Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

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Steffen
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BGH - I ZR 154/15 - Volltext

#5661 Beitrag von Steffen » Samstag 4. März 2017, 00:01

WALDORF FROMMER (München): Neue Entscheidung in Filesharingverfahren - Bundesgerichtshof klärt das Verhältnis zwischen sekundärer Darlegungslast und tatsächlicher Vermutung und konkretisiert erneut den Umfang der Nachforschungspflichten (Urt. v. 06.10.2016, Az. I ZR 154/15 - "Afterlife")


00:00 Uhr


Der Bundesgerichtshof hat sich in einer aktuellen Entscheidung vom 06.10.2016, Az. I ZR 154/15 - "Afterlife" mit dem Verhältnis zwischen der sekundären Darlegungslast eines Anschlussinhabers und der tatsächlichen Vermutung seiner Täterschaft befasst und die Auffassung des OLG München vom 14.01.2016, Az. 29 U 2593/15: "Loud" im Ergebnis bestätigt.



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WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

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Bericht

Link:
http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... t-den-umf/

Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-conte ... 154_15.pdf



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Unter Fortführung seiner bisherigen Grundsätze ("Afterlife", Rn. 14-15) stellt der Bundesgerichtshof klar: Erfüllt ein Anschlussinhaber die ihm obliegende sekundäre Darlegungslast nicht, ist seine persönliche Täterschaft tatsächlich zu vermuten ("Afterlife", Rn 19).

Darüber hinaus befasst sich der Bundesgerichtshof in der Entscheidung mit dem Spannungsverhältnis der grundrechtlich geschützten Positionen der Rechteinhaber auf der einen sowie der Anschlussinhaber auf der anderen Seite.

Bei Familienanschlüssen sei, so der Senat, der Umfang der sekundären Darlegungslast im Lichte des Verfassungs- und Unionsrecht zu bestimmen und die widerstreitenden Grundrechte im Wege der praktischen Konkordanz zu einem möglichst schonendem Ausgleich zu bringen ("Afterlife", Rn 24).

In der Konsequenz hat der Senat - wenig überraschend - eine regelmäßig bestehende Verpflichtung des abgemahnten Anschlussinhabers, das Internetznutzungsverhalten seines Ehegatten lückenlos zu dokumentieren, ebenso verneint wie eine regelmäßige Pflicht zur Untersuchung des Computers des Ehegattens gegen dessen Willen.

Ob hier tatsächlich Klärungsbedarf bestanden hat, mag bezweifelt werden, denn selbst diejenigen Gerichte, die einen sehr strengen Maßstab an den Umfang der Nachforschungspflichten anlegen, hatten derart umfassende Verpflichtungen gegenüber volljährigen Familienmitgliedern nicht angenommen.

Die Praxisrelevanz der Entscheidung wird sich noch zeigen, denn der BGH stellt an anderer Stelle ausdrücklich klar, dass Computer, auf die der Anschlussinhaber berechtigt zugreifen kann, stets nach Filesharing-Software zu untersuchen sind ("Afterlife", Rn 27). Davon betroffen dürfte also auch ein gemeinsam benutztes Endgerät im Sinne eines "Familiencomputers" sein, und zwar unabhängig davon, in wessen Eigentum das Gerät steht. Offen bleibt zudem, wie der Anschlussinhaber mit Computern minderjähriger Familienmitglieder zu verfahren hat. Zudem werden bei Nicht-Familienmitgliedern andere Maßstäbe anzulegen sein, da sich der Anschlussinhaber in diesem Zusammenhang nicht auf Art. 6 GG berufen kann.

Zudem war auch in "Afterlife" letztlich wieder die Beweiswürdigung des Tatrichters streitentscheidend, während das OLG Köln in dem der BGH-Entscheidung Everytime we touch (12.05.2016, Az. I ZR 48/15) zugrundeliegendem Verfahren nach der Zeugeneinvernahme keinerlei Zweifel an der fehlenden Täterschaft der Ehefrau hatte (Everytime we touch, Rn 39), gestaltete sich der vorliegende Fall anders. Das Landgericht Braunschweig hatte erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen der Ehefrau, worin der Bundesgerichtshof jedenfalls keine revisionsrechtlich zu beanstandenden Fehler erkennen konnte (Rn 31). Es zeigt sich einmal mehr, dass in Filesharing Verfahren Familienmitglieder damit rechnen müssen, als Zeugen vor Gericht erscheinen zu müssen.

Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof somit bereits bekannte Grenzen der Nachforschungspflichten abgesteckt. Bemerkenswert ist jedoch, dass der Senat auf zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die sich jüngst mit den Vorgaben des BGH beschäftigt und ein strenges Verständnis der Nachforschungspflichten gebilligt hatten, offenbar nicht auseinander gesetzt hat.





BGH, Urteil vom 06.10.2016, I ZR 154/15: "Afterlife"


  • (...) BUNDESGERICHTSHOF

    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL



    I ZR 154/15



    Verkündet am: 6. Oktober 2016
    [Name], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle


    in dem Rechtsstreit


    [Name]
    Klägerin und Revisionsklägerin,

    - Prozessbevollmächtigte:
    [Name]


    gegen


    [Name]
    Beklagter und Revisionsbeklagter,

    [Name]
    - Prozessbevollmächtigter:


    Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter [Name] die Richter [Name], [Name], die Richterin [Name] und den Richter [Name]

    für Recht erkannt:

    Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 1. Juli 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

    Von Rechts wegen



    Tatbestand:

    Die Klägerin macht geltend, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte für den Film [Name] zu sein. Die von der Klägerin beauftragte ipoque GmbH ermittelte, dass dieser Film insgesamt vierzehnmal im Zeitraum vom 26. bis 28. September 2010 über die Tauschbörse "BitTorrent" im Internet anderen Nutzern zur Verfügung gestellt wurde. Die hierbei dokumentierten IP-Adressen wurden dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet. Der Beklagte hat auf die Abmahnung der Klägerin eine Unterlassungserklärung abgegeben.

    Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe die Rechtsverletzungen begangen. Sie hat geltend gemacht, der Beklagte sei zur Erstattung von Abmahnkosten - auf der Grundlage eines Streitwerts von 10.000,00 EUR in Höhe von 506,00 EUR sowie zur Zahlung von Schadensersatz nach der Lizenzanalogie in Höhe von 600,00 EUR verpflichtet.

    Der Beklagte hat seine Täterschaft in Abrede gestellt und darauf verwiesen, seine Ehefrau nutze den Internetanschluss selbstständig mit. Er hat ferner geltend gemacht, der von ihm eingesetzte Router habe eine massive Sicherheitslücke aufgewiesen, so dass sich Dritte unbefugt Zugang zu seinem WLAN-Anschluss hätten verschaffen können.

    Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen (Amtsgericht Braunschweig, CR 2014, 758). Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Landgericht Braunschweig, GRUR-RR 2015, 522). Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageforderungen weiter.




    Entscheidungsgründe:



    I.

    Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche für unbegründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

    Der Beklagte hafte nicht als Täter für die behauptete Rechtsverletzung.

    Der Klägerin sei der ihr nach allgemeinen Grundsätzen obliegende Nachweis der Täterschaft des Beklagten nicht gelungen. Die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers greife nur ein, wenn es sich bei dem Anschlussinhaber um den einzigen Nutzer des Anschlusses handele. Dem Beklagten obliege zwar hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen der tatsächlichen Vermutung vorliegen, eine sekundäre Darlegungslast, so dass er vortragen müsse, ob er den Anschluss allein nutze oder welche Familienangehörige, Bekannte oder Dritte ebenfalls zur Nutzung des Anschlusses in der Lage waren. Dieser Darlegungslast sei der Beklagte nachgekommen, indem er seine Ehefrau als Mitnutzerin benannt und konkret zum eingesetzten Router und der bei diesem bestehenden Sicherheitslücke vorgetragen habe. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast sei der Beklagte nichtverpflichtet, den Täter der Rechtsverletzung zu ermitteln und namentlich zu benennen. Ferner müsse er weder den Computer untersuchen noch konkreten Vortrag zu seinen Abwesenheitszeiten und denjenigen der Mitbenutzer halten.

    Der Beweis der Täterschaft des Beklagten sei der' Klägerin nicht gelungen. Zwar habe die Ehefrau als Zeugin bekundet, selbst keine Filesharing Software benutzt zu haben und den streitgegenständlichen Film nicht heruntergeladen und anderen Nutzern zum Download zur Verfügung gestellt zu haben. Die Kammer sei jedoch von der Wahrheit dieser Angaben nicht überzeugt. Es bestehe kein Anlass, den Angaben der Ehefrau mehr Glauben zu schenken als den Angaben des Beklagten. Der Beklagte hafte ferner auch nicht als Teilnehmer oder Störer.



    II.

    Die gegen diese Beurteilung'gerichtete Revision hat keinen Erfolg.


    1.

    Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass als Anspruchsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG heranzuziehen ist. Danach ist, wer das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich sowie vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

    Die Klägerin hat ihre Klage auf eine Verletzung ihrer ausschließlichen Verwertungsrechte gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 UrhG und damit auf ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht gestützt. Nach dieser Bestimmung hat der Filmhersteller das ausschließliche Recht, den Bildträger oder Bild- und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zu vervielfältigen, zu verbreiten und zur öffentlichen Vorführung, Funksendung oder öffentlichen Zugänglichmachung zu benutzen. Das Anbieten von Filmwerken mittels eines Filesharing-Programms in sogenannten "Peer-to-Peer"-Netzwerken im Internet verletzt das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung des Filmherstellers (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - I ZB 77/11, ZUM-RD 2012, 587 Rn. 32 f.; Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 1/15, GRUR 2016, 1275 Rn. 22 = WRP 2016, 1525 - Tannöd; Schulze in Dreier / Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 94 Rn. 40).


    2.

    Die Feststellung des Berufungsgerichts, die .Klägerin sei als Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte gemäß § 94 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG aktivlegitimiert, nimmt die Revision als für sie günstig hin, so dass hiervon für das Revisionsverfahren auszugehen ist.


    3.

    Das Berufungsgericht hat keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen, ob der Film [Name] - wie von der Klägerin behauptet - insgesamt vierzehnmal zu den von der Klägerin vorgetragenen Zeitpunkten über den Internetanschluss des Beklagten im Internet öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Für das Revisionsverfahren ist von diesem Vortrag der Klägerin auszugehen.


    4.

    Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte hafte nicht als Täter für die behaupteten Urheberrechtsverletzungen.


    a)

    Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Sie hat darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2012 - 1 ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 - Morpheus; Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 - BearShare; Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14, GRUR 2016, 191 Rn. 37 = WRP 2016, 73 - Tauschbörse III; Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 48/15, GRUR 2016, 1280 Rn. 32 = WRP 2017, 79 - Everytime we touch). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten (BGHZ 200, 76 Rn. 15 - BearShare; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 - Tauschbörse III).

    Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BC3HZ 200, 76 Rn. 15 ff. - BearShare, mwN; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 und 42 - Tauschbörse III; GRUR 2016, 1280 Rn. 33 - Everytime we touch). Mit diesen Grundsätzen-steht das Berufungsurteil im Einklang.


    b)

    Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen. die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast genügt.


    aa)

    Das Berufungsgericht hat angenommen, für die Erfüllung der sekundären Darlegungslast sei substantiierter Vortrag zu den Mitbenutzungsmöglichkeiten Dritter ausreichend; es sei nicht Sache des Beklagten, die gegen ein Eingreifen der tatsächlichen Vermutung für die Haftung des Anschlussinhabers sprechenden Umstände zu beweisen. Der Beklagte habe seine sekundäre Darlegungslast erfüllt, indem er seine Ehefrau als Mitnutzerin benannt und konkret zum eingesetzten Router und der bei diesem bestehenden Sicherheitslücke vorgetragen habe. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast sei der Beklagte nicht verpflichtet, den Täter der Rechtsverletzung zu ermitteln und namentlich zu benennen, den Computer zu untersuchen oder konkreten Vortrag zu den Abwesenheitszeiten des Anschlussinhabers und der Mitbenutzer zu halten.


    bb)

    Entgegen der Ansicht der Revision ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Annahme der täterschaftlichen Haftung des Anschlussinhabers erst in Betracht kommt, wenn der Anschlussinhaber der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Nutzung des Anschlusses durch Dritte nicht genügt. Hingegen besteht keine generelle Vermutung, dass der Anschlussinhaber Täter einer Urheberrechtsverletzung ist, die von seinem Anschluss aus begangen worden ist und die er widerlegen oder erschüttern müsste, nur weil er Inhaber des Anschlusses ist. Dies kommt nur in Betracht, wenn für die Täterschaft des Anschlussinhabers der Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) spricht. Für die Anwendung der Regeln über den Anscheinsbeweis ist im Falle der Urheberrechtsverletzung durch die Nutzung eines Internetanschlusses aber nicht ohne weiteres aufgrund der Inhaberschaft am Anschluss Raum.


    (1)

    Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Januar 1974 - VI ZR 53f71, VersR 1974, 750; Urteil vom 1. Oktober 2013 - VI ZR 409/12, MDR 2014, 155 Rn. 14; Versäumnisurteil vom 10. April 2014 - VII ZR 254/13, NJW-RR 2014, 1115 Rn. 9, jeweils m.w.N.). Im Wege des Anscheinsbeweises kann gegebenenfalls von einem bestimmten eingetretenen Erfolg auf die Ursache geschlossen werden (BGH, Urteil vom 22. Mai 1979 - VI ZR 97/78, VersR 1979, 822, 823; Urteil vom 5. November 1996 - VI ZR 343/95, VersR 1997, 205, 206; Urteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, NJW 2010, 1072 Rn. 8). Dieser Schluss setzt einen typischen Geschehensablauf voraus. Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BGH, VersR 1997, 205, 206; BGH, NJW 2010, 1072 Rn. 8; NJW-RR 2014, 1115 Rn. 9). Der Anscheinsbeweis ist entkräftet (erschüttert), wenn der Gegner die ernsthafte Möglichkeit eines anderweitigen Geschehensablaufs beweist (BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 - VI ZR 58/06, NJW-RR 2007, 1077 Rn. 10; Urteil vom 7. Februar 2013 - III ZR 200/11, NJW 2013, 1092 Rn. 28).


    (2)

    Für die Annahme, der Inhaber eines Internetanschlusses sei ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig der Täter einer mittels dieses Anschlusses begangenen Urheberrechtsverletzung, fehlt es an einer hinreichenden Typizität des Geschehensablaufs. Angesichts der naheliegenden Möglichkeit, dass der Anschlussinhaber Dritten Zugriff auf seinen Anschluss einräumt, besteht für die Annahme der Täterschaft des Anschlussinhabers keine hinreichend große Wahrscheinlichkeit. Da es sich bei der Nutzung des Anschlusses um Interna des Anschlussinhabers handelt, von denen der Urheberrechtsberechtigte im Regelfall keine Kenntnis hat, obliegt dem Anschlussinhaber insoweit allerdings eine sekundäre Darlegungslast (s. Rn. 15).


    cc)

    Die Revision wendet sich im Ergebnis ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast genügt, weil er seine Ehefrau als Mitnutzerin des Anschlusses benannt habe und eine Untersuchung der genutzten Computer auf das Vorhandensein von Filesharing-Software nicht erforderlich sei.


    (1)

    Die Bestimmung der Reichweite der dem Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast hat mit Blick darauf zu erfolgen, dass erst die Kenntnis von den Umständen der Anschlussnutzung durch den Anschlussinhaber dem Verletzten, dessen urheberrechtliche Position unter dem grundrechtlichen Schutz des Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und des Art. 14 Abs. 1 GG steht (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 2014 - C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 47 = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel; Wendt in Sachs, Grundgesetz, 7. Aufl., Art. 14 Rn. 20a, 24 mwN), eine Rechtsverfolgung ermöglicht. Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der unionsrechtlich vorgesehenen Positionen des geistigen Eigentums vorzusehen.

    Auf Seiten des Anschlussinhabers schützen allerdings die Grundrechte gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG das ungestörte eheliche und familiäre Zusammenleben vor staatlichen Beeinträchtigungen. Diese Grundrechte verpflichten den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen, und berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten (vgl. BVerfGE 6684, 94t-80, 81, 92; 81, 1, 6; Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Aufl., Art. 7 Rn. 19 f.; v. Coelln in Sachs aa0 Art. 6 Rn. 22). Werden dem Anschlussinhaber zur Abwendung seiner täterschaftlichen Haftung im Rahmen der sekundären Darlegungslast Auskünfte abverlangt, die das Verhaften seines Ehegatten oder seiner Kinder betreffen und diese dem Risiko einer zivil- oder strafrechtlichen Inanspruchnahme aussetzen, ist der Schutzbereich dieser Grundrechte berührt.

    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt es, wenn mehrere unionsrechtlich geschützte Grundrechte einander widerstreiten, den Behörden oder Gerichten der Mitgliedstaaten, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Rechten sicherzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2008 - C-275/06, Sig. 2008, 1-271 = GRUR 2008, 241 Rn. 68 - Promusicae; EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 46 - UPC Telekabel; EuGH, Urteil vom 15. September 2016 - C-484/14, GRUR 2016, 1146 Rn. 83 = WRP 2016, 1486 - Sony Music / McFadden). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Konflikt zwischen grundrechtlich geschützten Positionen verschiedener Grundrechtsträger nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz zu lösen, der fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (vgl. BVerfGE 28, 243, 260 f.; 41, 29, 50; 52, 223, 247, 251; 93, 1, 21).


    (2)

    Im Streitfall hat das Berufungsgericht die Reichweite der dem Beklagten obliegenden sekundären Darlegungslast auch unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtspositionen im Ergebnis zutreffend bestimmt.

    Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte vorgetragen, seine Ehefrau habe über einen eigenen Computer Zugang zu seinem Internetanschluss gehabt, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Internetnutzung durch seine Ehefrau mitzuteilen. Dies war allerdings auch nicht erforderlich. Weitergehende Nachprüfungen dahingehend, ob die Ehefrau hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Zugriffszeiten oder wegen der Art der Internetnutzung als Täterin der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommt, waren dem Beklagten nicht zumutbar. Soweit die Revision darauf verweist, dass im Transportrecht dem Spediteur, der am Tage des Schadenseintritts vom Schaden Kenntnis erlangt, die Pflicht zur sofortigen Recherche und Aufklärung des Schadensereignisses obliegt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2002 - I ZR 34/00, TranspR 2002, 408), verkennt sie, dass Handlungspflichten im kaufmännischen Verkehr nicht ohne weiteres auf das Verhalten von Privatleuten übertragbar sind. Es ist schon zweifelhaft, ob es dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses generell zumutbar ist, Zeit und Art der Internetnutzung rückwirkend aufzuzeichnen und zu dokumentieren, wenn in einer Abmahnung internetbezogene Urheberrechtsverletzungen behauptet werden. Jedenfalls aber steht im Streitfall auch unter Berücksichtigung des für die Klägerin sprechenden Eigentumsschutzes (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und des Art. 14 Abs. 1 GG) der zugunsten des Anschlussinhabers wirkende grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG) der Annahme weitergehender Nachforschungs- und Mitteilungspflichten entgegen. Es ist dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses nicht zumutbar, die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Ebenfalls unzumutbar ist es, dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen.

    Soweit das Berufungsgericht eine Untersuchung des Computers generell nicht für erforderlich gehalten hat, stellt dies eine zu weitgehende Einschränkung der dem Anschlussinhaber obliegenden Pflichten dar. Im Rahmen des Vortrags zu Umständen, die seine eigene Internetnutzung betreffen, kann der Anschlussinhaber vielmehr auch zu der Angabe verpflichtet sein, ob auf dem von ihm genutzten Computer Filesharing-Software vorhanden ist (vgl. BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 41 f. - Tauschbörse III). Insoweit erweist sich das Urteil des Berufungsgerichts allerdings aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO), weil der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu vorgetragen und angegeben hat, auf seinem Computer sei keine entsprechende Software vorhanden gewesen.


    c)

    Ohne Erfolg greift die Revision die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an.


    aa)

    Das Berufungsgericht hat ausgeführt, aufgrund der Bekundungen der als Zeugin vernommenen Ehefrau des Beklagten stehe fest, dass diese im Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzungen den Internetanschluss des Beklagten selbstständig mitbenutzt habe. Die Aussage der Zeugin sei ersichtlich aufgrund eigener Erinnerung erfolgt und insoweit glaubhaft. Der Beweis der Täterschaft des Beklagten sei der Klägerin aber nicht gelungen. Zwar habe die Zeugin angegeben, selbst keine Filesharing-Software benutzt und den streitgegenständlichen Film weder heruntergeladen noch anderen Nutzern über eine Tauschbörse zur Verfügung gestellt zu haben. Die Kammer sei jedoch nicht von der Wahrheit dieser Angaben überzeugt. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Ehefrau, wäre sie tatsächlich Täterin gewesen, die Rechtsverletzungen eingeräumt hätte. Insoweit bestehe kein Anlass, den Angaben der Ehefrau mehr Glauben zu schenken als den Angaben des Beklagten, der seine Täterschaft ebenfalls in Abrede stelle. Der Kammer seien die Bekundungen des Beklagten, mit Filesharing nichts zu tun zu haben, durchaus nachvollziehbar und glaubhaft erschienen, so dass die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht hinreichend von der Täterschaft des Beklagten überzeugt sei.


    bb)

    Ohne Erfolg rügt die Revision, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts zur Frage, ob die Ehefrau den Internetanschluss des Beklagten selbstständig mitbenutzt habe, sei mangels Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Zeugin rechtsfehlerhaft.


    (1)

    Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für unwahr zu erachten ist. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2013 - VI ZR 44/12, VersR 2013, 1045 Rn. 13; Urteil vom 11. November 2014 - VI ZR 76/13, NJW 2015, 411 Rn. 13 mwN). Solche Fehler sind im Streitfall nicht gegeben.


    (2)

    Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht hinreichend deutlich gemacht, aus welchen Gründen es die Angabe der Zeugin, den Internetanschluss des Beklagten selbstständig mitbenutzt zu haben, zur Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung gemacht hat. Das Berufungsgericht hat die Bekundungen der Zeugin zu ihrer Internetnutzung als detailreich, nachvollziehbar und aufgrund eigener Erinnerung charakterisiert und sie insgesamt als glaubhaft bewertet. Das Berufungsgericht hegte insoweit erkennbar auch keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin. Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich einwandfrei. Sie ist auch nicht im Hinblick darauf widersprüchlich, dass das Berufungsgericht sich von der Wahrheit der weiteren Bekundung der Zeugin, die behaupteten Rechtsverletzungen nicht begangen zu haben, nicht zu überzeugen vermochte. Das Berufungsgericht hat darauf verwiesen, es sei nicht zu erwarten gewesen, dass sich die Zeugin selbst der Rechtsverletzungen bezichtige wenn sie sie tatsächlich-begangen haben sollte. Das Berufungsgericht hat in die Würdigung ferner die von ihm als nachvollziehbar und glaubhaft beurteilte Einlassung des Beklagten einbezogen, kein Filesharing betrieben zu haben, und diese für nicht weniger überzeugungskräftig gehalten als die Bekundungen der Zeugin. Das Berufungsgericht hat damit plausibel dargelegt, warum es die Zeugin nur teilweise als glaubwürdig angesehen hat. Soweit die Revision darauf verweist, die Zeugin könnte ihre Internetnutzung wahrheitswidrig zu dem Zweck behauptet haben, um den Beklagten vor einer Verurteilung zu schützen, setzt die Revision lediglich in revisionsrechtlich unbehelflicher Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle der Würdigung des Tatrichters. Gleiches gilt für den Einwand der Revision, die Zeugin hätte sich vor einer Selbstbezichtigung auch durch die Ausübung ihres Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 384 Nr. 2 ZPO schützen können.


    cc)

    Die Revision rügt weiter ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als erwiesen erachtet hat, dass die Zeugin im behaupteten Tatzeitpunkt den Internetanschluss des Beklagten selbstständig mitbenutzt hat.

    Die Zeugin hat, wie auch die Revision nicht verkennt, bekundet, im Jahr 2010 den Computer benutzt zu haben, um Videospiele zu spielen und ins Internet zu gehen. Auf dieser Grundlage ist die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts zum Zeitpunkt der Internetnutzung durch die Zeugin revisionsrechtlich einwandfrei.

    Die Revision greift weiter erfolglos die Feststellung des Berufungsgerichts an, die Zeugin habe das Internet selbstständig genutzt. Nach der Würdigung des Berufungsgerichts hat die Zeugin [Name] bestellt, das soziale Netzwerk [Name] besucht und das Online-Spiel [Name] gespielt.

    Diese Würdigung unterliegt keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Revision - nicht aus dem Umstand, dass die Zeugin ferner bekundet hat, sie und der Beklagte seien "immer zusammen" gewesen, wenn der Beklagte zu Hause gewesen sei. Diese Bekundung steht der Würdigung des Berufungsgerichts nicht entgegen, weil das Berufungsgericht erkennbar davon ausgegangen ist, dass die Zeugin das Internet auch während der Abwesenheit des Beklagten benutzt hat. Soweit die Revision dies anders sieht, handelt es sich wiederum um eine revisionsrechtlich erfolglose, abweichende Würdigung der tatrichterlichen Feststellungen.


    5.

    Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte hafte weder als Teilnehmer an einer rechtswidrigen Haupttat noch als Störer, wendet sich die Revision nicht.


    6.

    Mangels einer Haftung des Beklagten als Täter, Teilnehmer oder Störer besteht, wie das. Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen hat, auch kein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten.



    III.

    Danach ist die Revision auf Kosten der Klägerin zurückzuweisen.



    Vorinstanzen:
    AG Braunschweig, Entscheidung vom 27.08.2014 - 117 C 1049/14 -
    LG Braunschweig, Entscheidung vom 01.07.2015 - 9 S 433/14 (59) - (...)





~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

BGH, Urteil vom 06.10.2016, I ZR 154/15: "Afterlife",
WALDORF FROMMER Rechtsanwälte,
Bundesgerichtshof

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5662 Beitrag von Barbara80 » Samstag 4. März 2017, 18:48

Gibt es denn welche hier aus dem Forum die wegen WF vor Gericht waren? Habe nicht das ganze Forum durchgelesen.

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5663 Beitrag von dsc0080 » Samstag 4. März 2017, 22:09

Mal eine aktuelle Frage zu meinem Fall, zu der ich nichts konkretes finden konnte:

Wenn man es bereits so weit getrieben hat, dass ein MB ins Haus geflattert kommt hat man ja nun nur noch die Möglichkeit, die Klage zu riskieren oder eben zu zahlen/vergleichen.

Angenommen man widerspricht und zahlt nicht und WF erhebt tatsächlich Klage: Ich nehme an, an diesem Punkt wird man sich immer noch vergleichen können, da es ja auch im Interesse von WF ist, eine Gerichtsverhandlung zu vermeiden.

Würden die geforderten Kosten und damit die Vergleichssumme durch die Klageerhebung signifikant ansteigen? Gerichts- und Anwaltskosten können ja eigentlich erst zustande kommen, wenn ein Prozess stattgefunden hat, oder?. Wäre es an diesem Punkt nicht schlauer, nach dem MB erst abzuwarten ob geklagt wird, um sich erst dann zu vergleichen? Der Unterschied in der Forderung wird ja nicht so groß sein? Sicherlich wird man hier nicht mal viel raushandeln können, aber scheinbar sind ja mittlerweile ohnehin nur noch 80% drin.

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5664 Beitrag von Steffen » Samstag 4. März 2017, 23:04

Es ist ja eigentlich wie immer. Man muss den Status quo einschätzen, beurteilen und sich dann - nach Klarwerden aller möglichen Folgen / Risiken / Kosten - entscheiden.

Wenn man einen MB erhalten hat, ist das Risiko einer möglichen Anspruchsbegründung nach eingelegtem Widerspruch gegeben. Natürlich tauchen dann gern wieder vereinzelte User auf, bei denen nichts passierte. Das ist wohl war. Aber wer nicht zahlt, entscheidet sich für entweder Klage oder Verjährung. Punkt.

Natürlich könnte man - insgesamt - widersprechen, abwarten und sich mit erhaltener Klage vergleichen. Nur der Abmahner soll seine Preise beim Vergleich ab MB angezogen haben, so dass man mit ca. 1.300,- € rechnen muss. Bei einer Klage kämen sicherlich noch ca. 300,- - 400,- € an Kosten für das Gerichtsverfahren als Kostenfestsetzungsbeschluss obendrauf.

Dabei ist es auch egal. Kommt nichts, hat man alles richtig gemacht. Kommt eine Klage, muss man sich neu entscheiden. Diese Entscheidung kann dir keiner abnehmen.

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5665 Beitrag von Barbara80 » Sonntag 5. März 2017, 09:59

Ich habe noch eine Frage.
An dem Tag wo ich das Abmahnschreiben bekam wusste ich gar nicht von was die dort sprechen und habe dort angerufen, die haben dann natürlich gesagt auch wenn ich es nicht war muß ich dafür haften, weil AI. Daraufhin haben die mir gesagt ich solle es in Raten zahlen, wo ich gesagt habe "wenn dann käme es eh in Raten zahlen in Frage", ich habe erst später dieses Forum entdeckt. Gilt das jetzt al Schuldeingestädnis? Unterschrieben habe ich nichts, der AW sagt solange ich nichts unterschrieben habe wäre es nicht so schlimm, nur habe ich gelesen das die es ja gegen mich verwenden könnten und so noch bessere chancen vor Gericht hätten?

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5666 Beitrag von Steffen » Sonntag 5. März 2017, 10:36

Hallo @ Barbara80,

natürlich wird kein Abmahner dir bei einem Anruf sagen, dass es sich um ein Versehen handelt, nur weil DU der Meinung bist, dass die Abmahnung unberechtigt sei. Das Abmahnschreiben ist auch erst einmal selbsterklärend. Und wenn man keinen Plan hat, muss man einen Profi hinzuziehen. Dies wird zwar für dich erst einmal hart klingen, ist aber so.

Sicherlich kann man belanglos über eine mögliche Ratenzahlung sprechen, solange man keinen konkreten Vergleich abgeschlossen hat. Ein Vergleich kommt zu Stande, wenn beide Parteien konkrete und einvernehmliche Vereinbarungen treffen. Es gilt zwar auch eine mündliche Vereinbarung, in der Regel erhält man aber ein Schriftstück, wo die Vergleichsvereinbarungen festgehalten werden und dann zu einem Vertrag werden. Ein Floskel "wenn dann käme es eh in Raten zahlen in Frage", hieraus kann man kein Schuldanerkenntnis konstruieren. Natürlich kenne ich nicht den 100%-igen Inhalt deines Gespräches mit dem Abmahner und kann nur das Einschätzen, was Du anbietest. Ich nehmaber an, dass Du dem AW alles mitgeteilt hast.

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5667 Beitrag von Barbara80 » Sonntag 5. März 2017, 10:53

Ja der Anwalt weiß Bescheid, die haben mir am Telefon gesagt das die mir noch eine Unterlassungserklärung schicken die ich dann unterschreiben soll, das werde ich natürlich nicht tun, ich habe ja schon Modifizierte rausgeschickt.

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5668 Beitrag von Steffen » Sonntag 5. März 2017, 10:59

O.K. Wichtig ist sich jetzt - solange alles frisch ist - sich über die eigene Situation am Anschluss zum Vorwurf klarzuwerden. Aber das hat dir bestimmt schon der AW gesagt. Denn mit "mod. UE + Nichtzahlen" ist es nicht allein getan. Im Grundsatz hat der Abmahner für die Abmahnkosten = 3 Jahre Zeit, für den Rest-Schadensersatz = 10 Jahre.

VG Steffen

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5669 Beitrag von Barbara80 » Sonntag 5. März 2017, 11:13

Ja der Anwalt hat mir gesagt das ich solange nichts unterschrieben habe ist es noch Ok. Ich habe natürlich nur Angst das die sagen können das es eine Mündliche Absprache war und deshalb ich jetzt auch zahlen soll. Der Anwalt hat erstmal gesagt ich solle nichts zahlen, die müssten es schon schriftlich haben wenn ich mit der Zahlung einverstanden wäre.

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5670 Beitrag von Steffen » Sonntag 5. März 2017, 11:48

Einfach auf dem Anwalt hören.

VG Steffen

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5671 Beitrag von Barbara80 » Sonntag 5. März 2017, 13:17

Was ich jetzt in der Abmahnung gelesen habe macht mir wieder Angst, dort steht: "Um eine reibungslose Abwicklung zu gewährleisten bitte nur die Originale Unterlassungserklärung zurückschicken", dann steht noch drauf "wenn Sie den Betrag nicht zahlen gehen wir davon aus, das Sie auf eine außergerichtliche Abwicklung nicht interessiert sind" heißt das die können dann sofort klagen ohne noch eine Abmahnung zu schicken?

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5672 Beitrag von Steffen » Sonntag 5. März 2017, 14:47

Warum hast Du Angst? Du hast doch alles mit deinem Anwalt besprochen.


§ 97 Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz UrhG
  • (1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.


§ 97a Abmahnung UrhG
  • (1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.

    (2) (...)

    (...)

    4. wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. (...)


BGH, Urt. v. 21.02.2008, I ZR 142/05 - Buchführungsbüro
  • (...) Eine Unterlassungserklärung muss, um die durch eine Verletzungshandlung begründete Gefahr der Wiederholung entsprechender Wettbewerbsverstöße auszuräumen, eindeutig und hinreichend bestimmt sein und den ernstlichen Willen des Schuldners erkennen lassen, die betreffende Handlung nicht mehr zu begehen, und daher durch ein angemessenes Vertragsstrafeversprechen abgesichert sein. Sie muss außerdem den bestehenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang voll abdecken und dementsprechend uneingeschränkt, unwiderruflich, unbedingt und grundsätzlich auch ohne die Angabe eines Endtermins erfolgen. Beschränkungen der Unterlassungserklärung, die lediglich einer Begrenzung des Unterlassungsanspruchs des Gläubigers nach materiellem Recht entsprechen, sind jedoch unbedenklich. (...)

Das bedeutet, der Abmahner kann zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr - Abgeltung des Unterlassungsanspruches - die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung fordern. In der Regel wird ein Entwurf einer möglichen Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung dem Abmahnschreiben beigefügt, muss aber nicht.



OLG Hamm, Urt. v. 23.1.2014, 4 U 118/13, Tz. 55
  • (...) Sofern die Abmahnung alles, was nötig ist (konkrete Beanstandung, Aufforderung zur Abgabe einer Unterwerfungserklärung), enthält, ist es unschädlich, wenn der Gläubiger mit der vorgeschlagenen Unterwerfungserklärung mehr fordert, als ihm zusteht. Denn es ist Sache des Schuldners, auf Grund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben. Bei einer zu weitgehenden Forderung bleibt es also dem Schuldner überlassen, eine ausreichende Unterwerfungserklärung abzugeben (Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.17). (...)

Das bedeute, für die letztendliche Abfassung (Inhalt) - wie weit, der wie eng er sie abfasst - ist allein der Unterlassungsschuldner (Abgemahnte) verantwortlich. Erfüllt diese die Anforderungen - wie regelmäßig das Musterschreiben - räumt diese die Wiederholungsgefahr aus. Es gibt kein Gesetz, kein Urteil wo geschrieben steht, das man die originale UVE abgeben muss. Also keine Angst. Gibt es Beanstandungen, wird eine es mitgeteilt.


Natürlich kann der Abmahner klagen, wenn man die Zahlung verweigert. Was hast Du denn gedacht?


VG Steffen

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5673 Beitrag von Barbara80 » Sonntag 5. März 2017, 15:54

Ich habe Angst, weil ich hier im Forums gelesen habe das Anwälte manchmal auch falsch beraten haben...Naja aber ich bin erstmal beruhigt das wenn es was zu beanstanden gibt bei der Mod.UE die es einen mitteilen und nicht schon gleich eine Unterlassungsklage erfolgt.

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5674 Beitrag von Steffen » Sonntag 5. März 2017, 17:13

Einmal können auch Foren falsch beraten. Richtig hingegen dürften sie es eigentlich auch nicht, da es nur Anwälten vorbehalten ist.

Wenn man die Hinweise zum Musterschreiben (mod. UE) beachtet, dann sollte es keine Problem geben.

VG Steffen

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5675 Beitrag von Barbara80 » Sonntag 5. März 2017, 17:24

Vielen dank Steffen für deine Geduld auf meine Fragen.
Ich denke ich habe alles beachtet bei der Mod UE, aber wenn ich morgen mein Bertungsschein bekomme will der Anwalt trotzdem noch eine weitere hinschicken, ich denke wenigsten die müssen die ja annehmen.

Vielen dank nochmal

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5676 Beitrag von Frikadelle » Montag 6. März 2017, 18:07

Hier geht was ab?!

Ich hab vor einigen Tagen auch ein Schreiben von WF erhalten und bin dadurch auf dieses Forum gestoßen. Ich bin ganz schön überrascht wie groß die Abmahn-Industrie ist.

Zu meinem Fall:
Ich, Anschlussinhaber, habe den den betreffenden Film nicht runter- bzw hochgeladen. Aber möglicherweise einer der volljährigen Mitbenutzer des Anschlusses. Hab alle befragt, will aber keiner gewesen sein. Zwei von ihnen haben mich sogar den PC auf Taushbörsen Software untersuchen lassen, die anderen zwei haben es "nur" abgestritten. Ich bin aber gewillt auch Ihnen zu glauben, schließlich haben wir Netflix und Prime, und somit ein Überangebot an Unterhaltungsmedien.

Mein Vorhaben:
Mod.UE + erst einmal aussitzen und sparen.
Auf eine Klage ankommen lassen, da ich tatsächlich unschuldig bin.

Meine Frage:
Sollte ich der sekundären Darlegungslast sofort nachkommen (mit Anwalt) oder soll ich damit warten.
Der Gedanke ist, dass ich Ihnen die Möglichkeit bieten will den wahren Täter zu ermitteln. Darauf werden die sich aber nicht einlassen bei 4 weiteren Personen. Wie ich hier im Thread lese, werden die sich weiterhin auf mich einschießen. Dies will ich Ihnen aber dann vor Gericht (wahrscheinlich in 3 Jahren :)) vorwerfen, bzw vom Richter vorwerfen lassen.


Ist das klug oder dumm oder macht es sogar keinen Unterschied ob ich meiner sek. Darlegungslast jetzt oder erst in zwei Jahren nachkomme?

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5677 Beitrag von c3po » Montag 6. März 2017, 20:46

https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 45455.html

Wie ist das Urteil jetzt zu verstehen? Sobald mehrere Personen im Haushalt hinter einem Router stecken, muss der Kläger nachweisen, wer es war? Oder gilt das nur für Familien?
Gab es da nicht bereits Urteile bei WGs, die verloren wurden? Wieso ist das jetzt hier anders?

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Steffen
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BGH - I ZR 154/15 - Afterlife

#5678 Beitrag von Steffen » Montag 6. März 2017, 23:38

Wilde, Beuger, Solmecke Rechtsanwälte (Köln): Grundsatzentscheidung des BGH - Anschlussinhaber muss nicht bei Ehepartner nachforschen


23:35 Uhr


Der Bundesgerichtshof hat in einem heute veröffentlichten Urteil entschieden, dass ein wegen Tauschbörsennutzung abgemahnter Anschlussinhaber nicht verpflichtet werden kann, den Computer seiner Familienmitglieder auf möglicherweise vorhandene Tauschbörsensoftware zu durchsuchen (BGH Az. I ZR 154/15 - Afterlife).



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Bild

Rechtsanwalt Christian Solmecke, LL.M.



WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte GbR

Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29 | 50672 Köln
Tel.: 0221 / 951 563 0 | Fax: 0221 / 400 675 52
E-Mail: info@wbs-law.de | Web: www.wbs-law.de




Bericht

Link:
https://www.wbs-law.de/abmahnung-filesh ... hen-69473/



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Falls der Anschlussinhaber keine Filme oder Musik getauscht hat, muss er nur nachweisen, wer sonst als potenzieller Täter in Betracht kommt. "Das ist ein weiterer Sieg und Meilenstein im Kampf gegen die Massenabmahnungen in Filesharing-Verfahren", sagt der Kölner Medienanwalt Christian Solmecke, der das Verfahren für den Abgemahnten bis vor den BGH gebracht hat.



Anschlussinhaber ist nur zu zumutbaren Nachforschungen verpflichtet

Bis zu dieser Entscheidung war noch unklar, inwieweit der abgemahnte Internet-Anschlussinhaber zu Nachforschungen bezüglich der potenziellen Nutzung seines Anschlusses durch Dritte verpflichtet ist, um sich selbst zu entlasten. "Der BGH hat nun in seiner Entscheidung erfreulicherweise deutlich festgestellt, dass die Nachforschung lediglich auf einen möglichen Zugriff potenzieller Täter und deren Namen bezogen sind. Für Verheiratete ist es ausreichend, wenn sie dem Gericht mitteilen, dass der Ehepartner selbstständig Zugriff auf den Computer hatte. Weitergehende Nachforschungen sind dem Anschlussinhaber nicht zuzumuten", erklärt Solmecke.



Anschlussinhaber muss nicht zu konkreter Internetnutzung des Ehegatten nachforschen

Seit dem BearShare Urteil (Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12 - BearShare) des Bundesgerichtshofs (BGH) steht fest, dass eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht besteht, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung andere volljährige Familienmitglieder diesen Anschluss benutzen konnten. Nach Ansicht des BGH muss mitgeteilt werden, dass Dritte Zugriff hatten, wer diese Dritten sind und, dass sie als Täter in Betracht kommen. Um diese Informationen zu bekommen, seien jedoch nur zumutbare Nachforschungen anzustellen. In Fortführung der BearShare-Rechtsprechung bestätigte der 1. Zivilsenat des BGH nun also die Auffassung unserer Kanzlei, dass der Abgemahnte selbst nicht den Täter finden und diesen benennen muss.

Zwar ist der Anschlussinhaber verpflichtet, seinen eigenen Computer zu untersuchen und mitzuteilen, ob sich Filesharing-Software darauf befunden hat. Eine darüber hinausgehende Untersuchung des Ehegatten-Computers, insbesondere im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software, ist dem Anschlussinhaber jedoch nicht zumutbar. Das dürfte auch dann gelten, wenn auf einem gemeinsamen Computer verschiedene passwortgeschützte Accounts existieren sollten. Auch Nachforschungen zu den Zugriffszeiten auf den Internetanschluss oder zu der Art der Internetnutzung des Ehegatten sind dem Anschlussinhaber nicht zumutbar. Fest steht nun auch, dass die vielfach von der Abmahnindustrie angeführte Transportrechtsentscheidung des BGH, die den Umfang von Nachforschungspflichten für Unternehmen feststeckt, nicht auf Privatpersonen übertragbar ist. „Der Abgemahnte muss seine Familienangehörigen also nicht wie ein Staatsanwalt verhören oder ihre Computer durchsuchen“, erklärt Solmecke. Dies ist weder mit Artikel 7 der EU-Grundrechtscharta noch mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar, machte das Gericht deutlich. Damit stellt der BGH die durch das Grundgesetz geschützte Familie, über die Rechte der Musikindustrie.



Ehefrau des Anschlussinhabers nutzte ebenfalls das W-LAN Netz

Im entschiedenen Fall wurde der Anschlussinhaber für den Tausch des Films "Resident Evil: Afterlife 3D" durch den Rechteinhaber Constantin Film, vertreten durch die Münchner Kanzlei Waldorf Frommer, in Anspruch genommen. Dabei hatte auch seine Ehefrau Zugriff auf den Anschluss. Das Landgericht Braunschweig hatte die Ehefrau des Beklagten als Zeugin vernommen. Diese hatte ausgesagt, dass sie den Internetanschluss genutzt hat, allerdings den Film nicht zum Download bereitgestellt hat. Nach Ansicht des Gerichts handele es sich um eine Schutzbehauptung, da die Zeugin sich kaum selbst belasten würde. Somit hielt das Landgericht eine Täterschaft der Ehefrau nach wie vor für möglich, selbst wenn diese nicht abschließend fest stand. Der Beklagte hatte vorgetragen, dass er selbst zu den vorgetragenen Zeitpunkten des Downloads nicht zu Hause, sondern beruflich unterwegs war. Auf seinem Laptop, den er bei sich führte, befand sich keine Filesharing-Software. Weitere Nachforschungen hatte er nicht betrieben. Insbesondere hatte er den Computer der Ehefrau nicht auf Filesharing-Software hin untersucht. Das Gericht war von der Täterschaft des Beklagten nicht überzeugt und hat diesen nicht zur Zahlung verurteilt.



Die komplette Entscheidung kann hier im Volltext abgerufen werden:

http://wbs.is/bgh-afterlife




Vorinstanzen:

AG Braunschweig, Urteil vom 27.08.2014, Az. 117 C 1049/14

Landgericht Braunschweig, Urteil vom 01.07.2015, Az. 117 C 1049/14



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


BGH, Urteil vom 06.10.2016, I ZR 154/15: Afterlife,
Rechtsanwalt Christian Solmecke,
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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5679 Beitrag von Steffen » Dienstag 7. März 2017, 00:21

Hallo @Frikadelle,

es gibt erst einmal keine generelle Antwortpflicht des Abgemahnten (siehe etwa AG Hamburg, Beschluss vom 10.10.2016, Az. 25b C 20/16). Natürlich muss man jetzt unterscheiden, on man mit oder mit ohne Anwalt auf das Abmahnschreiben reagiert. Wenn man mit Anwalt reagiert, wird der Anwalt einen schon das Richtige vorschlagen. Wenn man mit ohne Anwalt reagiert und die Zahlung verweigert, sollte man erst einmal nur eine mod. UE abgeben. Natürlich sollte man jetzt Beweise sammeln, die Mitnutzer befragen, alles aufschreiben usw. usf.




Hallo @c3po,

Wie ist das Urteil jetzt zu verstehen? Das ist die Frage der Fragen.


Hier einmal die Einschätzung, des
  • a) (unterlegenen) Revisionskläger (WF): Link
    b) (erfolgreichen) Revisionsbeklagten (WBS): Link
Man wird sehen, welche Prognosen zutreffen. Es kann und wird Erleichterungen bringen in der Konstellation: "Ehemann bzw. Ehefrau = AI; Mitnutzer = Familienmitglied". Man sollte aber immer im Hinterkopf behalten, dass es eine Einzelfallentscheidung ist. Was viele Theoretiker vergessen, die Beweiswürdigung liegt beim jeweiligen Tatrichter.

a) wenn er weitere Nachforschungen verlangt, dann ist es so
b) wenn er der Zeugenaussage/n glaubt, hat das LG dann meist keine Chance es anzugreifen


Der BGH hält im Grundsatz an der dogmatischen 2-Säulenverteidigung (tatsächliche Vermutung, sekundäre Darlegungslast) fest. In der Konstellation: "Ehemann bzw. Ehefrau = AI; Mitnutzer = Familienmitglied" wurden die Nachforschungspflichten entschärft.

Der BGH sagte aber, das der Beklagte nur seiner sekundären Darlegungslast gerecht wurde, weil
a) Mitnutzer - Ehefrau - benannte
b) Sicherheitsmängel zum Router vortrug i.V.m. der Zeugenaussage - Ehefrau -


Man wird sehen, was in Zukunft diese Entscheidung wert ist und wie die entsprechenden Tatrichter ermessen. Da wird wohl der 30.03. (BGH-Termine) mehr Licht ins Dunkel bringen.

VG Steffen

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Re: Abmahnungen von Waldorf Frommer Rechtsanwälte

#5680 Beitrag von c3po » Dienstag 7. März 2017, 09:50

Verstehe.. es bleibt also letztenendlich eine Einzelfallentscheidung und ein anderer Richter muss diese nicht unbedingt in Zukunft teilen.
Ferner scheint Art. 6 GG in diesem Urteil eine besondere Rolle zu spielen, weshalb es nicht auf WGs übertragbar ist.
Was mich noch interessieren würde ist, wenn man seine Mitbewohner benennt als Nutzer des gleichen Routers, inwieweit muss man dann noch weiter Nachforschungen tätigen? Liegt es dann nicht auch wieder beim Kläger nachzuweisen, wer es tatsächlich war, der bsp. über Bittorrent ein Werk verteilt hat (was technisch von außen ja eher unmöglich ist, ohne Nutzernamen, sondern nur mit einer IP - dazu müsste der Kläger Zugriff auf alle potentiellen Rechner bekommen um selbst die Festplatten auszuwerten).

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