(...) hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 218, auf die mündliche Verhandlung vom 09.07.2015 durch die Richterin am Amtsgericht [Name] für Recht erkannt:
- 1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die vorläufige Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadens- und Aufwendungsersatz wegen eines behaupteten Urheberrechtsverstoßes in Anspruch.
Die Klägerin ist Inhaberin der Nutzungsrechte an dem Musikalbum "[Name]" von [Name].
Mit Schreiben vom xx.01.2012 wurde der Beklagte abgemahnt (BI. 47 - 51). Er gab eine Unterlassungserklärung ab (BI. 59, 60).
Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Die Klägerin behauptet, das Album sei über die IP-Adresse [IP-Adresse] innerhalb einer sog. Tauschbörse am xx.12.2011 um 20:08:xx Uhr und um 20:24:xx Uhr zum Download angeboten worden. Die IP-Adresse sei zu diesen Zeitpunkten dem Beklagten zugeordnet gewesen, wie sich aus der Auskunft der [Name] (Anlage K 3 = BI. 44) aufgrund des Beschlusses des LG [Name] vom xx.12.2011 (Anlage K 4-1 = BI. 54 - 58) ergebe.
Die Klägerin behauptet weiter, außer dem Beklagten habe niemand Zugriff auf den Internetanschluss gehabt, insbesondere nicht zum Tatzeitpunkt. Das gelte auch für Ehefrau und Tochter des Beklagten.
Sie ist der Auffassung, die vom BGH in derartigen Fällen angenommene Vermutung sei weder widerlegt noch erschüttert. Der Beklagte hätte vortragen müssen, dass eine bestimmte Person als Täter der Rechtsverletzung konkret in Betracht komme. Die Vermutung wirke fort, solange die streitige Zugriffsmöglichkeit anderer Personen prozessual nicht feststehe. Zudem sei die Beklagte der sekundären Darlegungslast, die gänzlich unabhängig von der widerleglichen Vermutung bestehe, nicht nachgekommen. Insofern seien strenge Anforderungen an Detailgrad und Plausibilität des Beklagtenvortrags zu stellen. Der Sachvortrag des Anschussinhabers müsse wegen der sekundären Darlegungslast konkret verletzungsbezogen sein und über die bloße Existenz dritter zugriffsberechtigter Personen hinausgehen. Es bestehe eine gesteigerte Darlegungslast, ob weitere Personen zum konkreten Tatzeitpunkt den Anschluss tatsächlich genutzt hätten und wer von diesen Personen aus welchen Gründen als Täter in Betracht komme. Daraus ergebe sich eine Nachforschungspflicht, der der Beklagte nicht nachgekommen sei. Insofern oblägen dem Anschlussinhaber konkrete Ermittlungen zu den näheren Umständen des Schadensfalls. Es sei dem Anschlussinhaber auch zuzumuten, sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen voll und ganz auszuschöpfen, um die Rechtsverletzung aufzuklären. Zumindest seien Schilderungen zum konkreten Nutzungsverhalten zugriffsberechtigter Dritter erforderlich.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin
- 1. angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 450,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2014 sowie
2. 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2014 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, außer ihm hatten auch seine Ehefrau und seine Tochter, mit denen er in einem Haushalt lebe, Zugang zum Internetanschluss gehabt.
Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugen [Name] und [Name].
Wegen der Beweisfragen wird Bezug genommen auf den Beschluss vom 28.05.2015 (BI. 130, 131) und wegen des Beweisergebnisses auf das Protokoll vom 09.07.2015 (BI. 137, 138).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche nicht zu, da weder Täter- noch Störerhaftung feststehen. Dabei kommt es nicht einmal auf die Verjährungseinrede an.
Der Beklagte haftet nicht als Täter aus § 97 Abs. 2 UrhG auf Schadensersatz.
aa)
Die Klägerin trägt nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. BGHZ 200, 76, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14).
bb)
Im Streitfall spricht keine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Beklagten. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH GRUR 13, 511 Rdnr. 33f. Morpheus). Das diesbezügliche Bestreiten der Klägerin geht ins Leere, denn es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass innerhalb einer Familie - hier Ehemann, Ehefrau und Tochter - der Internetzugang zwar einem Familienmitglied zuzuordnen ist, weil dieses den entsprechenden Vertrag mit dem Provider abgeschlossen hat, der Anschluss aber gleichwohl über WLAN von jedem der Familienmitglieder genutzt wird.
Die vom BGH angenommene Vermutung (vgl. BGHZ 185, 330, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12 f.) ist in einer solchen Konstellation nur dann anzunehmen, wenn die weiteren Familienmitglieder den Internetanschluss im Tatzeitraum nicht nutzten oder nutzen konnten, beispielsweise, weil sie über längere Zeit nicht anwesend waren oder ihnen der Zugang absichtlich gesperrt worden ist. Für eine solche Ausnahmesituation ist aber wieder der Anspruchsteller darlegungs- und beweispflichtig.
Die Klägerin hat ihre Behauptung, Ehefrau und Tochter hätten den Internetzugang nicht genutzt, nicht bewiesen. Die beiden Zeuginnen haben von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 3 ZPO Gebrauch gemacht.
cc)
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass den Beklagten als Inhaber des Internetanschlusses eine sekundäre Darlegungslast trifft (vgl. BGHZ 185, 330 Rdnr. 12 - Sommer unseres Lebens); dieser hat er jedoch entsprochen.
(1)
Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (vgl. BGH GRUR 2012, 602 An, 23 - Vorschaubilder II, mwN). Diese Voraussetzung ist im Verhältnis zwischen der primär darlegungsbelasteten Klägerin und dem Beklagten als Anschlussinhaber im Blick auf die Nutzung seines Internetanschlusses erfüllt.
(2)
Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGHZ 200, 76 - BearShare - , zitiert nach juris, dort Rdnr. 18). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGH aaO.).
(3)
Der Beklagte hat seiner sekundären Darlegungslast dadurch entsprochen, dass er vorgetragen hat, in seinem Haushalt lebten Ehefrau und Tochter, die beide als Täter in Betracht kämen, eine Täterschaft auf Nachfrage aber verneint hätten.
dd)
Unter diesen Umständen ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH GRUR 13, 511 Rdnr. 35 - Morpheus). Allerdings hat die Klägerin nicht bewiesen, dass außer dem Beklagten niemand weiter den Internetanschluss genutzt hätte. Denn die beiden von ihr benannten Zeuginnen haben von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Und die Klägerin behauptet nicht, dass es sonstige konkrete Anhaltspunkte gäbe, dass nur der Beklagte den Urheberrechtsverstoß selbst begangen haben könnte.
Entgegen der Auffassung der Klägerin muss der Beklagte eben nicht weitergehende Nachforschungen anstellen, etwa, ob die Familienmitglieder zum Tatzeitpunkt anwesend waren, wie sie konkret das Internet nutzten oder gar in deren internetfähigen Geräten nach Tauschbörsensoftware oder gar dem konkreten Film suchen. Das wäre schon wegen des Nähe- und Vertrauensverhältnisses innerhalb einer Familie unzumutbar (so auch AG Bielefeld Urteil vom 05.02.2015 AZ.: 42 C 1001/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 15).
Der BGH verlangt - anders als die Klägerin meint nicht die Darlegung, wer tatsächlich den Internetzugang zum Tatzeitpunkt genutzt hat, sondern welche Personen ihn "nutzen konnten". Auch die von der Klägerin angenommene "gesteigerte Darlegungslast", wer wie wann den Anschluss tatsächlich genutzt hat und aus welchen Gründen er als Täter in Betracht kommt, existiert so nicht. Insbesondere muss nicht die Anwesenheit der in Betracht kommenden Personen zum konkreten Tatzeitpunkt dargelegt werden. Denn darauf kommt es beim Filesharing gerade nicht an, weil der Down- und Upload auch in Abwesenheit des jeweiligen Nutzers erfolgen kann und erfolgt (so auch AG Bielefeld aaO. Rdnr. 16).
2.
Entgegen der Ansicht der Klägerin haftet der Beklagte auch nicht als Störer auf Aufwendungsersatz nach § 97a UrhG.
Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung als Störer nach der Rechtsprechung des BGH die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus. Ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 200, 76 - BearShare -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22).
Der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen. (BGH aaO. Rn. 24). Dass der Fall vorliegend anders gelagert wäre ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch hinsichtlich der jetzt 21-jährigen, damals etwa 17-jährigen Tochter gilt nichts anderes (vgl. BGH GRUR 13, 511 - Morpheus).
Nach alle dem besteht kein Anspruch auf Schadens- der Aufwendungsersatz, mithin auch nicht auf darauf entfallende Zinsen.
3.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 956,00 EUR. (...)