Abmahnpraxis der Autorin Elke Bräunling - legitim oder ein lukrativer Nebenverdienst!? - Interview mit Rechtsanwalt Andreas Ernst Forsthoff
15:40 Uhr
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Rechtsanwalt Lars Hämmerling (Kanzlei
"HvLS HÄMMERLING - von LEITNER-SCHARFENBERG - Rechtsanwälte in Partnerschaft", Hamburg / Berlin) veröffentlichte auf
"www.anwalt.de" einen Rechtstipp zum Thema Abmahnung wegen einer Urheberverletzung gegenüber einen Text (Bericht:
"Abmahnung der Kanzlei KMU wgn. Verwendung des Textes "Roter Mantel" der Autorin Elke Bräunling"). Die
Anwaltskanzlei KMU führte in dieser Abmahnung aus, dass Frau
Elke Bräunling als Autorin tätig ist und den Text
"Roter Mantel" verfasst hat. Dem Abgemahnten wird vorgeworfen, den Text ohne erforderliche Zustimmung von Frau Elke Bräunling im Internet öffentlich zugänglich gemacht zu haben.
Forderungen (öffentliches Zugänglichmachen des Textes "Roter Mantel" ohne ein Nutzungsrecht auf seiner Website)
1. Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 UrhG auf Grundlage der Honorartabelle des Deutschen Journalistenverbands (DJV) i.H.v. 150,00 EUR.
2. Erstattung der Anwaltskosten von Frau Bräunling gemäß § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG im Rahmen eines Aufwendungsersatzanspruches i.H.v. 1.171,67 EUR. Diese Summe ergibt sich aus einem Gegenstandswert i.H.v. 20.000,00 EUR. Insgesamt liegt also eine Gesamtforderung i.H.v. 1.321,67 EUR vor.
3. Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Abmahnwahnsinn in Deutschland?
Wer den Abmahnwahn in Deutschland über die Jahre auch außerhalb von Filesharing-Abmahnungen (Kurzgeschichten, Texte) mitverfolgt, denjenigen wird "Abmahnungen durch Elke Bräunling" über die Jahre hinweg schon ein Begriff sein. Ich habe einmal eine kurze Zusammenfassung vorgenommen (Abmahnungen betrifft Zeitschriften, Webseiten, Filesharing; ab 2010).
a) Abmahnungen durch die ehemalige Karlsruher Rechtsanwaltskanzlei Nümann + Lang
Streitgegenstand: Kurzgeschichten
- Der Kuss des kleinen Sonnenstrahls
- Der Streit der Frühlingsmonate
- Die Sache mit der Rute
- Ein bisschen so wie Martin
- Opas Adventskalender
Forderungen:
- strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung
- Vergleichsbetrag i.H.v. 724,80 EUR
-- 324,20 EUR Rechtsanwaltskosten (0,9 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 5.400,00 EUR), pauschaler Schadensersatz in Höhe von 400,00 EUR ("Lizenzanalogie" bzw. aus der "Übersicht über Vertragsbedingungen und Honorare für die Nutzung journalistischer Beiträge im Internet 2008" des deutschen Journalistenverbandes)
b) Abmahnung durch die Rechtsanwälte INDE (Deutsch Indische Rechtsanwaltskanzlei)
Streitgegenstand: Kurzgeschichten
- Das Gänseblümchen und der müde Glückskäfer
- Der Apfelbaum und die Sonne
- Der kleine Sonnenstrahl und die Wolke
- Die etwas andere Silvesterfeier
- Die Weihnachtswichtel vom Hellerwald
- Ein wichtiger Frühlingsjob für den Schneemann
- Eine wahre Weihnachtsgeschichte
- Mia und das liebevolle Geschenk für Mama
- Vogelhochzeit und Frühlingsblütenschnee
Forderungen (können in der Höhe im Einzelfall und Jahre hinweg variieren):
- strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung,
- Kostenerstattung Rechtsanwaltsgebühren 984,60 EUR, 1.234,60 EUR, 1.714,60 EUR (Gegenstandswert von 20.000,00 EUR) oder als Pauschalbetrag 1.989,00 EUR
- Schadensersatz im Wege des Lizenzschadensersatzes in Höhe 600,00 EUR - 730,00 EUR)
c) Abmahnungen durch KMU-Anwaltskanzlei aus Berlin
Streitgegenstand Kurzgeschichten (Textwerke)
- Roter Mantel
Forderungen (können in der Höhe im Einzelfall und Jahre hinweg variieren):
- strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung,
- Abmahnkosten nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer 1.171,67 EUR (Gegenstandswert von 20.000,00 EUR,)
- Schadensersatzbetrag in Höhe von 150,00 EUR - 600,00 EUR
Aber auch national und international brachte es diese Abmahnpraxis in die Schlagzeilen der Medien.
a) FUNKE MEDIEN NRW GmbH (Essen): "Martinsumzug in Monheim hat teures Nachspiel"
Marc Wiegand
26.11.2010 um 14:27 Uhr
(...)
Monheim. Das St. Martins Komitee Monheim veröffentlichte zum Umzug geschützten Liedtext im Internet. Da Schadensersatz und Anwaltskosten in Höhe von fast 500,00 EUR gezahlt werden müssen, geraten die Finanzen des Vereins in Schieflage. (...)
Quellen:
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https://www.derwesten.de/staedte/duesse ... 87473.html
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https://archivalia.hypotheses.org/10680
LG Potsdam, Urteil vom 27.01.2011 - 2 O 232/10 - "Der Streitgeist Zankemar"
Quelle:
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https://www.kanzlei.biz/27-10-2011-lg-p ... -o-232-10/
b) Tiroler Tageszeitung: "Landeck - Wegen Bienengeschichte zur Kassa gebeten"
Matthias Reichle
Mi, 09.11.2016
(...)
Pfunds - Die Geschichte der deutschen Autorin Elke Bräunling soll nachdenklich stimmen. Es geht darin um Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen und ihre Erfahrungen mit den Menschen - weil die Gemeinde Pfunds den Text jedoch ohne Erlaubnis der Autorin in der Dorfzeitung veröffentlicht hatte, machte sie heuer mit dem Stachel des Urheberrechts Bekanntschaft.
Die Gemeinde Pfunds wurde für ihre Dorfzeitung abgemahnt. 1654,60 EUR kostete der Abdruck einer Kurzgeschichte im Nachhinein. 1.654,60 EUR forderte eine Berliner Rechtsanwaltskanzlei im Auftrag der Autorin. (...)
Quelle:
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http://www.tt.com/politik/landespolitik ... ebeten.csp
c) Tagesanzeiger (Zürich): "Eine Schneeflocke für 1.295,00 EUR"
Tages-Anzeiger
25.09.2016, 21:17 Uhr
(...)
Die Kurzgeschichte «Als die kleine Schneeflocke die Sonne traf» wird die Wandergruppe Oetwil am See nicht so schnell vergessen. Es handelt sich um eine Gruppe von Senioren ab 60 Jahren, die pro Monat zwei bis drei Wanderungen durchführt. Die Einladungen zu den Ausflügen werden im Internet auf einem Seniorenportal angekündigt. Ernst Oertli, einer der Leiter der Gruppe, stellte zur Einladung für einen der Ausflüge noch die oben erwähnte Kurzgeschichte der deutschen Autorin Elke Bräunling auf die Website. "Ich habe den Text im Internet entdeckt. Er hat mir so gut gefallen, dass ich ihn meinen Wanderkollegen nicht vorenthalten wollte."
Das war ein Fehler. In den Sommerferien bekam die Wandergruppe Post, einen eingeschriebenen Brief, sieben Seiten lang, mit der Überschrift "Eilt sehr!", abgesandt von einer großen deutschen Anwaltskanzlei in Berlin. "Als wir das Schreiben gelesen hatten, fielen wir aus allen Wolken", sagt Ernst Oertli. (...)
Quellen:
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https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/st ... y/15603355
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https://www.srf.ch/sendungen/kassenstur ... ndergruppe
Legitim oder ein lukrativer Nebenverdienst? - Interview mit Rechtsanwalt Andreas Ernst Forsthoff
Ein juristischer Laie wird sehr schnell schlussfolgern, dass die Autorin Elke Bräunling sich über die Jahre hinweg einen lukrativen Nebenverdienst aufgebaut hat. Aber Vorsicht! Da ich mich seit 2006 selbst mit dem Thema "Filesharing Abmahnungen" befasse, weiß ich, dass Urheber ein legitimes Recht haben Urheberverletzungen gegenüber ihre Werke abzumahnen. Nur schadet es auch nicht sich mit dem wie - wie wird abgemahnt - einmal sachlich auseinanderzusetzen.
Wenn ich nämlich die aktuelle Abmahnung und jahrelange Abmahnpraxis der Frau Elke Bräunling betrachte, ergeben sich für mich eine Menge Fragen. Diese möchte ich weiterreichen. Diesbezüglich hat sich Rechtsanwalt Andreas Forsthoff bereit erklärt, diese zu beantworten.
Rechtsanwalt Andreas Ernst Forsthoff
Fotorecht Heidelberg
Landhausstraße 30 | 69115 Heidelberg
Tel. 06221 4340324 | Email info@fotorecht-heidelberg.de
Web: https://www.fotorecht-heidelberg.de/
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AW3P: Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Forsthoff. Wenn ich den Text: "Roter Mantel" aus der aktuellen Abmahnung so betrachte, ist es zwar ein schönes, dennoch aber ein sehr kleines Gedicht. Was sagt das Recht? Wann ist ein Text urheberrechtlich geschützt? Kann so ein kleiner Text überhaupt schon unter das Urheberrecht fallen und warum?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Ob ein Text urheberrechtlich geschützt ist, hängt nicht von dessen Länge ab. Auch sehr kurze Texte können geschützt sein. Es kommt auf die sogenannte Schöpfungshöhe an. Bei Gedichten wird eine Schöpfungshöhe quasi immer bejaht, bei Gebrauchstexten (Gebrauchsanweisung, Bedienungsanleitung, Anwaltsschriftsatz) ist dies nicht immer der Fall.
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AW3P: Frau Elke Bräunling stellt unter den Text den c-Vermerk (Copyright). Ist dieser Vermerk überhaupt für das deutsche Urheberrecht bindend?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Ein Copyright-Vermerk ist im deutschen Recht nicht vorgesehen und damit auch rechtlich gesehen überflüssig. Ist ein Werk, z.B. ein Text, urheberrechtlich geschützt, stehen alle Rechte automatisch dem Urheber zu. Ein Copyright-Vermerk kann im Einzelfall aus dem Gesichtspunkt der Abschreckung dennoch sinnvoll sein.
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AW3P: Wann liegt überhaupt ein Verstoß gegen das Urheberrecht am Text vor?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Immer dann, wenn wesentliche Elemente eines solchen Textes übernommen worden, ohne vorher den Urheber zu fragen. Das Ganze wird erst dann als sogenannte freie Bearbeitung wieder zulässig, wenn der ursprüngliche Text als solcher nicht mehr erkennbar ist und quasi nur als Vorlage gedient hat. Es kommt also wie so oft auf den Einzelfall an.
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AW3P: Herr Rechtsanwalt Forsthoff, ich lese immer Schöpfungshöhe eines Textes. Wer entscheidet dieses? Wann ist ein Text ein literarisches Werk?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Ein Werk ist dann urheberrechtlich geschützt, wenn es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handelt, deren Inhalt durch eine Sprache als Ausdrucksmittel geäußert wird. Dann spricht man auch von Schöpfungshöhe. Je kreativer ein Text ist, desto eher gilt er als literarisches Werk. Ein Text, der nicht einem bestimmten Gebrauchszweck zuzuordnen ist (z.B. Bedienungsanleitung), ist im Zweifel ein literarisches Werk. Allerdings sind auch sog. Gebrauchstexte vielfach geschützt. Die Rechtsprechung spricht hier von der sog.
"Kleinen Münze" und erkennt unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zunehmend auch Gebrauchstexten die erforderliche Schöpfungshöhe zu.
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AW3P: Was gilt für Texte allgemein im Internet? Gibt es Besonderheiten, was ist zu beachten, z.B. von einem gewerblichen oder privaten Webseitenbetreiber?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Für den Urheberschutz oder die Frage einer Urheberrechtsverletzung spielt es erst einmal keine Rolle, ob ich einen fremden Text auf einer rein privaten oder einer gewerblichen Internetseite verwende. Anders als z.B. im Markenrecht, wo nur ein Handeln im geschäftlichen Verkehr zu einem Verstoß führt, begehe ich bei Nutzung des Textes ohne Einwilligung des Rechteinhabers immer eine Urheberrechtsverletzung. Die Unterschiede zwischen privaten und gewerblichen Internetseiten bestehen nur in der Höhe der berechtigten finanziellen Forderungen des Rechteinhabers (Schadensersatz, Ersatz der Abmahnkosten). In aller Regel sind die finanziellen Ansprüche bei rein privater Nutzung deutlich geringer als im gewerblichen Bereich.
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AW3P: Darf ich z.B. aus diesem o.g. Text zitieren oder stellt diese einen Verstoß gegen das Urheberrecht am Text dar?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Ein Kurzzitat ist nach dem Urhebergesetz ausdrücklich zulässig. Allerdings sind die Voraussetzungen hierfür streng. Der ganze Text darf nicht zitiert werden, es darf allenfalls ein kurzer Auszug zitiert werden. Gerade bei literarischen Kurzwerken ist dann jedoch ein (zulässiges) sinnvolles Zitat nicht mehr möglich. Gerade in diesem Bereich wird jedoch häufig abgemahnt, vgl. die Abmahnungen der Erben von Karl Valentin oder Heinz Erhardt.
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AW3P: Herr Rechtsanwalt Forsthoff. Ich möchte für einen lieben Menschen ein Nikolausgeschenk selbst basteln. Diesbezüglich kopiere ich aus dem Internet einen Text, drucke ihn aus und kleb ihn auf eine Postkarte. Kann dies schon eine Rechtsverletzung darstellen?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Wenn der Text urheberrechtlich geschützt ist, stellt dies eine unzulässige Vervielfältigung des Textes dar. Auch wenn das Risiko, dabei erwischt zu werden, eher gering ist, muss ich als Jurist davon abraten.
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AW3P: Kann für Beiträge auf Facebook, WhatsApp, Twitter & Co. das Urheberrecht beim Text gelten?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Das verwendete Medium spielt keine Rolle. Wenn ich freilich irgendein Werk bei Facebook einstelle, versucht Facebook, sich über seine AGB automatisch alle Rechte hieran einräumen zu lassen. Ich halte die AGB von Facebook jedoch insoweit für unwirksam.
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AW3P: Was ist bei einer möglichen Vergabe von sogenannten Creative-Commons-Lizenzen auf einen Text. Nehmen wir an, die Lizenz: "Namensnennung - Keine Bearbeitung - CC BY-ND." Dann kann ich doch den entsprechenden Text einfach per "copy 'n' paste" für meinen Blog übernehmen. Was gilt?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: In vielen Fällen stellen Rechteinhaber ihre Werke kostenlos zur freien Verfügung, z.B. indem sie die Werke unter eine Creative-Commons-Lizenz stellen. In diesem Fall darf ich das Werk verwenden, muss mich jedoch an die Nutzungsbedingungen halten. In diesem Fall also muss ich den Urheber angeben und darf das Werk nicht verändern. In den letzten Jahren haben sich gerade im Bereich der Bilder Abmahnungen gehäuft, in denen Personen aufgrund Nichteinhaltung der Nutzungsbedingungen Abmahnungen erhalten haben. Nach meiner persönlichen Einschätzung ist hierin durchaus ein Geschäftsmodell zu sehen und die Werke werden vielfach vor allem zu dem Zweck "kostenlos" ins Netz gestellt, damit dann andere Internetnutzer wegen Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen kostenpflichtig abgemahnt werden können. Im Bereich von Texten ist mir eine derartige Abmahnpraxis bei Creative-Commons-Lizenzen jedoch nicht bekannt.
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AW3P: Herr Rechtsanwalt Forsthoff. Nun ist es doch passiert, ich erhalte eine Abmahnung wegen eines Urheberverstoßes an einem Text. Welche Ansprüche ergeben sich, muss ich überhaupt zahlen und eine Unterlassungserklärung unterschreiben? Ist es jetzt an der Zeit zu sagen: "Ich brauche einen Anwalt"?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: In diesem Fall sollte ein Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht aufgesucht werden. Dieser muss prüfen, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt und wie hoch etwaige Ansprüche des Abmahners sind. Im Fall einer berechtigten Abmahnung hat der Abmahner Anspruch auf Abgabe einer (nicht: der der Abmahnung beigefügten) Unterlassungserklärung. Damit man nicht gleich die Geltendmachung einer Vertragsstrafe riskiert, sollte man das Werk unbedingt komplett vom Server löschen. Auch hierzu kann (und sollte!) ein erfahrener Anwalt beraten.
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AW3P: Eine etwas überspitzte Frage. Ist so eine jahrelange Abmahnpraxis, wie oben thematisiert, nicht rechtsmissbräuchlich? Denn ich als Laie meine, dass es schon ein guter Nebenverdienst ist.
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Das Instrument des Rechtsmissbrauchs gibt es im Wettbewerbsrecht, nicht aber dort, wo - wie im Urheberrecht und auch im Markenrecht - absolute Rechte betroffen sind. Mit anderen Worten: Wenn 1000 Personen das Urheberrecht verletzen, dann sind eben 1000 Abahnungen zulässig. In den letzten Jahren gab es allerdings in der Rechtsprechung (jedoch sehr zaghafte) Gegenmaßnahmen. Wurden beispielsweise wie im Falle von simplen Kochrezepten innerhalb kurzer Zeit immer wieder Abmahnungen verschickt, haben vor allem die Hamburger Gerichte so niedrige Gegenstandswerte und Schadensbeträge festgesetzt, dass sich die Abmahnpraxis nicht mehr lohnen sollte. Ein Rechtsmissbrauch wurde jedoch, soweit mir bekannt, alleine aufgrund der Vielzahl von Abmahnungen niemals angenommen.
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AW3P: Wenn ich mir den Text und dessen Länge so betrachte, ist der Gegenstandswert i.H.v. 20.000,00 EUR für so einen kleinen Text, nicht etwas sehr überzogen?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Bei einer privaten Textnutzung ist in vielen Fällen der Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch auf 1.000,00 EUR gedeckelt, § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG. Bei gewerblicher Nutzung kommt es auf den Einzelfall an. 20.000,00 EUR halte ich aber auf jeden Fall für am oberen Limit oder bereits darüber.
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AW3P: Abmahnung des Textes: "Roter Mantel". Selbst die Münchner Kanzlei Waldorf Frommer Rechtsanwälte, die nur seriöse Urheber vertritt, wendet außergerichtlich die vom Gesetzgeber so vorgesehene Deckelung bei Urheberverletzungen gegenüber aktuellen Kinofilmen, Musikalben und Hörbücher an. Könnte, nein müsste für so eine (Text-) Abmahnung die Deckelung gemäß § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG vorgerichtlich Anwendung finden? Denn der Gesetzgeber hat ja gerade damit versucht "Schwarze Schafe" zu stoppen.
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Die von Ihnen genannte Vorschrift betrifft nur Abmahnungen gegenüber Privatpersonen. Daher wendet die Kanzlei Waldorf Frommer die Gebührendeckelung bei Filesharing-Abmahnungen gegenüber Privatpersonen an. Werden Unternehmer - wie im Falle von Abmahnungen bezüglich Lichtbildern - abgemahnt, wendet auch diese Kanzlei höhere Gegenstandswerte an. Dies ist im Grundsatz nicht zu beanstanden.
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AW3P: Erlauben Sie mir eine polemisierende Frage. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hat angekündigt, ein im Koalitionsvertrag vorgesehenes Gesetz gegen missbräuchliche Abmahnungen zügig umzusetzen. Man werde professionellen Abmahnern das Wasser abgraben. Wenn ich auf der Internetseite IT-Recht München lese: "Abmahnung bei eBay, Amazon und Onlineshops - Auflistung gängiger Abmahngründe (Update: 1000 Abmahngründe!)" sowie Abmahnpraxen wie z.B. bei "Marions Kochbuch, Fotoabmahnungen eBay, Zitatabmahnungen, Textabmahnungen im Internet usw. wird es nicht langsam Zeit, dass der Gesetzgeber etwas unternimmt? Oder scheint es sich nur um die Hysterie hinsichtlich den neuen Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu drehen?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Ach wissen Sie: In zahlreichen der letzten Bundesregierungen gab es Verlautbarungen, den Abmahnwahn einzudämmen. Der große Wurf ist niemals dabei herausgekommen. Die bis Oktober 2013 geltende Fassung des § 97a Abs. 2 UrhG sah eine Deckelung der Kostenerstattung für Abmahnungen in gewissen Konstellationen auf 100,00 EUR vor. In der Praxis haben die Gerichte diese Vorschrift quasi niemals angewandt. 2013 erfolgte dann ein "Reförmchen" und jetzt möchte man angeblich wieder ein wenig an der Schraube drehen. Das gefällt natürlich dem Wähler. Mir fehlt jedoch der Glaube daran.
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AW3P: Herr Rechtsanwalt Forsthoff fassen Sie bitte das Thema zusammen. Was sollte eine Zeitschrift, ein Verein, ein Betreiber einer Webseite oder Forum, ein Blogger zu beachten, wenn er für seine Internetpräsenz einen Text verwendet. Sowie, was sollte man beachten, erhält man deswegen eine Abmahnung?
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Das Beste ist immer, einen Text selbst zu erstellen und dabei nicht von anderen Texten abzuschreiben. Wird ein fremder Text verwendet, sollte geprüft werden, ob dieser urheberrechtlich geschützt ist, was jedoch meistens der Fall ist. In diesem Fall muss vorab zwingend der Autor bzw. sonstige Rechteinhaber um Erlaubnis gefragt werden. Die Erlaubnis ist zwar formfrei möglich, aus Beweisgründen sollte man jedoch immer auf einer schriftliche Bestätigung bestehen. Lässt sich der Urheber des Textes nicht ermitteln oder verweigert dieser die Zustimmung, gilt: Finger weg vom Text!
Bei einer Abmahnung sollte man den finanziellen Schaden so gering wie möglich halten. Es ist in der Regel nur teuer und bringt meistens nichts, sich über den Unterlassungsanspruch vor Gericht zu streiten. Daher ist es in vielen Fällen ratsam, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Oft ist jedoch das Muster einer Unterlassungserklärung, welches der Abmahnung beigefügt ist, für den Abgemahnten äußerst ungünstig und kann gleich mehrere Fallstricke beinhalten. Am besten wendet man sich an einen erfahrenen Rechtsanwalt, der auch die Höhe der finanziellen Forderungen überprüft.
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AW3P: Ich bedanke mich bei Rechtsanwalt Andreas Forsthoff für die Beantwortung der Fragen und hoffe, dass einige Unklarheiten beseitigt wurden.
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Rechtsanwalt A. E. Forsthoff: Sehr gerne!
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Rechtsanwalt Andreas Ernst Forsthoff,
Fotorecht Heidelberg,
Initiative AW3P,
Abmahnpraxis der Autorin Elke Bräunling - legitim oder ein lukrativer Nebenverdienst!? - Interview mit Rechtsanwalt Andreas Ernst Forsthoff,
Autorin Elke Bräunling,
Elke Bräunling,
Abmahnungen durch Elke Bräunling,
https://www.elkeskindergeschichten.de,
Kanzlei "HvLS HÄMMERLING - von LEITNER-SCHARFENBERG - Rechtsanwälte in Partnerschaft,
Rechtsanwalt Lars Hämmerling
Anwaltskanzlei KMU,
Rechtsanwälte INDE (Deutsch Indische Rechtsanwaltskanzlei)