 11-12 der Klageschrift mehrmals zum Download bereitgehalten zu haben unter Verwendung eines (kostenlosen) BitTorrent-Clients, mithin der Nutzer bei laufendem Download der Daten des Spiels selbst zu einer Download-Quelle für andere wurde.

    Die Beklagte war Vertragspartnerin des Serviceproviders und stellte den Anschluss ihrem Enkel zu Verfügung.

    Die Klägerin behauptet, Inhaberin eines exklusiven Entwicklungs- und Vertriebsvertrags zu sein. Wegen der Einzelheiten ihres Vortrags wird auf Seite 1 der Klageschrift sowie auf Seiten 2-11 der Replik nebst Anlagen verwiesen.

    Die Klägerin bezieht sich auf von der Fa. [Name] im Peer-to-Peer-Netzwerk ermittelte IP-Adressen und die Feststellung der Beklagten als Inhaberin der IP-Adressen über ein Auskunftsverfahren gern. § 101 Abs. 9 UrhG bei dem Internetdiensteanbieter. Wegen der Zuordnung verweist die Klägerin auf das Anlagenkonvolut K 6. Wegen der Einzelheiten dieser Feststellungen wird auf das Vorbringen der Klägerin auf Seiten 13-22 des Schriftsatzes vom 31.03.2016 Bezug genommen.

    Die Beklagte wurde mit vorgerichtlichem Anwaltsschreiben vom 05.08.2013 abgemahnt und erfolglos aufgefordert, eine klaglosstellende Unterlassungserklärung abzugeben. Des Weiteren macht sie Erstattung von Abmahngebühren in Höhe von 859,80 EUR, ausgehend von einem Streitwert von 20.000,00 EUR geltend.


    Die Klägerin beantragt,
    die Beklagte zu verurteilen wie erkannt.


    Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.


    Sie macht geltend, [Name Beklagte] unter der Anschrift L[...] 1 in [Ort] zu wohnen, demgegenüber ist - unstreitig - die Abmahnung an die Adresse G[...] in S[...] erfolgt; diese habe sie "über ihr bekannte Dritte" erhalten. Sie habe noch nie einen Computer, einen Internetanschluss oder dergleichen in ihrer Wohnung für Dritte vorgehalten, auch nicht über die Adresse G[...]. Sie habe keine genauere Vorstellung davon, was Internet bedeute. Sie habe den Anschluss lediglich einem Dritten finanziert. Im Verlauf des Rechtsstreits teilte die Beklagte mit, dass es sich bei dem Dritten um ihren Enkel handelt.

    Wegen des weiteren Parteivorbringens im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet.

    Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung und auf Zahlung von Abmahnkosten gern. §§ 97, 97a UrhG wegen der Angebote vom
    13.12.2012,
    14.12.2012,
    15.12.2012,
    17.12.2012,
    18.12.2012 und
    21.12.2012 zum Download des Computerspiels "[Name]".

    Die Beklagte haftet nicht unmittelbar als Täterin oder Teilnehmerin.

    Zwar spricht, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH BGHZ 185, 330 - "Sommer unseres Lebens" -), und dies trifft nach den substantiiert dargelegten Ermittlungen der Klägerin auf die Beklagte als die auch nach ihrem eigenen Vorbringen - Vertragspartnerin des Internetproviders zu.

    Im Übrigen hat die Beklagte keinen konkreten Anhaltspunkt für eine Fehlzuordnung oder mangelnde Funktionsfähigkeit aufgezweigt, sodass mangels vernünftiger Zweifel die Richtigkeit der IP-Adressenermittlung anzunehmen ist (vgl. bspw. BGH NJW 2016, 942 ff. - "Tauschbörse I" -).

    Diese tatsächliche Vermutung ist jedoch im Streitfall entkräftet, da die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter - der Enkel der Beklagten - und nicht auch die Beklagte als Anschlussinhaberin den Internetzugang für die behaupteten Rechtsverletzungen genutzt hat.

    Auch ist die Beklagte nicht als Inhaberin des Internetanschlusses unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung einer Gefahrenquelle zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und zur Erstattung von Abmahnkosten verpflichtet. Der Betrieb eines Internetanschlusses allein genügt nicht; für eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung müssen die Merkmale eines der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrechts erfüllt sein (BGHZ 185, 330 - "Sommer unseres Lebens" -). In Betracht kämen hierfür die § 19a UrhG, § 85 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 UrhG und § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, deren Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt sind.

    Soweit eine Haftung der Beklagten als Teilnehmerin von möglicherweise von ihrem Enkel begangenen Urheberrechtsverletzungen in Betracht kommen könnte, hat die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht Umstände vorgetragen, die auf einen Vorsatz der Beklagten schließen lassen.

    Die Beklagte haftet jedoch als Störerin.

    Als Störerin kann gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog bei der Verletzung absoluter Rechte derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH GRUR 2011, 152). Für eine Haftung des Störers gilt allerdings einschränkend die Voraussetzung, dass er zumutbare Verhaltenspflichten, insbesondere Prüfpflichten verletzt hat. Dabei richtet sich das Vorliegen einer Prüfpflicht nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des in Anspruch Genommenen mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, die die Rechtsgutverletzung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 185, 330 - "Sommer unseres Lebens" -; BGH GRUR 2011, 1038).

    Des Weiteren gilt nach der Rechtsprechung einschränkend, dass Prüfpflichten nicht bestehen, wenn es nicht einen besonderen Anlass gibt, die Internetnutzung volljähriger Mitnutzer auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu überwachen (BGHZ 185, 330 - "Sommer unseres Lebens" -; BGH NJW 2013, 1441 - "Morpheus" -). Genau einen solchen Anlass gab es für die Beklagte vorliegend. Vorangegangene Vorwürfe illegaler Nutzung des von der Beklagten für ihren Enkel finanzierten Internetzugangs gab es bereits zuvor. So bezieht sich auch die Beklagte bspw. auf den vor dem Amtsgericht Hannover wegen vorangegangener Anlässe zu Abmahnungen von der Klägerin geführten Rechtsstreit 524 C 9788/14. Des Weiteren ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte von der Klägerin eine Mehrzahl von Abmahnschreiben erhielt. Streitig ist insoweit zwischen den Parteien lediglich, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Aufklärungspflicht dergestalt hatte, dass sie nicht unter der Adresse "7[...]" oder "G[...]" gewohnt habe und keinen eigenen Internetanschluss in der von ihr bewohnten Wohnung unterhielt; dieser Streit ist nicht entscheidungserheblich.

    Die für eine Verurteilung zu einer Unterlassung vorausgesetzte Wiederholungsgefahr ist aufgrund der Rechtsverletzungen indiziert, und sie ist mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht weggefallen.

    Die Berechnung der aus § 97a UrhG begründeten Kosten für die Abmahnung aus dem Jahr 2013 mit einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach § 13 RVG, W 2003 nach einem Gegenstandswert von 20.000,00 EUR ist nicht zu beanstanden.

    Der Anspruch der Klägerin auf Verzinsung beruht auf §§ 280, 284, 286 BGB. Der Zinsbeginn folgt aus der mit der Zahlungsaufforderung vom 05.08.2013 verbundenen Fristsetzung zum 16.08.2013.

    Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
    (...)




~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


LG Hannover, Urt. v. 06.06.2016, Az. 18 O 44/16,
.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR,
Rechtsanwalt Nikolai Klute,
Klage .rka Rechtsanwälte,
vertraglicher Anschlussinhaber,
sekundäre Darlegungslast,
mehrere vorangegangene Abmahnungen,
mehrere Abmahnungen,
Mehrfachermittlung,
Oma - Enkel,
Internet Gefahrenquelle,
Unterlassungsklage

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Recht:News

#10716 Beitrag von Steffen » Mittwoch 22. Juni 2016, 04:49

Recht:News




OLG Köln, Beschluss vom 20.04.2016, Az. 6 W 37/16: "The Walking Dead"

Quelle: JurPC Web-Dok. 92/2016, Abs. 1 - 26



OLG Köln, Beschluss vom 03.03.2016, Az. 6 W 21/16: "The Strange Art"

Quelle: JurPC Web-Dok. 93/2016, Abs. 1 - 8

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10717 Beitrag von Steffen » Mittwoch 22. Juni 2016, 15:18

Hallo @Mistreaded,

für mich - auch Großvater - ist traurig, dass Omi
a) einen äußerst schlechten Berater hatte
b) für das Finanzieren und Abschließen eines Internetvertrages für ihren volljährigen Enkel - warum auch immer - es von ihm so gedankt bekam

Diese Unterlassungsklage war völlig unnötig! Ich hatte schon mehrmals darauf hingewiesen, das in den Jahren die unterschiedlichsten Konstellationen gab.
a) Mutter (wohnhaft im Westen der Stadt) richtet für ihre volljährige Tochter (wohnhaft im Osten der Stadt) einen Internetzugang ein und bezahlt diesen. Lebensgefährte der Tochter betrieb intensiv Filesharing; Mutter erhält mehrere Abmahnungen
b) Nachbar lässt den (minderjährigen) Nachbarsjungen für ein kleines Entgelt seines Taschengeldes mitsurfen. Nach Erhalt von Abmahnungen - war es niemand.
c) Großeltern richten für ihre Enkel einen Internetzugang ein, nutzen ihn aber selbst nicht usw. usf.

Bei allen ist aber gleich, und hier gilt nicht menschlich Verständliches sondern die rechtlichen Anforderungen ...
... der Anschlussinhaber schafft mit Inbetriebnahme des Internetzuganges eine Gefahrenquelle. Hieraus erwachsen bestimmte (zumutbare) Prüfpflichten. Sowie, durch die ermittelte, beauskunftete und zugeordnete IP-Adresse zu einem bestimmten Internetzugang steht eine tatsächliche Vermutung im Raum, dass einmal der Verstoß über den Anschluss aus ging und andermal der (vertragliche) Anschlussinhaber dafür zur Verantwortung gezogen werden kann.

Natürlich war in diesem rka.-Fall erschwerend, das Omi schon vorab mehrere Abmahnungen erhielt. Wie gesagt, hatte Omi hier eine äußerst schlechten Berater.


[quoteemMistreaded](...) Ich will aber auf die Ermittlungsmethoden hinaus, denn da fängt der ganze Quatsch an und dazu muss man mal genauer untersuchen. Swarm bei Torrent oder war es Emule, bei Emule gibt es diesen Swarm nicht, mal nur als Beispiel. Gibt es denn andere? In einem Livestream kann man sich ja auch gewisse Dinge ansehen, aber Musik finde ich überall im Netz. (...)[/quoteem]

Wir sollten schon einmal strikt trennen, zwischen Filesharing (P2P) und Streaming. Dann muss ich dir auch ein Zitat des angesprochenen Urteils ans Herz legen.

(...) Im Übrigen hat die Beklagte keinen konkreten Anhaltspunkt für eine Fehlzuordnung oder mangelnde Funktionsfähigkeit aufgezeigt, sodass mangels vernünftiger Zweifel die Richtigkeit der IP-Adressenermittlung anzunehmen ist (vgl. bspw. BGH NJW 2016, 942 ff. - "Tauschbörse I" -). (...)

Ich möchte jetzt nicht wieder alles aufwärmen, aber in einer Verteidigungsstrategie unterteilt man den naturwissenschaftlichen Teil und den juristischen.

Naturwissenschaftlicher Teil

1) Beweiskette
a) IP-Ermittlung
b) IP-Übermittlung/-Übertragung
c) IP-Beauskunftung (§ 101 IX UrhG)
aa) IP-Übermittlung/-Übertragung
ab) IP-Zuordnung durch Provider
ac) IP-Beauskunftung Provider - Abmahner


2) Logfirma
a) verwendete Software
b) bestehende (Privat- / Gerichts-) Gutachten zur Software / IP-Ermittlung
c) eidesstattliche Erklärungen der den Logvorgangs überwachenden Mitarbeiters der Logfirma
d) Technische Daten des Logs (Hashwert, IP-Adresse, Datum)

3) internetfähige Endgeräte
a) Absicherung (Hardware / Software)
b) vorhandene/nichtvorhandene P2P-Software bzw. -Client
c) vorhandener/nichtvorhandener Streitgegenstand


.....


Juristischer Teil
a) Rüge der örtlichen Zuständigkeit
Beachte:
aa) mit Inkrafttreten des GguGpr (09.10.2013) wurde der "fliegende Gerichtsstand" abgeschafft
ab) siehe hierzu §§ 104a, 105 UrhG
b) Aktivlegitimation
Hinweis:
aa) Ist der Kläger berechtigt, verfügt er über die notwendige Rechte abzumahnen und zu Klagen
c) substantiierter Sachvortrag zu den Vorwürfen
Hinweis: Detailliertheit (und Plausibilität) eines Vortrages
d) Passivlegitimation/Beweislastverteilung
aa) Beweiskraft
e) Entkräftung Störerhaftung
f) Entkräftung Täterschaft bzw. Teilnahme
g) Anwaltskosten
h) Sonstiges

Grundsätze:
1) Gleichheitsprinzip:
Jede Partei (Kläger/Beklagter) beweise, was ihm zum Vorteil gereicht und seinen Anspruch stützt oder den gegnerischen Anspruch hindert
2) Behauptung ist ein Tatsachenvortrag.
Dieser muss bewiesen werden. Der Beweis ist erbracht, wenn die behauptete Tatsache zur Überzeugung des Gerichtes feststeht.
3) Tatsachenbehauptungen der Klägerseite, die der Beklagte nicht bestreitet, gelten als zugestanden und werden vom Gericht als "wahr" unterstellt.


Solltest Du - wie in deinen Postings - den Hauptaugenmerk auf den naturwissenschaftlichen Teil legen wollen, musst du dir im Klaren sein,
a) jedes pauschales Bestreiten oder allgemeine Vorträge zu P2P können als Behauptungen ins Blaue oder unsubstantiiert eingeordnet werden und sind damit unbeachtlich
b) ist aus deinem Sachvortrag eine gewisser Sachverhalt unklar - seitens des Richters oder wird seitens des Klägers bestritten - geht es in Richtung unabhängiges Sachverständigengutachten. Das bedeutet, der Richter legt fest, was geklärt werden soll; die beweiserbringende Partei zahlt den Kostenvorschuss; der Verlierer zahlt alles

Meine persönliche Meinung, wenn man seinem Hauptaugenmerk auf den naturwissenschaftlichen Teil legt, sollte man schon etwas konkretes auf der Hand haben, was man auch nachweisen kann. Ansonsten ist es nur zelebrieren von tristen "bunten Tüten".

VG Steffen

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AG Frankfurt a.M., Az. 30 C 2879/15 (68)

#10718 Beitrag von Steffen » Donnerstag 23. Juni 2016, 19:54

WALDORF FROMMER: Keine erfolgreiche Verteidigung Tauschbörsenverfahren durch bloße Behauptung der Zugriffsmöglichkeit Dritter - Amtsgericht Frankfurt verurteilt Abgemahnten in voller Höhe


19:50 Uhr


Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Musikaufnahmen. In dem Verfahren hatte die geschädigte Rechteinhaberin Klage wegen der unlizenzierten Verbreitung eines urheberrechtlich geschützten Musikalbums vor dem Amtsgericht Frankfurt erhoben. Sämtliche Versuche, sich im Vorfeld gütlich zu einigen, waren erfolglos geblieben.



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

Beethovenstraße 12 | 80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10 | Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de | Web: www.waldorf-frommer.de




Bericht

Link:
http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... ler-hoehe/

Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-conte ... 915_68.pdf


Autorin:
Rechtsanwältin Eva-Maria Forster



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~



Unter Bezugnahme auf die aktuelle Entscheidung des Oberlandesgericht München (Urteil vom 14.01.2016, Az. 29 U 2593/15) hat das Amtsgericht Frankfurt am Main der Klage voll stattgegeben.

Der Beklagte hatte zu seiner Verteidigung eingewandt, er habe die Rechtsverletzung nicht begangen und seine Kinder sowie seine Ehefrau hätten zum streitgegenständlichen Zeitpunkt Zugriff auf den Internetanschluss gehabt. Im Rahmen einer umfangreichen und mit weiteren Kosten verbundenen Beweisaufnahme mit sämtlichen Familienmitgliedern konnte die Beklagtenseite einen Zugriff der weiteren Familienmitglieder zum streitgegenständlichen Tatzeitraum nicht beweisen.

Vielmehr stritten alle Familienmitglieder eine Begehung der Tat ab und konnten teilweise keine Angaben zum konkreten Zeitraum machen. Damit kam keiner der Zeugen konkret als Täter der Rechtsverletzung in Betracht. Der Beklagte kam damit seiner innerfamiliären Nachforschungspflicht nicht nach. Er hätte sich nicht mit einem Abstreiten der Rechtsverletzung durch seine Familienmitglieder zufrieden geben dürfen, sondern selbst weitere Nachforschungen anstellen müssen. Die ihm obliegende sekundäre Darlegungslast konnte der Beklagte somit nicht erfüllen.

"Die pauschale Behauptung der theoretischen Möglichkeit des Zugriffs Dritter verbunden mit der Auskunft, diese hätten die Urheberrechtsverletzung selbst nicht eingeräumt und der fehlenden Überprüfung der Geräte auf entsprechende Dateien und Software reicht zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast nicht aus. Damit oblag es dem Beklagten als Anschlussinhaber zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung, den Beweis zu führen, dass auch andere als Täter in Betracht kommen. Dies ist ihm nicht gelungen.", so das Gericht in seiner Urteilsbegründung.

Da dem Amtsgericht Frankfurt am Main die bloß theoretische Zugriffsmöglichkeit der Familienmitglieder nicht ausreichte, wurde der Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Schadenersatz, Erstattung der Rechtsverfolgungskosten sowie der Übernahme der vollen Kosten des Rechtsstreits, insgesamt zu [Kostenhöhe] EUR, verurteilt.






AG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.02.2016, Az. 30 C 2879/15 (68)

  • (...)
    Amtsgericht Frankfurt am Main
    Aktenzeichen: 30 C 2879/15 (68)



    Verkündet lt. Protokoll am:
    10.03.2016

    [Name] Justizangestellte
    Urkundsbeamtin-/beamter der Geschäftsstelle


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Rechtsstreit

    [Name],
    - Klägerin -

    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstr. 12, 80336 München, Geschäftszeichen: [Gz.],


    gegen


    [Name],
    - Beklagter -

    Prozessbevollmächtigter: [Name], [Anschrift], Geschäftszeichen: [Gz.],


    hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die Richterin am Amtsgericht [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2016

    für Recht erkannt:

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 450,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2014 sowie weitere 506,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2014 zu zahlen.

    Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.




    Tatbestand:

    Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz und Abmahnkosten wegen der behaupteten Verbreitung des Musikalbums "[Name]" von [Name] über ein Filesharing-Netzwerk.

    Der Kläger ist im Hersteller- bzw. Urhebervermerk ausdrücklich als Rechteinhaber ausgewiesen.

    Unter dem [Name] (vgl. Anlage K4-1, BI. 46 ff. d.A.) mahnte die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, den Beklagten wegen eines nach Ermittlungen der von ihr beauftragten ipoque GmbH am [Datum] über das Filesharingnetzwerk BitTorrent begangenen Urheberrechtsverstoßes bezüglich des obengenannten Albums ab, nachdem die Deutsche Telekom AG aufgrund des Beschlusses des LG Köln vom [Datum] Az. [Az.] die Auskunft erteilt hatte, dass die IP, von der aus die Datei vom Download angeboten wurde, zum Zeitpunkt des Angebots dem Beklagten zugeordnet war.

    Zwischenzeitlich ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der angegebenen Filehashwert das bezeichnete Musikalbum bezeichnet.

    Der Beklagte gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

    Sein Internetanschluss ist WPA2 verschlüsselt und mit einem 26-stelligen alphanumerischen Passwort gesichert.


    Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe am [Datum] von [Uhrzeit] bis [Uhrzeit] Uhr das Album durch Bereithalten zum Download in den Tauschbörse BitTorrent unerlaubt öffentlich zugänglich gemacht. Ihr stehe als Schadensersatz eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von mindestens 450,00 EUR sowie der Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 506,00 EUR zu, wobei die Höhe der Abmahnkosten sich aus einem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR und dem Ansatz einer 1,0-fachen Geschäftsgebühr ergebe.


    Die Klägerin beantragt,
    • 1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, der jedoch insgesamt nicht weniger als 450,00 EUR betragen solle, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.08.2014 sowie
      2. 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.08.2014 zu zahlen.


    • Der Beklagte beantragt,
      die Klage abzuweisen.

    Er behauptet, ihm sei das Werk völlig unbekannt. Es befinde sich nicht auf einem seiner Endgeräte und habe sich dort auch nie befunden. Er nutze das Internet ausschließlich zu Informationsgewinnung und habe noch nicht einmal einen E-Mail-Account. An Filesharing-Netzwerken nehme er schon wegen mangelnder technischer Kenntnis nicht teil. Zum Tatzeitpunkt hätten neben ihm sowohl seine Ehefrau, die Zeugin [Name] sowie seine volljährigen Kinder, die Zeugin [Name] und der Zeuge [Name] seinen Anschluss genutzt.

    Damit sei die Vermutung, er als Anschlussinhaber habe die Urheberrechtsverletzung begangen, widerlegt.

    Auch als Störer hafte er nicht, denn er habe die vorgenannten Personen bereits vor Erhalt der Abmahnung darüber belehrt, dass sämtliche Rechtsverletzungen im Internet, insbesondere die Nutzung von Internettauschbörsen, zu unterlassen seien.

    Nach Erhalt der Abmahnung habe er seine Frau und seine Kinder zu den Vorwürfen der Klägerin befragt. Alle hätten versichert, weder das Musikalbum zu kennen noch überhaupt in Internettauschbörsen aktiv zu sein.

    Mit Nichtwissen bestreitet er, dass die Klägervertreter ihre vorgerichtliche Tätigkeit auf der Basis des RVG abgerechnet und diese den Betrag von 506,00 EUR an die Kläger gezahlt haben.

    Im Übrigen sei der Ansatz eines Gegenstandswerts von 10.000,00 EUR überhöht, weiterhin greife die Begrenzung auf 100,00 EUR nach § 97a UrhG a.F.



    Entscheidungsgründe:

    Die Klage ist zulässig, die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main ergibt sich aus §§ 104, 105 UrhG i.V.m. 35 Ziff. 1 lit. a. JuZuV Hessen.

    Die Klage ist auch vollumfänglich begründet.


    1.

    Die Klägerin kann zunächst von dem Beklagten Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 UrhG in Höhe von 450,00 EUR verlangen. Dass das Verfahren zur Ermittlung der IP-Adresse korrekt ablief sowie dass sich hinter dem angegebenen Hashwert das Album verbirgt, hinsichtlich dessen die Klägerin die Verwertungsrechte innehat, ist zwischen den Parteien nicht streitig.

    Im vorliegenden Fall ist von der Täterschaft des Anschlussinhabers, also des Beklagten, auszugehen.


    a.

    Insoweit hat das OLG München in seiner Entscheidung vom 14.01.2016, Az. 29 U 2593/15, unter Berücksichtigung des Urteils des BGH vom 11.06.2015, Az. I ZR 75/14 ("Tauschbörse III") zum Anschein der täterschaftlichen Begehung sowie zur sekundären Darlegungslast des Beklagten wie folgt ausgeführt:
    • "aa) Für den Nachweis der Täterschaft in Filesharing-Fällen gelten folgende Grundsätze:

      (1) Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen eines geltend gemachten Schadensersatzanspruchs erfüllt sind, trägt nach den allgemeinen Grundsätzen der Anspruchsteller; danach ist es grundsätzlich seine Sache nachzuweisen, dass der in Anspruch Genommene für die von ihm behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist. Wenn allerdings ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers (vgl. BGH GRUR 2013, 511 - "Morpheus" Tz. 33; GRUR 2010, 633 - "Sommer unseres Lebens" Tz. 12). Halten mehrere Personen, etwa - wie im Streitfall - Eheleute, den Internetanschluss mit der betreffenden IP-Adresse gemeinsam, so gilt die Vermutung zulasten aller Anschlussmitinhaber (vgl. BGH, a. a. 0., - "Morpheus" Tz. 33 a. E.).

      Eine tatsächliche Vermutung begründet einen Anscheinsbeweis (vgl. BGH NJW 2012, 2435 Tz. 36; NJW 2010, 363 Tz. 15; NJW 1993, 3259; jeweils m. w. N.), zu dessen Erschütterung nicht allein der Hinweis auf die Möglichkeit eines anderen Verlaufs genügt; es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, ausdehnen sich die ernste Möglichkeit eines anderen als des vermuteten Verlaufs ergeben soll, die gegebenenfalls vom Beweisgegner zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden müssen (vgl. BGH NJW 2012, 2435 Tz. 36; Beschl. v. 6. Juli 2010 - XI ZR 224/09, juris, Tz. 10; NJW 1993, 3259; NJW 1991, 230 [231]; Greger in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, vor § 284 Rz. 29; Bacher in: Vorwerk / Wolf, Beckscher Online Kommentar, ZPO, Stand 1. September 2015, § 284 Rz. 98; Foerste in: Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 286 Rz. 23; Reichold in: Thomas / Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 286 Rz. 13; Rinken in: Cepl / Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2015, § 286 Rz. 60; Prütting in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 286 Rz. 65).

      (2) Voraussetzung für das Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses ist allerdings nicht nur das Vorliegen einer Verletzungshandlung, die von diesem Internetanschluss ausging, sondern - im Falle der hinreichenden Sicherung des Anschlusses - auch, dass der Anschluss nicht bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 2015 - I ZR 75/14, juris, - "Tauschbörse III" Tz. 37; ähnlich BGH GRUR 2014, 657 - "BearShare" Tz. 15; unklar BGH, a. a. 0., - "Morpheus" Tz. 34, wo ausgeführt wird, dass die tatsächliche Vermutung in jenem Fall "entkräftet" und "erschüttert" sei, weil die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt habe).

      Will sich der Anspruchsteller auf die tatsächliche Vermutung stützen, so obliegt es grundsätzlich ihm, deren Voraussetzungen darzulegen und nötigenfalls zu beweisen. Jedoch trifft in diesen Fällen den Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast, der er nur genügt, wenn er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen; in diesem Umfang ist er im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Diesen Anforderungen wird die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Anschlussinhabers lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss nicht gerecht (vgl. BGH, a. a. 0., - "Tauschbörse III" Tz. 37 und 42).

      Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache des Anspruchstellers, die für eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (vgl. BGH, a. a. 0., - "Tauschbörse III" Tz. 37 a. E.); dazu muss er entweder beweisen, dass entgegen dem substantiierten Vorbringen des Anschlussinhabers doch kein Dritter Zugriff auf den Anschluss hatte, und sich anschließend auf die dann geltende tatsächliche Vermutung berufen, oder er muss unmittelbar - ohne Inanspruchnahme der tatsächlichen Vermutung - die Täterschaft des Anschlussinhabers beweisen. Entspricht der Anschlussinhaber dagegen seiner sekundären Darlegungslast nicht, so ist zugunsten des Anspruchstellers dessen Vorbringen zugrunde zu legen (vgl. BGH NJW 2010, 2506 Tz. 26 m. w. N.), das die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers begründet. Dann muss zu deren Widerlegung der Anschlussinhaber den Beweis führen, dass auch andere als Täter in Betracht kommen.

      Sekundäre Darlegungslast und tatsächliche Vermutung stehen daher nicht einander ausschließend nebeneinander, sondern greifen wie folgt ineinander: Die sekundäre Darlegungslast betrifft die der Feststellung der Täterschaft vorgelagerte Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen, der Anschlussinhaber sei der Täter. Erst wenn der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast genügt, trifft den Anspruchsteller die Last der dann erforderlichen Beweise; genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dagegen nicht, .so muss er zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen."
    b.

    Nach diesen Grundsätzen ist von der Täterschaft des Beklagten auszugehen.

    Denn der Beklagte ist seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Tatsächlich hat er zwar vorgetragen, welche anderen Personen theoretisch wegen bestehender Mitnutzungsmöglichkeit als Täter in Betracht kommen könnten. Er ist dabei jedoch im Allgemeinen geblieben und hat sich darauf beschränkt, mitzuteilen, dass diese Personen grundsätzlich neben ihm die Nutzungsmöglichkeit hatten, ins Detail hinsichtlich des Verletzungszeitraums ist er insoweit nicht gegangen.

    Hinzu tritt, dass er sich im Rahmen seiner bestehenden Nachforschungspflichten darauf zurückgezogen hat, sich mit dem einfachen Abstreiten einer Begehung der Urheberrechtsverletzung durch die Mitnutzer zufriedenzugeben, ohne gegebenenfalls die genutzten Geräte einer Überprüfung zu unterziehen.

    Diese pauschale Behauptung der theoretischen Möglichkeit des Zugriffs Dritter verbunden mit der Auskunft, diese hätten die Urheberrechtsverletzung selbst nicht eingeräumt und der fehlenden Überprüfung der Geräte auf entsprechende Dateien und Software reicht jedoch zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast nicht aus.

    Damit oblag es dem Beklagten als Anschlussinhaber zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung, den Beweis zu führen, dass auch andere als Täter in Betracht kommen. Dies ist ihm nicht gelungen.

    Insoweit hat er behauptet, im gesamten Jahr [Jahreszahl] also auch im Tatzeitraum, hätten seine Frau und seine beiden volljährigen Kinder Zugriff auf den Anschluss gehabt. Die Beweisaufnahme hat jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass diese Personen tatsächlich zum Tatzeitpunkt Zugriff hatten.
    Hierbei dürfte ein Zugriff der Ehefrau des Beklagten, der Zeugin [Name] schon deshalb ausscheidet, weil diese nach eigenen Angaben den Computer gar nicht nutze, weil sie dies nicht könne. Sogar die vom Beklagten vorgetragene sporadische Nutzung durch Online-Shopping stritt sie ab.

    Die Tochter des Beklagten gab an, dass sie grundsätzlich auch von ihrer benachbarten Wohnung - entgegen dem Vortrag des Beklagten teilte sie mit, sie habe zum Tatzeitpunkt nicht mehr bei ihren Eltern gewohnt - über das WLAN Zugriff auf den Anschluss ihres Vaters gehabt habe. Am fraglichen Tag sei sie jedoch bei der Arbeit gewesen. Man habe in der Familie über die Abmahnung gesprochen, man sei aber davon ausgegangen, diese nicht ernst nehmen zu müssen, weil "man es nicht getan habe". Es soll hier nicht verkannt werden, dass körperliche Anwesenheit eines Alternativtäters zum exakten Zeitpunkt der Verletzungshandlung nicht erforderlich ist, da Filesharing-Vorgänge auch zu einem früheren Zeitpunkt gestartet und erst später aktiv werden können. In diesem Fall jedoch, in dem die Zeugin zum einen angibt, abwesend gewesen zu sein und zudem erklärt, sie selbst sei es jedenfalls nicht gewesen - denn die Verwendung des Wortes "man" schließt die Zeugin selbst mit ein - reichen die Angaben zur Widerlegung der Vermutung der Täterschaft des Beklagten nicht aus.

    Der Sohn des Beklagten, bei dem es sich wohl um den Hauptnutzer des Anschlusses handelt dürfte und der angab, das WLAN-Netz auch eingerichtet zu haben, hatte demgegenüber keine Erinnerung an den streitgegenständlichen Tag. Demzufolge konnte er auch nicht angeben, ob er Zugriff zum Anschluss hatte oder nicht. Zudem habe er die Verletzung jedenfalls nicht begangen. Damit verhält es sich ähnlich wie bei der Zeugin [Name] die mangelnde Fähigkeit, anzugeben, ob er überhaupt zugegen war verbunden mit dem Abstreiten der Tatbegehung ("... weil jeder gesagt hat, er wäre es nicht gewesen.", "Ich weiß aber, dass ich die Urheberrechtsverletzung nicht begangen habe") reicht zur Widerlegung der Vermutung der Täterschaft des Beklagten nicht aus.

    Auch gab der Zeuge [Name] zusätzlich an, dass auch Besuch manchmal mit mitgebrachten Geräten oder aber über die vorhandenen Geräte über das WLAN-Netz ins Internet gingen. Er konnte aber auf Nachfrage nicht angaben, ob er am [Datum] Besuch hatte oder nicht. Damit eröffnet dieser Teil der Aussage nicht die konkrete Möglichkeit einer Begehung durch andere, nur eine allgemeine, eher theoretische Möglichkeit. Auf die Frage, ob sich der Beklagte diese Aussage als Vortrag zu eigen gemacht hat, kommt es daher nicht mehr an.


    c.

    Die Höhe des geltend gemachten Lizenzschadens ist auf die als Mindestschaden beanspruchten 450,00 EUR zu schätzen.

    Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den verletzten Rechten um Rechte an einem gesamten Album, nicht lediglich an einem Einzeltitel handelte. Grundsätzlich werden von der Rechtsprechung im Fall des Filesharings hinsichtlich ganzer Alben auch deutlich höhere Beträge zuerkannt, hier jedoch ist nicht zu erkennen, dass das Album einen besonderen wirtschaftlichen Erfolg hatte, so dass ein über den geltend gemachten Mindestbetrag hinausgehender Schaden nicht zu erkennen ist.


    2.

    Weiterhin kann die Klägerin auch den Ersatz der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 3 UrhG vom Beklagten ersetzt verlangen.


    a.

    Es besteht insoweit ein Zahlungsanspruch, unabhängig von der Frage, ob die Klägerin die für die Abmahnung angefallenen Kosten bereits beglichen hat oder 'nicht. Denn die Beklagte hat die Zahlung verweigert. Damit wandelt sich ein eventuell nur bestehender Freistellungsanspruch jedenfalls in einen Zahlungsanspruch um. Die Voraussetzung der Rechnungsstellung nach § 10 RVG gilt nur im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant, nicht aber im Schadensersatzprozess.


    b.

    Auch der Höhe nach ist die Forderung nicht zu beanstanden. Die Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 10.000,00 EUR ist nicht überhöht, der Ansatz einer 1,0-fachen Gebühr begegnet keinen Bedenken. Vorliegend wurde wie bereits ausgeführt ein vollständiges Album, nicht etwa nur ein einzelner Musiktitel öffentlich zugänglich gemacht. Vor diesem Hintergrund entspricht der Ansatz eines Gegenstandswertes von 10.000,00 EUR dem allgemein Üblichen, vgl. z.B. LG München, Urteil v. 25.02.2015, Az. 21 S 7560/14; LG Frankfurt, Urteil v. 16.09.2013, Az. 2-06 0 277/13.


    c.

    § 97a Abs. 2 UrhG a.F. greift nicht. Es handelt sich bei Filesharing-Fällen schon nicht um einfach gelagerte Fälle, da der Verletzer stets erst mittels eines gerichtlichen Verfahrens ermittelt werden muss. Auch ist die Voraussetzung einer nur unerheblichen Rechtsverletzung in Filesharing-Sachen nicht erfüllt, da in diesen Fällen einer unbegrenzten Anzahl von potentiellen Downloadern das urheberrechtlich geschützten Werk zur Verfügung gestellt wird, wobei es sich vorliegend auch um mehrere Titel handelt.


    3.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.



    Rechtsbehelfsbelehrung

    Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem

    Landgericht Frankfurt am Main,
    Gerichtsstraße 2,
    60313 Frankfurt am Main.

    (...)




~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.02.2016, Az. 30 C 2879/15 (68),
sekundäre Darlegungslast,
Widersprüchliche Aussagen,
Klage Waldorf Frommer,
Rechtsanwältin Eva-Maria Forster,
Waldorf Frommer Rechtsanwälte,

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Steffen
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Empfohlene Vorgehensweise

#10719 Beitrag von Steffen » Samstag 25. Juni 2016, 21:38

Empfohlene Vorgehensweisen eines Abgemahnten:


Filesharing Abmahnung 2016

Vereinfachte laienhafte Zusammenfassung in komprimierter Form - ohne Chichi


Stand: 25.06.2016



Filesharing (P2P)

kostenloses Tauschen von Dateien innerhalb eines speziellen Netzwerks
- z.B. Film, Musik, Hörbuch, TV-Serien, Computer- bzw. Konsolen-Games

spezielle Software notwendig, die installiert und ggf. angepasst werden muss
- PC / Laptop / Tablet - Client bzw. sogenannter Tauschbörse (z.B. eMule, BitTorrent)
- Smartphone - TV-Apps mit P2P-Technologie (z.B. Popcorn Time, Cuevana.Tv)


Prinzip: Geben und Nehmen
- beim Herunterladen wird die entsprechende Datei gleichzeitig anderen Teilnehmer des Netzwerkes zum Upload angeboten (insgesamt und / oder / bzw. zu einem Teil)


Achtung
- das Benutzen einer Tauschbörse ist kostenlos und im Grundsatz legal
- aktuelle Kinofilme, Chartmusik, Hörbücher oder aufwändige Games
a) gibt es nicht kostenlos in einer Tauschbörse
b) werden diese Werke trotzdem heruntergeladen und angeboten, verstößt man gegen bestehendes Recht




Strafbarkeit
(Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte; kurz: "UrhG")


Strafbarkeit - richtet sich nach dem § 106 UrhG
- schützt dem Rechteinhaber vor unerlaubten Eingriffen in seinen Rechten

Herunterladen (Download)
- §§ 15 Abs. 1., 16 Abs. 1, 53 Abs. 1 UrhG – unerlaubte Vervielfältigung (rechtswidrig hergestellt; öffentlich zugänglich gemachte Vorlage)

Anbieten (Upload)
- § 19a UrhG – öffentliches Zugänglichmachen i.V.m. §§ 15 Abs. 2, 52 Abs. 3 UrhG – öffentliches Zugänglichmachen ohne Erlaubnis des Rechteinhabers (kurz: "RI")




Abmahnung

- ein - vor Einleitung eines teuren Gerichtsverfahren - außergerichtlicher Hinweis zu einem möglichen rechtswidrigen Verhalten mit der Aufforderung dieses beanstandende Verhalten zukünftig zu unterlassen.




Ansprüche aus einer Abmahnung

- Unterlassung (§§ 97, 97a UrhG)
- Beseitigung (§§ 14, 97 Abs. 1, 3 UrhG)
- Vernichtung (§ 98 UrhG)
- Auskunft (§§ 101, 101a UrhG)
- Schadensersatz (§ 97 Abs. 2 UrhG):
a) Ersatz der erlittenen Vermögenseinbuße einschließlich des entgangenen Gewinns
b) Zahlung einer angemessenen Lizenz (sogenannte Lizenzanalogie) oder
c) die Herausgabe des vom Schädiger erlangten Gewinns


Beachte
- aufgrund der P2P-Technologie kann - nur - eine IP-Adresse ermittelt werden, die im Rahmen eines zivilrechtlichen Auskunftsverlangens (§ 101 Abs. 9 UrhG) durch den Provider dem dazugehörigen Kunden zugeordnet wird.
- das bedeutet, es ist - nur - der vertragliche Inhaber des Internetzuganges (Anschlussinhaber, kurz: "AI") abmahnbar und nicht der wahre Verursacher (Filesharer)
- der Bundesgerichtshof (oberstes Gericht auf dem Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit und damit letzte Instanz in Zivil- und Strafverfahren) geht deshalb von einer tatsächlichen Vermutung aus, dass der ermittelte Rechtsverstoß über den Internetzugang aus ging und der Vertragspartner des Providers - der Anschlussinhaber - erst einmal verantwortlich gemacht werden kann




Ablauf

- der Rechteinhaber beauftragt eine spezielle (Ermittlungs-) Firma (ugs.: "Logfirma")
Auftrag
a) Überwachung der P2P-Netzwerke auf mögliche Verstöße gegenüber seinen Werke
b) Dokumentation und Übermittlung möglicher Verstöße
- der Rechteinhaber beauftragt einen Anwalt bzw. eine Anwaltskanzlei
Auftrag
a) Antragstellung auf Herausgabe von Verkehrsdaten (§ 101 Abs. 9 UrhG)
b) außergerichtlicher Teil
- Abmahnung
- Folgetätigkeiten bei den entsprechenden Reaktionen bzw. Nichtreaktionen des Abgemahnten
c) gerichtlicher Teil
- prozessuale Durchsetzung der vermeintlichen Ansprüche / Forderungen gegenüber den Abgemahnten




Inhalt
(§ 97a Abs. 2 UrhG)


in klarer und verständlicher Weise ist,
1. Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
2. die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
3. geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche (anwaltliche Gebühren) aufzuschlüsseln und
4. wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.


Hinweis
- zusätzlich noch möglich die Aufforderung zur Löschung des Streitgegenstandes vom Rechner


Achtung
- auf den Erhalt einer Abmahnung ist in jeden Fall zu reagieren




Reaktionen


Kurzes Fazit
- es kann nur der Anschlussinhaber abgemahnt werden und nicht der Filesharer
- es besteht erst einmal eine Vermutung, das der Rechtsverstoß über seinen Anschluss aus getätigt wurde
- der Anschlussinhaber ist erst einmal diesbezüglich - rechtlich - verantwortlich und muss sich aus seiner möglichen Haftung - selbst - befreien




1. Prüfung der Abmahnung

- ist die erhaltene Abmahnung berechtigt / unberechtigt bzw. wirksam / unwirksam
- muss ich eine geforderte Unterlassungserklärung abgeben, oder nicht
- muss ich die Forderungen
a) Schadensersatz + anwaltliche Gebühren, oder
b) pauschaler Vergleichsbetrag
bezahlen (gesamt oder nur zu einem Teil), oder nicht


Achtung
- diese Prüfung wird für einen Laien nicht möglich sein und hat - anwaltlich - zu erfolgen
- es werden bestimmte Nachforschungs- und Recherchepflichten notwenig, hinsichtlich einer Aufklärung




2.Nachforschung


Hinweis
- bestimmte Nachforschungen sind mit Erhalt der Abmahnung zwingend notwendig und zumutbar
- das Ergebnis dieser Nachforschung ist nur in Absprache mit einem Anwalt dem Abmahner mitzuteilen
- mit Erhalt einer Abmahnung kann innerhalb ca. 14 Tagen Akteneinsicht beim Auskunfts-Landgericht beantragt werden, um die Beauskunftung zu überprüfen



1.) zur eigenen Person als Anschlussinhaber und Abgemahnter

- Absicherung der internetfähigen Endgeräte gegenüber unbefugten Zugriffen (befugte / unbefugte Dritte)
a) Antivirus, Firewall, eigenes Benutzerkonto mit eingeschränkten Rechten, Port-Sperrung, sicheres Passwort usw.
- Art und Umfang der Absicherung des WLAN-Anschlusses gegenüber Eingriffen unbefugter Dritter
a) Werkseitige (ausgelieferte) Passwörter sind mit Einrichtung des Netzwerkes
aa) zu ändern
ab) periodisch zu wechseln
ac) immer abwechslungsreich und schwierig zu wählen (alphanumerisch: im engeren Sinne entweder ein Buchstabe oder eine Ziffer. Im weiteren Sinne ist es eine Ziffer, ein Buchstabe oder ein Sonderzeichen (z.B. Punkt, Komma, Klammern)) sowie
ad) der Anschlussinhaber muss dieses Passwort auswendig kennen und den Nachweis (Zettel, Ausdruck) über das aufgeschriebene Passwort erbringen
- habe ich zum Vorwurf (Log) den Anschluss benutzt bzw. wo war ich



2.) welche Personen haben den Internetzugang zum Vorwurf (Log) mitgenutzt und kommen als mögliche Täter infrage

- Name, Alter, Anschrift, Beziehung zum Anschlussinhaber
- tatsächliche Mitnutzung zu den Logs / dem Log
- Art und Anzahl der internetfähigen Endgeräte im Haushalt
a) wer benutzt welches internetfähige Endgerät
b) befindet sich die benannte Tauschbörsensoftware auf irgendein internetfähiges Endgerät
c) befindet sich der Streitgegenstand auf irgendein internetfähiges Endgerät
- Nutzungsverhalten der Mitnutzer
a) sind diese in der Lage eine Tauschbörsensoftware zu installieren
b) sind diese in der Lage eine Tauschbörsensoftware zu (be-) nutzen
c) Vorlieben in puncto Musik, Filme oder Games - insbesondere gegenüber dem Streitgegenstand
- Onlineaktivität zum Tatzeitpunkt im Verlauf des Betriebssystems des jeweiligen Rechners (Browserverlauf, Cache, Router-Log usw.)
- bei Einräumen des Vorwurfs innerhalb der Befragung (beachte: dieses ist im Grundsatz vorab anwaltlich zu besprechen!)
a) mit Kenntnis eines Urheberrechts-Verstoßes werden gesteigerte Prüfpflichten notwendig
aa) Belehrung Internetnutzung
ab) Verbot von P2P
ac) detaillierte Befragung des Täters zum Vorgang
ad) Kontrolle der internetfähigen Endgeräte nach P2P-Dateien bzw. dem Tauschbörsenprogramm zum Vorgang eines Down- bzw. Uploads
ae) notfalls Sanktionen (bei Uneinsichtigkeit, wie dokumentierte Kontrollen und Verbote)


Hinweis
- Umfang der Nachforschungen bei den Zugriffsberechtigten in Form von Befragung
a) Ergebnis - schriftlich - dokumentieren
b) wie reagierte der / die Befragte / n auf den "Vorwurf" der Begehung der Tat
aa) reagierte dieser "komisch" / widersprüchlich / lange nachdenkend / kooperativ usw.


Achtung
- eine theoretische Nutzung bzw. pauschale Benennung reicht nicht aus!
- Anforderungen sind bundesweit unterschiedlich hoch bzw. gering
- der Punkt zu 2. Nachforschung) stellt eine Zusammenfassung dar, was bundesweit richterlich möglich gefordert wird




3. Reaktionsmöglichkeiten



3.1. Keine Reaktion

- nicht zu empfehlen - auch wenn vereinzelt propagiert
- wird keine geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, ist eine unnötig teure einstweilige Verfügung oder Unterlassungsklage möglich




3.2. Abgabe einer Unterlassungserklärung und Verweigerung der Zahlung

- niemals die als Entwurf beigefügte originale Unterlassungserklärung, sondern nur eine abgeänderte, eine sogenannte modifizierte Unterlassungserklärung (kurz: "mod. UE")
- wird im weiteren die Zahlung der Forderungen verweigert, drohen
a) außergerichtlich
- verschärfte Folgeschreiben innerhalb der Verjährungsfrist (§ 102 UrhG i.V.m. § 195 BGB)
aa) Anwalt
ab) Inkassounternehmen
b) gerichtlich
- Klageverfahren


Hinweis
- wer sich für diese Reaktion entscheidet, wählt entweder Klage oder Verjährung (Chancen: 50:50)[/size][/b]




3.3. Abgabe einer Unterlassungserklärung und Zahlung

- mit Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung (nur eine mod. UE!) sowie Zahlung der Forderung ist der Rechtsstreit beendet
- abhängig vom "Downloadverhalten" des Filesharer, sprich bleibt es bei dieser Einzelabmahnung oder drohen Mehrfachabmahnungen
- wenn zahlen, dann sollte man einen Privatvergleich versuchen


Hinweis
- ist man sich nicht sicher, muss es anwaltlich geprüft werden




3.4. Aktive Verteidigung

- außergerichtlich
a) ist die erhaltene Abmahnung berechtigt / unberechtigt bzw. wirksam / unwirksam
b) muss ich eine geforderte Unterlassungserklärung abgeben, oder nicht
c) muss ich die Forderungen
aa) Schadensersatz + anwaltliche Gebühren, oder
ab) pauschaler Vergleichsbetrag
bezahlen (gesamt oder nur zu einem Teil), oder nicht
d) Gegenargumentation


Hinweis
- bedarf anwaltlicher Prüfung



- gerichtlich
a) Widerspruch - insgesamt - gegen einen möglichen Mahnbescheid
b) Anzeige der Verteidigung i.V.m. Klageerwiderung


Hinweis
- Punkt zu b) bedarf anwaltlicher Prüfung
- Alleinverteidigung oder Hinzuziehung von Foren-Helfern ist nicht zu empfehlen




Summa summarum

Diese Zusammenstellung stellt - kein - Dogma dar sowie basiert auch nicht auf nachgewiesenen juristischen Qualifikationen, sondern allein auf gesunden und realen Menschenverstand. Die Entscheidung wie er reagiert liegt bei jedem Abgemahnten letztendlich selbst. Es geht es um Ihr Geld, Ihre Risiken und Ihre Folgen, wenn unbedarft oder falsch reagiert wird.




Weiterführende Links

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Autor: Steffen Heintsch für AW3P


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Abmahnwahn-sinniger
Beiträge: 23
Registriert: Sonntag 6. April 2014, 09:38

Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10720 Beitrag von Abmahnwahn-sinniger » Samstag 25. Juni 2016, 22:25

mir wurde angeblich in einem vorigen Schreiben ein geringerer Beitrag von WF "angeboten"..Jetzt könne es nicht mehr angenommen werden.. waren angeblich so 1/7 weniger

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