sek. Darlegungslast - 2018

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Steffen
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sek. Darlegungslast - 2018

#1 Beitrag von Steffen » Freitag 4. Mai 2018, 07:20

2018 - Mögliche richterliche Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Beklagten


12:25 Uhr



Ich möchte mit diesem Bericht versuchen, die Anforderungen der Gerichtsstände (bundesweit) aus den im Forum veröffentlichten Entscheidungen zusammenzufassen. Es gibt hierzu einfach zu viele falsche Vorstellungen und Vorgehensweisen. Natürlich soll es kein Katalog darstellen, den ein Abgemahnter bzw. Beklagter "abarbeitet", um sich eine Verteidigung zusammen zu basteln. Es soll als laienhafte Hilfestellung verstanden werden, welche richterlichen Anforderungen bundesweit mittlerweile abverlangt werden. Auf einzelne Gerichtsstände, Sachverhalte wie Einfach- / Mehrfachermittlung (technische Seite) und Aktivlegitimation werde ich nicht eingehen. Sicherlich ist es Aufgabe der Anwälte, aber letztendlich muss der Abgemahnte / Beklagte seinerseits etwas Verwertbares anbieten, mit dem der Anwalt auch arbeiten kann. Dieser kann und darf nichts Erfinden sowie reichen pauschale und theoretische Gedanken in der Verteidigung nicht aus.






Was ist Verletzungshandlung?

Wichtig, die Verletzungshandlung des Vorwurfs ist unstreitig u.a. das öffentliche Zugänglichmachen (siehe § 19a UrhG).

Es wurde in das - alleinige - Recht des Urhebers, Inhaber und/oder/bzw. Verwerters des streitgegenständlichen Rechts,
a) ohne Erlaubnis,
b) ohne einer erworbenen Lizenz,
eingegriffen diesen Streitgegenstand öffentlich Zugänglich zu machen, zu vervielfältigen, zu verbreiten etc.

Uninteressant deshalb, wie viele Male geloggt wurde, ob der Betroffene das Original im Regal stehen hat, es niemals nie ansehen würde usw. usf.






Welchen Inhalt umfasst der Vorwurf?

Der Vorwurf lautet,
- der Streitgegenstand wurde über den Anschluss des Inhabers des Internetzuganges angeboten

Der Vorwurf lautet nicht,
- der Streitgegenstand wurde vom Anschlussinhaber über ein bestimmtes Endgerät angeboten






Wer muss was beweisen?

Immer der sich auf etwas beruft, der muss dieses auch beweisen. Dies bedeutet, der Kläger muss beweisen, dass der Vorwurf und die resultierenden Ansprüche bestehen und der abgemahnte / beklagte Anschlussinhaber als Täter infrage kommt. Dieses wird regelmäßig mit dem Ergebnis der IP-Beweiskette (Log., Antrag auf Gestattung (hier wird erstmals die Aktivlegitimation mit geprüft), Gestattung nach § 101 Abs. 9 UrhG, Providerauskunft) sowie den vorgerichtlichen (Abmahnung, resultierender Korrespondenz) / gerichtlichen (evtl. Mahnbescheid) Maßnahmen erreicht.

Wenn also beispielsweise eine dritte Person mit Wissen und Wollen den Anschluss des Beklagten mit dem eigenen Endgerät für Filesharing nutzte, würde dies an der täterschaftlichen Haftung des Beklagten erst einmal nichts ändern. Dieses nennt der Bundesgerichtshof, die tatsächliche Vermutung der Täterschaft durch den abgemahnten / beklagten Anschlussinhaber (kurz: "AI"). In heutigen Verfahren kommt der möglichen Täterhaftung eine höhere Bedeutung zu, als der Störerhaftung.






Tatsächliche Vermutung der Täterschaft

Anzunehmen:
- immer, bei alleiniger Internetnutzung

Nicht anzunehmen:
- Internetzugang nicht hinreichend gesichert war
- Internetzugang bewusst anderen Personen zur selbstständigen Nutzung überlassen wurde



Wichtig

Der Beklagte ist erst einmal als Täter für die Rechtsverletzung verantwortlich. Zu seinen Lasten streitet die sogenannte Anschlussinhabervermutung.






Sekundäre Darlegungslast

Natürlich ist es eine Art Beweiserleichterung für den Kläger. Keine Frage. Aber, bei Sachverhalten, wo der Kläger keinerlei Einschicht hat, sondern nur der Beklagte (i.S.d. § 138 ZPO), ergibt sich für den Beklagten eine Erklärungspflicht zum Sachverhalt (sekundäre Darlegungslast). Der Kläger kann nicht wissen, wie es zum Vorwurf am Internetzugang des Beklagten aussah, wer den Internetzugang wie nutzte, oder nicht. Wurde die tatsächliche Vermutung der möglichen Täterschaft erfolgreich erschüttert, ist diese resultierende sekundäre Darlegungslast entscheidend in der Verteidigung und muss substantiiert (bewiesener Tatsachenvortrag) erfolgen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es unfair oder ungerecht sei. Irrelevant!



Wichtig

Was viele Betroffene vergessen oder nicht wissen oder wissen wollen, auf den Abgemahnten kommen schon mit Erhalt des Abmahnschreibens bestimmte Nachforschungs- und Recherchepflichten zu, nicht erst mit Erhalt der Klageschrift.



Beachte

Wird der Beklagte dieser sekundären Darlegungslast gerecht und genügt er der Tatsachenvortrag den Anforderungen des jeweiligen Gerichtes, muss der Kläger weiter vortragen, wer als Täter infrage kommt.

Wird der Beklagte hingegen dieser sekundären Darlegungslast nicht gerecht und genügt er der Tatsachenvortrag den Anforderungen des jeweiligen Gerichtes nicht, geht die Täterschaft wieder auf ihn zurück und er haftet voll.



Tatsachenvortrag:

Eine Behauptung ist ein Tatsachenvortrag. Dieser muss bewiesen werden. Der Beweis ist erbracht, wenn die behauptete Tatsache zur Überzeugung des Gerichtes feststeht.



Sehr viele "Foren-Experten" und Betroffene haben bei dem Umfang der sekundären Darlegungslast zu naive Vorstellungen sowie einfach eine arrogante Haltung. Natürlich kommt es auch auf den jeweiligen Gerichtsstand, dem konkreten Einzelfall und Sachvortrag der Parteien an. Es kristallisieren sich einige richterliche Anforderungen 2018 heraus. Diese nachfolgenden richterlichen Anforderungen sind kein "Abarbeitungskatalog", sondern soll verdeutlichen, einmal die Bedeutung der dogmatischen höchstrichterlichen zweistufigen Verteidigung, andermal ohne Anwalt vor Gericht ist ein No-Go!






Mitnutzer werden benannt, verneinen (bestreiten) aber den Vorwurf

Ist nach dem Sachvortrag des Beklagten weder er noch einer der Benannten für den Vorwurf verantwortlich UND hat das Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen, ist dieser Sachvortrag nicht plausibel und genügt damit der sekundären Darlegungslast nicht. Denklogisch ist es nicht möglich, dass niemand für die Rechtsverletzung verantwortlich ist.






Was ist dem Beklagten nicht zumutbar

- die Internetnutzung seiner Familienangehörigen einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können.
- die Untersuchung des Computers seines Ehegatten oder volljähriger Haushaltsangehöriger im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen (vgl. BGH - "Afterlife"; Ausnahme: Es ist nur ein Endgerät vorhanden, was alle benutzen).






Mitnutzer werden benannt, aber nicht mit "Name und Hausnummer" (Hausnummer = ladungsfähige Anschrift)

Benenne ich einen Mitnutzer, nenne aber nicht seinen "Namen und Hausnummer", genügt es nicht. Warum? Weil damit der Klägerin von vorneherein die Möglichkeit abgeschnitten wird, etwaige in Betracht kommende Täter als Zeugen zu benennen bzw. vorgerichtlich zu befragen.



Fazit

Mangels Nennung von Namen hat der Beklagte gerade nicht dargelegt, dass eine andere Person für die Rechtsverletzung in Betracht kommt.






Ehepartner


Wie schon erwähnt, ist es dem Beklagten nicht zuzumuten

- die Internetnutzung seiner Familienangehörigen einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können.
- die Untersuchung des Computers seines Ehegatten oder volljähriger Haushaltsangehöriger im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen



Zumutbar hingegen

1) Vortrag auf die Internetnutzung der Ehegatten, zu
a) Kenntnissen,
b) Fähigkeiten,
c) Nutzerverhalten


2) Pflicht des beklagten Ehegatten
a) den Ehegatten zu befragen, ob
aa) dieser die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen hat
ab) Filesharing-Software auf den von ihm genutzten internetfähige Geräten installiert war und
ac) das streitgegenständliche Werk zum Download in einer Filesharing-Tauschbörse zu der Tatzeit / den Tatzeiten angeboten hatte
b) Angaben, ob er überhaupt insoweit seinen Ehegatten befragt hat
c) das Ergebnis seiner Nachforschungen der Klägerin wahrheitsgemäß und vollständig mitzuteilen


3) sonstige Umstände der Anschlussnutzung,
a) ob und welche sonstigen internetfähigen Geräte neben dem Rechner seines Ehegatten und seinem eigenen in seinem Haushalt vorhanden waren,
b) wie diese Geräte, einschließlich seines Rechners und des seines Ehegatten, von den Eheleuten genutzt wurden.
c) ob der Ehegatte den Rechner des / der Beklagten mit nutzt (wie: vollständig / teilweise)


4) Untersuchung der eigenen internetfähigen Geräte durch den Beklagten nach Zugang der Abmahnung, nach
a) installierter Filesharing-Software
b) Installation des Streitgegenstandes


Im Zusammenleben unter Ehegatten sind grundlegenden Tatsachen bekannt, wie
a) eine besondere Gewandtheit des Ehegatten im Hinblick auf Computer- und Programmierkenntnisse
b) oder auch das Gegenteil, nur rudimentäre Kenntnisse
c) Wer nur mit Hilfe oder auf Grundlage der technischen Voreinstellungen eines anderen das Internet nutzt bzw. nutzen kann, kommt gegebenenfalls als (Allein-) Täter - nicht - in Betracht






Kenntnisse zum Täter bei Befragung

Hat der Anschlussinhaber jedoch im Rahmen der ihm obliegenden Nachforschungen den Namen des Familienmitglieds erfahren, das die Rechtsverletzung begangen hat, müsse er dessen Namen offenbaren, wenn er eine eigene Verurteilung abwenden will.



Dagegen,

- der bloße Vortrag, nicht zu wissen, wer die Urheberrechtsverletzungen begangen haben könnte, reicht nicht aus, um die beschriebene sekundäre Darlegungslast zu erfüllen.






Kein eigener Computer

Dieser Sachvortrag reicht, auch wenn dieses wieder Unverständnis auslöst, regelmäßig nicht aus. Denn dieser Sachvortrag besagt nicht, dass die Rechtsverletzung nicht über ein anderes internetfähiges Endgerät oder mit einem Computer einer anderen Person begangen wurde.



Hinweis

Der Beklagte ist erst einmal als Täter für die Rechtsverletzung verantwortlich. Zu seinen Lasten streitet die sogenannte Anschlussinhabervermutung.






Hacker / Sicherheitslücke

Aus dem Sachvortrag des Beklagten muss sich ergeben, dass eine Begehung der Rechtsverletzung durch einen unerlaubt auf den Anschluss zugreifenden Dritten oder durch eine bestehende Sicherheitslücke an seinem Endgerät konkret in Betracht käme.

Ein rein pauschaler Hinweis darauf, dass das WLAN-Netzwerk auch gehackt worden sein könne, oder ein Vortrag zu dem behaupteten Vorfall, bei dem sein Router gehackt worden sei, genügt in keinster Weise den Anforderungen an die sekundäre Dar1egungslast.



Warum?

- der Beklagte behauptet eines solches Eindringen Dritter, sondern stellt bloß eine Vermutung auf
- es fehlt an konkretem Vortrag zu dieser behaupteten Sicherheitslücken






Beklagter (Anschlussinhaber) nicht anwesend

Da der Down- bzw. Upload eine körperliche Anwesenheit nicht voraussetzt, greift der Einwand in der Regel nicht durch.






Langer Zeitraum zwischen Abmahnung und Befragung


Es kann dem Beklagten abverlangt werden, Mitnutzer konkret zur Internetnutzung während des streitgegenständlichen Zeitpunktes zu befragen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Beklagten diese weitergehenden Nachforschungen unmöglich oder nicht zumutbar waren, müssen vorgetragen werden. Zeiträume zwischen Vorwurf (Log.) und Abmahnung von ca. 5 Monaten können zumutbar und erfolgreich sein. Es ist auch im Interesse des Abgemahnten, damit er durch diese Recherche weitere Rechtsverletzungen vermeiden kann. Diese Pflicht besteht im Grundsatz immer bei minderjährigen Kindern als Mitnutzer.



Beachte

Hat der Beklagte jedoch nach Erhalt der Abmahnung keine diesbezüglichen Nachforschungen angestellt, so kann er sich nicht darauf berufen, dass aufgrund des Zeitablaufes heute keine näheren Angaben mehr gemacht werden können.






Weitere Nachforschungspflichten (zusammengefasst)



Anschlussinhaber

- Sicherung Internetzugang und seines Endgerätes oder der Endgeräte (wenn mehrere im Haushalt)
- ob sein eigenes Endgerät (wenn mehrere im Haushalt) zum Tatzeitpunkt ein- oder ausgeschaltet gewesen sei
- was er zum Vorwurf konkret machte
- er muss den Computer des Ehegatten nicht nach Filesharing Software / Streitgegenstand durchsuchen, aber den Eigenen
- konkreter Sachvortrag ob eine andere Person seinen Anschluss gerade benutzen konnte





Anschlussinhaber vs. Mitnutzer


4 Tatsachenmerkmale:
1.) Nutzerverhalten
2.) Kenntnissen
3.) Fähigkeiten
4.) zeitliche Hinsicht


- Mitnutzer sind unter Angabe einer ladungsfähigen Anschrift namentlich zu benennen.
- nähere Angaben zum generellen Nutzungsverhalten der Personen, denen die Nutzung des Internetanschlusses gestattet wurde, zu machen.

Hierzu gehören Angaben,
- wie die Personen Zugang zum Internetanschluss erhalten (Geräte + Sicherung),
- wie häufig diese Personen das Internet nutzen,
- wozu das Internet genutzt wird
- Kenntnisse und Fähigkeiten
- wurde das Internet zum Vorwurf benutzt (waren diese überhaupt zur fraglichen Tatzeit zu Hause und hatten Zugriff auf den Internetanschluss)
- wie das Nutzungsverhalten im Einzelfall kontrolliert wurde
- Befragung zum Vorwurf UND Erkenntnisse






Fazit

Es kommt darauf an - und das ist das Komplizierte - dass der benannte Mitnutzer zum Verletzungszeitpunkt als Täter in Betracht kommt. Es kommt nämlich nicht auf die Nutzungsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern konkret auf den Verletzungszeitpunkt an (vergleiche BGH -Tauschbörse III).


Diese Auflistung soll deutlich machen, wie komplex die Verteidigung gegen eine Abmahnung / Klage geworden ist. Es ist kein Platz mehr für ein Laienforum und selbst ernannte virtuelle Prozessbevollmächtigte. Mit Erhalt der Klageschrift muss ein Anwalt beauftragt werden.






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Steffen Heintsch für AW3P




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