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Steffen
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Verf-Beschwer VDSG

#10481 Beitrag von Steffen » Freitag 18. Dezember 2015, 22:48

"Wir haben soeben gegen die am heutigen Tage in Kraft getretene
Vorratsdatenspeicherung Verfassungsbeschwerde erhoben."



22:50 Uhr


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MMR Müller Müller Rößner Rechtsanwälte Partnerschaft

Rechtsanwalt Carl Christian Müller, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Rechtsanwalt Thomas G. Müller, LL.M.
Rechtsanwalt Sören Rößner, LL.M.

Kanzlei Berlin
Mauerstraße 66
10117 Berlin
Telefon: 030 206 436 810
Telefax: 030 206 436 811

Zweigstelle Mainz
Christofsstraße 5
55116 Mainz
Telefon: 06131 211 35 0
Telefax: 06131 211 35 29

E-Mail: info(at)mueller-roessner.net
Internet: http://www.mueller-roessner.net

Quelle: www.mueller-roessner.net
Link: http://www.mueller-roessner.net/verfass ... ngereicht/

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


Dies teilen die Rechtsanwälte Carl Christian Müller und Sören Rößner von der Kanzlei MMR Müller Müller Rößner Rechtsanwälte Partnerschaft aus Berlin mit. Bereits am 06.11.2015, unmittelbar nachdem der entsprechende Gesetzentwurf den Bundesrat passiert hatte, hatte die Kanzlei beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung gestellt.

"Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wollen wir erreichen, dass die mit Inkrafttreten des Gesetzes unmittelbar bestehende Speicherverpflichtung der Telekommunikationsanbieter bis zur Entscheidung über unsere Verfassungsbeschwerde ausgesetzt wird", so Rechtsanwalt Müller weiter. ...



... weiterlesen auf 'www.mueller-roessner.net'

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Steffen
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Erweitern bzw. Vorbeugen?

#10482 Beitrag von Steffen » Samstag 19. Dezember 2015, 06:53

Ist eine vorbeugende Unterlassungserklärung Ende 2015 immer noch zeitgemäß?


06:53 Uhr

Um die Thematik "Vorbeugen" oder "Erweitern" zu verstehen, muss man anfänglich klären, zu was man eine Unterlassungserklärung benötigt und für was diese überhaupt gut ist.

Eine Unterlassungserklärung ist eigentlich nichts anders als eine vertragliche Verpflichtung des Abgebenden ("Unterlassungsschuldner") gegenüber dem Empfangenden ("Unterlassungsgläubiger") eine bestimmte Handlung zukünftig nicht vorzunehmen. Das heißt, dass Wichtigste für den Empfänger ist, dass die Wiederholungsgefahr (Gefahr der möglichen Wiederholung einer bestimmten rechtswidrigen Handlung) ausgeräumt wird und damit gegenüber dem Empfangenden entfällt bzw. begünstigende Faktoren beseitigt werden.


Welche Anforderungen werden an einer Unterlassungserklärung gestellt?
  • a) Hauptziel -> Ausräumung der Wiederholungsgefahr
    b) Abgabewille -> ersichtliche Ernsthaftigkeit
    c) Strafbewehrung -> Vertragsstrafeversprechen
    d) Reichweite -> Anspruchsgegenstand uneingeschränkt abdeckend
    e) Bestimmbarkeit -> konkrete Verletzungshandlung beinhalten
    f) Schriftform -> ist von keiner Form abhängig

Generell gilt aber, dass mit Erhalt einer Abmahnung der beigefügte Entwurf eines möglichen Unterlassungsvertrages (originale Unterlassungserklärung bzw. originale Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung) nicht verwendet wird, sondern diese den Besonderheiten des jeweiligen Sachverhaltes angepasst bzw. abgeändert (modifiziert) wird. Deshalb spricht man im Allgemeinen von einer modifizierten Unterlassungserklärung (kurz "mod. UE"). Wichtig, der Abgebende ist allein verantwortlich wie weit bzw. wie eng er seine Erklärung abfasst, solange diese mod. UE die an ihr gestellten Anforderungen erfüllt.


Hinweis zur mod. UE:
  • a) stellt ein neues Angebot und bedarf einer expliziten schriftlichen Annahmeerklärung (Vertragscharakter, dauerhaft bindend)
    b) da diese unbefristet abgegeben wird, kann daher unbefristet angenommen werden
    c) im Allgemeinen kein Schuldanerkenntnis, da sie sich in die Zukunft richtet
    d) sollte der Inhalt beanstandet werden, sind diese Beanstandungen abzustellen

Der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch wird abgeleitet aus dem § 1004 Bürgerlichen Gesetzbuch (kurz "BGB") und bei Filesharing-Fälle legaldefinert in den §§ 97, 97a des Urhebergesetzes ("Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte"; kurz "UrhG"). Basierend auf ein bestimmtes rechtswidriges Verhalten, soll einmal diese Beeinträchtigung beseitigt ("Beseitigungsanspruch") bzw. bei einer weiteren andauernden Beeinträchtigung - bei Filesharing anzunehmen - die Wiederholung des bestimmten rechtswidrigen Verhaltens unterlassen werden (Unterlassungsanspruch).



Warum Vorbeugung oder Erweiterung?

Nach meiner Einschätzung wird in den wenigsten Fällen eine Privatperson ohne "Abmahnungshintergrund" eine vorbeugende modifizierte Unterlassungserklärung abfassen und abschicken. Das heißt, in der Regel hat die betreffende Person eine Abmahnung erhalten, in der neben den Forderungen nach vorgerichtlichen anwaltlichen Gebühren und Schadensersatz die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung eingefordert wird.

Die Erfahrungen machen deutlich, dass in bestimmten Konstellationen es nicht nur möglich, sondern auch ratsam ist, mit Erhalt einer Abmahnung entweder die eigene mod. UE zu erweitern, auf z.B. weitere Werke des abmahnenden Rechteinhabers, oder gegenüber anderen Rechteinhabern vorbeugende mod. UE's zu versenden.


Warum? Um eben in bestimmten Konstellationen Kosten von Folgeabmahnungen zu vermeiden.
  • a) Abmahnungen eines Chartcontainers (z.B. Top 100 German Singlecharts)
    b) Abmahnungen einer Sampler-CD (z.B. Bravo-Hits)
    c) Abmahnungen einer Serie aus einer Staffel ... oder
    d) einfach reinen Tisch zu machen.

BGH, Urteil vom 28. 2. 2013 - I ZR 237/11 - "Vorbeugende Unterwerfungserklärung"
  • (...) Der Beklagte hat mit der Übersendung der vorbeugenden Unterlassungserklärung den Versuch unternommen, von einer ihm rechtlich zu Gebote stehenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, um seine Inanspruchnahme auf Unterlassung durch Mandanten der Klägerin zu verhindern und die damit für ihn verbundenen Kosten zu vermeiden. (...) Die Übersendung einer vorbeugenden Unterlassungserklärung verursacht aufseiten der Rechteinhaber nicht allein Aufwand und Kosten. Den Rechteinhabern wird dadurch vielmehr auch ein rechtlicher Vorteil verschafft. Sie haben die Möglichkeit, das Angebot zum Abschluss des angetragenen Unterlassungsvertrags unbefristet anzunehmen (...) Der Empfänger einer vorbeugenden Unterlassungserklärung ist zudem nicht verpflichtet, ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags anzunehmen. (...)

Sicherlich findet man auf diversen Anwaltsseiten im Internet, Formulierungen wie:
  • (...) Falls wir für Sie eine erweiterte modifizierte Unterlassungserklärung (mod. UE) abgegeben haben, können Sie auch ggf. eingehende Filesharing-Folgeabmahnungen zur Überprüfung einreichen. Falls diese von der bereits abgegebenen erweiterten modifizierten Unterlassungserklärung erfasst werden, weisen wir die Folgeabmahnung ohne Zusatzkosten zurück. Hierfür genügt ein kurzes Anschreiben an die Gegenseite. In Extremfällen können wir für Sie auch sog. vorbeugende Unterlassungserklärungen abgeben. Dieses Vorgehen sollte insbesondere bei Filesharing-Abmahnungen, die sog. Chartcontainer oder Sampler erfassen, in Betracht gezogen werden. (...)

Innerhalb der Verbraucherforen ist hierzu die Diskussion kontrovers. Die einen meinen, dass generell keine geforderte Unterlassungserklärung erweitert wird oder man gar freiwillig vorbeugt - es sollten "keine schlafende Hunde geweckt werden" - die anderen wieder raten dazu. In einem aktuellen Beispiel aus dem Verbraucherforum wollte ein Abgemahnter kostenpflichtige Folgeabmahnungen abwehren, indem er statt den drei streitgegenständlichen Folgen bezüglich der Staffel "X" einer TV-Serie seine mod. UE erweitern wollte auf alle Staffel und allen beinhaltete Serien. Und aktuell wurden immerhin 6 Staffeln mit gesamt 99 Folgen produziert. Was ist nun richtig, was sollte man tun?

Es gibt hierzu kein Patentrezept oder gar eine gefestigte Vorgehensweise. Im weiteren gehe ich auch nur von dem Fall aus, das der Betreffende mit ohne Anwalt reagiert und eine Erweiterung oder Vorbeugung selbst vornehmen möchte. Natürlich verstehe ich, das viele Abgemahnte ihr Geld sparen wollen für einen - nach ihrer Ansicht - teuren Anwalt und sich lieber in einem Verbtaucherforum für "Lau" Hilfe versprechen. Nur, wenn man schon gelesen hat, dass man selbst für den Inhalt und dessen Abfassung verantwortlich sei, sollte man schon wissen, was man da tut sowie welche Konsequenzen oder Risiken einhergehen.

Eine abgegebene mod. UE - egal ob die geforderte aus einer Abmahnung, eine erweitert oder vorbeugende - wird bei schriftlicher Annahmeerklärung zu einem Vertrag und ist dauerhaft bindend. Das heißt, man ist nicht - wie fälschlicherweise noch oft zu lesen ist - für die Dauer von 30 Jahren gebunden, sondern das ganze Leben. Punkt. In keinem anderen Bereich fühlen sich Betroffene befähigt, jetzt unbedarft und ohne anwaltlicher Überprüfung einen zukünftigen Vertrag abzugeben, mit teilweise den falschen Vorstellungen sowie ohne Wissen über die Konsequenzen und Risiken.

Natürlich kann ich - jetzt komme ich auf das Beispiel aus dem Forum zurück - bei einer Abmahnung hinsichtlich "Folge 1, 3, 5 aus Staffel 4" (als Beispiel) die ursprünglich eingeforderte Unterlassungserklärung erweitern. Keine Frage. Nur macht es definitiv keinen Sinn die Erweiterung auf alle 6 Staffeln mit insgesamt 99 Folgen vorzunehmen und das noch freiwillig. Weil einfach das Risiko zu hoch ist, das man jetzt irgendwann in der Zukunft gegen das in der erweiterten mod. UE abgegebene Vertragsstrafeversprechen im Wiederholungsfall verstößt. Denn dann wird neben einer möglich neuen Abmahnung, eine teure Vertragsstrafeklage (ca. 5.000,- EUR aufwärts, Landgericht, Anwaltszwang) denkbar. Und wenn man davon ausgeht, dass zumindest nach den Angaben der Betroffenen diese als abgemahnter Anschlussinhaber selbst nicht als Filesharer in Betracht kommt, kann dieses durchaus sich wiederholen. Also sollte man entweder Erweitern oder Vorbeugen mit Sinn und Verstand. Das bedeutet, nur dass was man 100%ig kennt und in Maßen, statt in Masse.

Wie bei der Erweiterung kann es auch bei einer Vorbeugung zu Problemen kommen, die der Abgebende sich so nicht bewusst ist. Ich gehe wie schon erwähnt auch nur für den Fall aus, dass der Betreffenden ohne anwaltliche Überprüfung erweitert oder vorbeugt. Denn ansonsten würde der eigene Anwalt auf die Probleme aufmerksam machen.

Man erweitert oder beugt vor, man erhält aber trotzdem eine kostenpflichtige Abmahnung bezüglich der Erweiterung oder Vorbeugung. Dieses ist gar nicht so abwegig bzw. selten. Das kann eine Menge Gründe haben. Angefangen von Überscheidungen. Der Abmahner versendet die kostenpflichtige Abmahnung bevor ihm die erweiterte oder vorbeugende mod. UE zugestellt wurde. Auch gibt es teilweise Rechtsauffassungen, das wenn man im Innenverhältnis zur Abmahnung beauftragt wurde - trotz erweitere oder vorbeugende mod. UE - kostenpflichtig abmahnen darf. Dann werden auch gern erweiterte oder vorbeugende mod. UE's ignoriert usw. Eine entscheidende Frage, wer erhält die vorbeugende mod. UE. Dies ist ganz einfach derjenige, der die Rechte besitzt, also der Rechteinhaber oder Rechteverwerter. In vielen Fällen ist aber die konkrete ladungsfähige Anschrift nicht bekannt oder es wird die Annahme verweigert. Versendet man bei unbekannter Anschrift des Rechteinhabers bzw. Rechteverwerters die vorbeugende mod. UE an den möglichen Abmahner, kann es zu weiteren Problemen kommen. Einmal kann der Anwalt nicht beauftragt worden sein. Andermal versendet man an den richtigen Rechteinhaber, dieser hat aber jemand anderem Rechte zur Verwertung eingeräumt, die dieser wieder abmahnt, ohne in einer Datenbank zu stehen. Nicht der ansonst bekannte CD-/DVD-Hersteller mahnt ab, sondern plötzlich der Komponist. Wichtig auch, dass man zwischen den Unterlassungsanspruch und den Schadensersatzanspruch trennen muss. Es kann die anwaltlichen Gebühren einer Abmahnung wegfallen, da aber der Abmahner nicht weiß, wer der wahre Täter ist, den vermeintlichen Schadensersatz noch klageweise geltend machen. usw. usf.

Jetzt wird der Abgebende sofort ohne anwaltliche Hilfe überfordert sein, um weiter richtig zu reagieren. Jetzt kann auch kein Verbraucherforum mehr etwas "empfehlen", da man unerlaubte Rechtsberatung in einem Einzelfall tätigen würde.


Summa summarum

Eine Erweiterung bzw. Vorbeugung macht in den vorbenannten Konstellationen nach wie vor Sinn und ist nicht antiquiert. Bevor man aber wild erweitert oder vorbeugt, sollte man sich umfassend informieren, insbesondere zu den möglichen Konsequenzen und Risiken und wenn man mit ohne Anwalt reagieren will. Viel hilft nicht immer viel. Natürlich wird in speziellen Konstellationen (z.B. Chartcontainer, Sampler, TV-Serie) es Sinn machen zu erweitern oder gar vorzubeugen.
  • 1. Beachten Sie die Anforderungen an einer Unterlassungserklärung.
    2. Wenn man vorbeugt, sollte die mod. UE alle möglichen Haftungsarten abdecken.
    • a) Täter / Teilnehmer
      b) Störer / Ermöglichungshandlung Dritter
    3. Nur 100%ig Bekanntes
    4. Ist man sich nicht über die Abfassung der mod. UE sicher, lässt man die Finger davon oder muss einen Anwalt beauftragen
    5. Welcher Unterlassungsanspruch besteht (Bsp.: BGH-Entscheid: "Sommer unseres Lebens") oder ist die Abgabe überhaupt nicht notwendig (Bsp.: BGH-Entscheide: "Morpheus" oder "BearShare")
Auch wenn es niemand gern hören wird und alle - trotz erstmaligen damit Befassens - studierte Juristen sind, ist die Abfassung der mod. UE (z.B. wie weit bzw. wie eng) eine komplizierte Materie und setzt anwaltliche Überprüfung voraus. Aber natürlich, diese anwaltliche Überprüfung kostet Geld und dies möchte sich jeder sparen und allein herumwurschteln. Beachten Sie, mit Annahmeerklärung wird die erweiterte oder vorbeugende mod. UE zu einem Vertrag. Informieren Sie sich zu den möglichen Konsequenzen und vor allem Risiken. Denn letztendlich sind Sie allein für den Inhalt und Abfassung verantwortlich und nicht irgendein Musterschreibenbereitsteller.


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Steffen Heintsch für AW3P

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10483 Beitrag von Steffen » Montag 21. Dezember 2015, 17:30

WALDORF FROMMER:
Das Landgericht Düsseldorf erteilt Privilegierung von "privaten Nutzern" bei der Schadensbemessung in Filesharingverfahren eine Absage



17:30 Uhr


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WALDORF FROMMER Rechtsanwälte
Beethovenstraße 12 | 80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10 | Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de | Web: www.waldorf-frommer.de


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Die Klägerin, eine führende Verlagsgruppe, war gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf (v. 05.02.2015, Az. 57 C 6204/14) vorgegangen.

Das Gericht hatte den Streitwert der Angelegenheit auf EUR 1.980,00 beschränkt und einen Schadenersatz in Höhe von lediglich EUR 198,00 für angemessen erachtet. Zur Begründung hatte das Gericht u.a. darauf abgestellt, dass bei der gerichtlichen Schadenschätzung zwischen "kommerziellen Anbietern" und "privaten Nutzern" zu unterscheiden sei.

Das Landgericht hat diese Entscheidung nun aufgehoben und der Klägerin vollumfänglich Recht gegeben.

Im Gegensatz zum Gericht der ersten Instanz, stellt das Berufungsgericht bei der Bemessung des Schadenersatzbetrags klar, dass "sich verständige Vertragsparteien mindestens auf einen Betrag von 300,00 € als Lizenz für die öffentliche Zugänglichmachung des Hörbuchs in einem Filesharing-System in dem festgestellten Umfang verständigt hätten."

Der vom Amtsgericht getroffenen Unterscheidung zwischen "kommerziellen Anbietern" und "privaten Nutzern" hat das Landgericht eine klare Absage erteilt:
  • "Eine sich an der unterschiedlichen Zielrichtung der Nutzung eines Filesharing-Systems orientierende Differenzierung zwischen einem kommerziellen Anbieter und einem privaten Nutzer ist jedoch nicht gerechtfertigt. Sie findet weder im Urheberrechtsgesetz, das allein an den Nutzungsumfang und nicht die Zielsetzung der Nutzung anknüpft, noch in den dargestellten Grundsätzen der Lizenzanalogie einen Ausdruck."
Zweifel an den beantragten Anspruchshöhen bestanden nicht. So führt das Gericht zu den von der Klägerin geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten aus:
  • "Der Ansatz eines Gegenstandswertes von 10 000,00 € erscheint angemessen. […]
    Der Wert spiegelt das durch die Gefährlichkeit und Schädlichkeit des Verstoßes bestimmte Interesse wider. Gefährlichkeit und Schädlichkeit des Verstoßes sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass der öffentlichen Zugänglichmachung über ein sog Filesharing-System eine unendliche Weiterverbreitung immanent ist. Diese Gefährlichkeit erfährt keine Einschränkung dadurch, dass der Verletzer eine Absicht einer gewerblichen Nutzung nicht hatte."
Im Ergebnis verurteilte die Berufungskammer den Beklagten zur Zahlung der erstinstanzlich geltend gemachten Beträge sowie zur Übernahme der Verfahrenskosten beider Rechtszüge in Gesamthöhe von ca. EUR 2.000,00.


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Autor: Rechtsanwalt David Appel
Quelle: news.waldorf-frommer.de
Link:http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... ne-absage/

Urteil als PDF: LG Düsseldorf, Urteil vom 16.12.2015, Az. 12 S 13/15


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Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 16.12.2015, Az. 12 S 13/15

  • (...) hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 02.12.2015 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht [Name], den Richter am Landgericht [Name] und die Richterin am Landgericht [Name]

    für Recht erkannt:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts vom 05.02.2015, Az. 57 C 6204/14, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 EUR sowie weitere 506,00 EUR jeweils nebst Zinsen in Hohe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2013 zu zahlen.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


    Gründe:

    A

    Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche wegen der öffentlichen Zugänglichmachung des Hörbuchs mit dem Titel [Name] bestehend aus 7 CDs mit einer Gesamtlänge von ca. 515 Minuten über ein sog Filesharing-System durch den Beklagten.

    Der haftungsbegründende Tatbestand steht aufgrund der erstinstanzlichen Feststellungen, auf die Bezug genommen wird, fest. Die Parteien streiten in dem Berufungsverfahren allein noch über die Höhe des lizenzanalogen Schadensersatzes sowie die Hohe der Abmahnkosten.

    Die Klägerin ist ausschließliche Inhaberin der Rechte des Tonträgerherstellers im Sinne von § 85 UrhG Sie räumt keine Lizenzen für die öffentliche Zugänglichmachung in Tauschbörsen ein. Sie gestattet jedoch Drittunternehmen, das Hörbuch öffentlich zugänglich zu machen. Die für diese Werknutzung anfallenden Lizenzgebühren bemisst sie nach einer sog. "Abruflizenz", das heißt, derjenige, der den Download des Hörbuches anbietet, hat pro Downloadvorgang einen Anteil des Verkaufspreises an die Klägerin zu zahlen

    Die Klägerin ist der Ansicht, der an sie zu leistende lizenzanaloge Schadensersatz müsse mindestens 300,00 EUR betragen. Verständige Vertragsparteien wurden sich auf eine Angebots-, keine Verkaufs- / Abruflizenz einigen, da die Anzahl der Abrufe in Tauschbörsen nicht messbar und folglich im Unterschied zu einem konkreten Angebotszeitraum der Kontrolle von Lizenznehmer und -geber entzogen sei. Bei der Bemessung des lizenzanalogen Schadensersatzes seien zudem die Gefahren, die sog. "Tauschbörsen" mit sich bringen (insbesondere unbegrenzte Vervielfältigung und Multiplikation der Werknutzer), zu berücksichtigen.

    Das Amtsgericht hat der Klage mit Urteil vom 05.02.2015 teilweise, nämlich dem Antrag auf Zahlung eines lizenzanalogen Schadensersatzes in Höhe von 198,00 EUR und dem Antrag auf Erstattung vor-gerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Hohe von 153,00 EUR, stattgegeben und die Klage im Übrigen (Schadensersatzanspruch: 102,00 EUR und Abmahnkosten: 353,00 EUR) abgewiesen. Das Ergebnis der Schadensschatzung nach § 287 Abs 1 Satz 1 ZPO hat das Amtsgericht damit begründet, dass der private Nutzer eines Filesharing-Systems in Ermangelung eines kommerziellen Interesses nicht mit einem gewerblichen Lizenznehmer verglichen werden könne Es bestehe ein Unterschied zu der typischen Situation im Urheberrecht, bei der ein kommerzieller Marktteilnehmer in eigener Gewinnerzielungsabsicht unerlaubt auf fremde urheberrechtlich geschützte Inhalte zugreife In Fortsetzung dieser Erwägungen hat das Amtsgericht sich an dem auf dem Markt erzielbaren Lizenzeinnahmen für einen Einzeldownload über einen legalen Anbieter orientiert und diesen "mit der Anzahl der unter Berücksichtigung der besonderen Eingriffsintensität des Filesharing berücksichtigungsfähigen Downloads" multipliziert Der sich danach ergebende Lizenzpreis liege üblicherweise bei durchschnittlich 50 % des Bruttoverkaufspreises Dabei hat das Amtsgericht den Bruttoverkaufspreis des Hörbuchs auf 9,90 EUR geschätzt. Die berücksichtigungsfähigen Downloads hat das Gericht auf eine Anzahl von 40 Stuck geschätzt und auf dieser Grundlage folgende Berechnung vorgenommen: 9,90 EUR / 2* 40 = 198,00 EUR. Den Gegenstandswert des für die Bemessung der Abmahnkosten maßgeblichen Unterlassungsbegehrens hat das Amtsgericht mit dem 10-fachen des mit 198,00 EUR geschätzten Schadensersatzes angesetzt.

    Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und halt an ihrem ursprünglichen Antrag auf Zahlung eines lizenzanalogen Schadensersatzes in Hohe von insgesamt 300,00 EUR sowie auf Zahlung von Abmahnkosten - auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 10 000,00 EUR und einer 1,0 Geschäftsgebühr - in Hohe von 506,00 EUR fest. Die Klägerin rügt eine ermessensfehlerhafte Schadensschätzung, insbesondere die Privilegierung des privaten Filesharer gegenüber dem kommerziellen Nutzer urheberrechtlich geschützter Werke. Zudem habe das Amtsgericht bei dem Einsatz des Lizenzbetrags für die öffentliche Zugänglichmachung außerhalb eines Filesharing-Systems übersehen, dass kein Schadensersatz wegen der Vervielfältigung des Hörbuches geltend gemacht werde, sondern wegen dessen öffentlicher Zugänglichmachung. Selbst dann, wenn man die Berechnung des Amtsgerichts zugrundelege, seien die angesetzten konkreten Werte fehlerhaft. Insbesondere sei der Multiplikator von 40 Downloads vor dem Hintergrund der Dauer der feststehenden Rechtsverletzungen willkürlich und zu niedrig angesetzt. Der Gegenstandswert für die Abmahnkosten sei formelhaft und ohne Ausübung des gerichtlichen Ermessens festgesetzt worden.

    Wegen des Parteivorbringens im Rahmen des Berufungsverfahrens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur Sitzung vom 02.12.2015 Bezug genommen.

    B.

    Die nach § 511 Abs 2 Nr 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

    1.

    Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 300,00 EUR gem. § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG zu.

    Berufungsgegenstand ist die Hohe des nach § 97 Abs 2 Satz 3 UrhG geltend gemachten lizenzanalogen Schadensersatzes Nach der Vorschrift kann der Geschädigte die Lizenzgebühr verlangen, die ein vernünftiger Lizenzgeber bei vertraglicher Einräumung gefordert und ein vernünftiger Lizenzgeber gewährt hatte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hatten (vgl. Wolff, in Wandtke / Bullinger, UrhG, Kommentar, 4 Auflage, 2014, § 97, Rn 74). Die Schadenshöhe kann dabei nach § 287 Abs 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände im Wege des freien richterlichen Ermessens geschätzt werden.

    Dies berücksichtigend kann vorliegend angenommen werden, dass sich verständige Vertragsparteien mindestens auf einen Betrag von 300,00 EUR als Lizenz für die öffentliche Zugänglichmachung des Hörbuchs in einem Filesharing-System in dem festgestellten Umfang verständigt hatten.

    Die Kammer sieht in einigen der von dem Amtsgericht zugrunde gelegten Faktoren geeignete Anhaltspunkte für eine nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmende Schadensschätzung. Eine sich an der unterschiedlichen Zielrichtung der Nutzung eines Filesharing-Systems orientierende Differenzierung zwischen einem kommerziellen Anbieter und einem privaten Nutzer ist jedoch nicht gerechtfertigt Sie findet weder im Urheberrechtsgesetz, das allein an den Nutzungsumfang und nicht die Zielsetzung der Nutzung anknüpft, noch in den dargestellten Grundsätzen der Lizenzanalogie einen Ausdruck.

    Im Rahmen der Schadensschätzung ist der Vortrag der Klägerin zu beachten, dass der Umstand, dass die Anzahl der Downloads bei Filesharing-Systemen nicht messbar ist, im Rahmen von Vertragsverhandlungen derart Berücksichtigung gefunden hatten, dass sich die Lizenzgebühr an dem Zeitraum, innerhalb dessen das streitgegenständliche Hörbuch zum Abruf zur Verfügung gestellt werden sollte, orientiert hätte. Auch die Popularität des Hörbuchs wurde bei verständiger Würdigung Eingang in Vertragsverhandlungen für die streitgegenständliche Nutzung finden, denn diese bietet einen Anknüpfungspunkt für den Mindestumfang, in dem vermutlich auf das Hörbuch zugegriffen wird. Das streitgegenständliche Hörbuch war über einen Zeitraum von 15 Stunden abrufbar. Weiter ist zu beachten, dass dem Genre, dem das Hörbuch zuzuordnen ist, grundsätzlich keine Beschränkung auf einen nur bestimmten, kleinen Adressatenkreis zu entnehmen ist. Das Hörbuch befand sich zwar nicht mehr in seiner akuten Verwertungsphase - die Erstveröffentlichung erfolgte im Jahre 2009 - wohl aber können ihm eine gewisse Bekannt- und Beliebtheit nicht abgesprochen werden. Wie die Screenshots aus dem Schriftsatz vom 15 07 2014 erkennen lassen, erschien das Hörbuch auch als Buch, in einer Reihe mit weiteren Werken des Autors, beispielsweise [Name].

    Auch ist im Rahmen der Grundsatze der Lizenzanalogie eine Orientierung an dem Brutto-Verkaufspreis eines Portals, bei dem das Hörbuch heruntergeladen werden kann, im Grundsatz gerechtfertigt (BGH, Urt. v. 11.06.2015, Az I ZR 19/14, Rn 58, zitiert nach BeckRS 2015, 20064). Ein Lizenzgeber hatte einem Lizenznehmer entgegenhalten können, dass durch die Verbreitung über ein Filesharing-System Einbußen im Zusammenhang mit anderen Vertriebswegen für das Hörbuch entstehen. Denn derjenige, der das streitgegenständliche Hörbuch über ein Filesharing-System herunterladt, erwirbt es nicht über ein kommerzielles Downloadportal, an dessen Vertrieb die Klägerin - anders als bei der Nutzungshandlung durch den Beklagten - mit 40 % des Netto-Verkaufspreises beteiligt gewesen wäre. Zwar konnte sich der Lizenzgeber dem Argument, dass nicht jeder der das Hörbuch über das Filesharing-System abruft, auch ein potenzieller Erwerber über ein kommerzielles Downloadportal ist, nicht entziehen. Dies ändert aber nichts daran, dass zumindest auch solche Personen über das Filesharing-System auf das Hörbuch zugreifen, die es ansonsten über ein Downloadportal käuflich erworben hatten.

    (...)

    Der Ansatz eines Gegenstandswertes von 10 000,00 EUR erscheint angemessen.

    Der Gegenstandswert für ein Abmahnschreiben entspricht gem. § 23 Abs 1 Satz 3 RVG, § 12 Abs 1 GKG dem Streitwert der Hauptsacheklage, der gem. § 48 Abs 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO nach freiem Ermessen auf der Grundlage des objektiven Interesses des Klägers an der Erlangung des von ihm begehrten Rechtsschutzes festzusetzen ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.01.2014, Az. 1-20 W 40/13).

    Nach dieser Maßgabe halt das Gericht den Ansatz eines Gegenstandswertes von 10 000,00 EUR für das Unterlassungsbegehren für angemessen. Der Wert spiegelt das durch die Gefährlichkeit und Schädlichkeit des Verstoßes bestimmte Interesse wider. Gefährlichkeit und Schädlichkeit des Verstoßes sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass der öffentlichen Zugänglichmachung über ein sog. Filesharing-System eine unendliche Weiterverbreitung immanent ist. Diese Gefährlichkeit erfährt keine Einschränkung dadurch, dass der Verletzer eine Absicht einer gewerblichen Nutzung nicht hatte. Es handelt sich zudem um ein nicht völlig unbedeutendes Hörbuch, sondern um ein solches, das einen gewissen Adressatenkreis erreicht - insoweit wird auf die Ausführungen zur Höhe des lizenzanalogen Schadensersatzes verwiesen.

    Auf der Grundlage der bis zum 31.07.2013 geltenden RVG-Tabelle und bei Ansatz einer 1,0 Gebühr ergibt sich der von der Klägerin geltend gemachte Betrag in Hohe von 506,00 EUR.

    3.

    Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs 1 BGB.

    4.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 91 Abs 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m § 26 Nr 8 EGZPO.

    Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs 1 Nr 1, Abs 2 ZPO), besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

    Streitwert für die Berufung: 455,00 EUR. (...)

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Steffen
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Forum bis 31.12. geschlossen!

#10484 Beitrag von Steffen » Dienstag 22. Dezember 2015, 14:55

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Die Initiative AW3P wünscht allen Engagierten, Interessierten, Betroffenen, Abgemahnten, Abmahnern, Logfirmen ein geruhsames, friedliches und gesegnetes Weihnachtsfest im Kreise der Lieben, Verwandten, Bekannten Freunde ...

Ich persönlich bin - trotz anderweitigen Behauptungen ins Blaue hinein - nicht als Kevin allein zu Hause, sondern verbringe die Weihnachtszeit im Kreise - meiner - Lieben. Das bedeutet aber dass bis Silvester das Forum geschlossen ist. Ich werde die Rechte dahingehend einschränken, dass zwar jeder (Gast/Member) lesen kann, Member sich per PN austauschen, aber nicht mehr im Forum posten können.





Wer trotzdem eine Abmahnung erhalten hat, informiert sich hier:

[/b]


Bei einer Klage sollte man sowieso einen Anwalt beauftragen.



Einen Mahnbescheid widerspricht man insgesamt.
[/b]


Debcon-Schreiben sind hier zusammengefasst:
[/b]


Und nun 'raus aus den Foren. Es sollte doch in der Weihnachtszeit Wichtigeres geben, als irgendeinen Foren-Chat.

Bin dann mal bis Silvester weg ...

Euer Steffen Heintsch

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#10485 Beitrag von Steffen » Dienstag 29. Dezember 2015, 23:38

Das Landgericht Köln zur sekundären Darlegungslast: das Verschweigen von Namen führt zur Haftung des Anschlussinhabers


23:35 Uhr



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Rechtsanwalt Nikolai Klute
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Hamburg / Köln, 29.12.2015 (eig.). Der in Anspruch genommene Anschlussinhaber, über dessen Internetanschluss ein urheberrechtlich geschütztes Werk in Filesharing Börsen zum Download angeboten wurde, kann nicht gezwungen werden, die Namen derer zu nennen, die seinen Internetanschluss mit genutzt haben - das Verschweigen dieser Namen begründet aber seine eigene Haftung. Dies hat das Landgericht Köln in einem nun bekannt gewordenen Urteil entschieden (LG Köln, Urt. v. 17.12.2015, 14 S 16-15).

Die Anschlussinhaberin wurde in dem von .rka Rechtsanwälte für die Mandantin geführten Prozess auf die Zahlung von Anwaltskosten und Schadensersatz in Anspruch genommen. Sie verteidigte sich damit, dass sie selbst die Rechtsverletzung nicht begangen habe, wohl aber ihr Sohn, dessen Name sie nicht nannte. Zum Beweis dafür benannte sie ihren zweiten Sohn als Zeugen, der bei der Vernehmung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte. "Zu Recht kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass die Beklagte ihre sekundäre Darlegungslast nach den Maßstäben der jüngst ergangenen Tauschbörsenentscheidungen des Bundesgerichtshofs nicht erfüllt hat", so Rechtsanwalt Nikolai Klute aus der Kanzlei .rka Rechtsanwälte.

Trotz Aufforderung hat die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht den Namen des Täters verschwiegen. Die Richter dazu: "Wenn ... eine Partei trotz Hinweises der Gegenseite und des Gerichts bei ihrer Sachverhaltsdarstellung bleibt, so ist davon auszugehen, dass die Partei nicht mehr vortragen ... will und ihren Sachvortrag bewusst unvollständig und damit unsubstantiiert lässt, so dass letztlich zweifelhaft erscheint, ob dieser Täter (Sohn) überhaupt existiert. ... Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass der Bundesgerichtshof vor dem Hintergrund von Art. 6 GG ausdrücklich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, auch in Fällen von möglicher Beteiligung von Familienangehörigen bejaht hat. Das Amtsgericht verkennt, dass die Benennung von Angehörigen durch den Anschlussinhaber nur zur Abwehr des ... Anspruchs ... dient und der Anschlussinhaber frei entscheiden kann, ob er diese Strategie zum eigenen Vorteil nutzen will. Der Ausgang eines Folgeprozesses ist damit weder vorweggenommen, noch für die Klägerseite die Verfolgung von Familienangehörigen erleichtert mangels Rechtskrafterstreckung der tatsächlichen Feststellungen aus dem Vorprozess sowie der den Familienangehörigen zustehenden Zeugnisverweigerungsrechte."

Das Urteil des Landgerichts Köln ist das erste, das nach der Veröffentlichung der Tauschbörsen-Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergangen ist und sich dezidiert mit den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast befasst. Da die Beklagte den Namen ihres Sohnes verschwiegen hat, sah das Gericht die der Beklagten obliegenden Darlegungs- und Beweislasten als nicht erfüllt an, und verurteilte sie in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung aufgrund der gegen sie streitenden Täterschaftsvermutung zur Zahlung der Anwaltsgebühren und zum Schadensersatz.

"Das Urteil macht klar, dass es für Anschlussinhaber künftig schwerer wird, den Versuch zu unternehmen, sich selbst aus der Verantwortung zu winden ohne gleichzeitig den sekundären Darlegungslasten Genüge zu tun. Diese sind nur dann erfüllt, wenn lückenlos und vollständig vorgetragen wird, wer Zugang hatte und warum wer als Täter der beanstandeten Rechtsverletzung in Betracht kommt. Geschieht dies nicht oder ungenügend, bleibt es bei der Täterschaftsvermutung. Geschieht dies in ausreichend, mag dies zu einem glimpflichen Ausgang des Rechtsstreits gegen den Anschlussinhaber führen; dafür steigt die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Täters der Rechtsverletzung", erläutert Rechtsanwalt Nikolai Klute.


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Autor: Rechtsanwalt Nikolai Klute
Quelle: rka-law.de/filesharing
Link: http://rka-law.de/filesharing/landgeric ... sinhabers/
Urteil als PDF: http://rka-law.de/wp-content/uploads/20 ... -16-15.pdf


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Volltext

Landgericht Köln, Urteil vom 17.12.2015, Az. 14 S 16/15

  • (...) hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26.11.2015 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. [Name], den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. [Name] und die Richterin am Landgericht [Name] für Recht erkannt:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 25.02.2015, Aktenzeichen: 125 C 263/13, abgeändert:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 907,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 868,00 EUR seit dem 18.12.2012 und aus weiteren 39,82 EUR seit dem 14.05.2014 zu zahlen.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.


    Entscheidungsgründe:

    I.

    Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten urheberrechtliche Ansprüche auf Zahlung von Lizenzschadensersatz in Höhe von 500,00 EUR, Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 386,00 EUR sowie Auskunftskosten i.H.v. 39,82 EUR geltend wegen des rechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachen des Computerspiels "[Name]" im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse.

    Die Beklagte ist Inhaberin eines Internetanschlusses in ihrer Wohnung, die sie zur Tatzeit mit ihrem Ehemann bewohnte.

    Der Internetprovider des Beklagten erteilte im Rahmen eines von der Klägerin betriebenen Ermittlungs- und Auskunftsverfahrens vor dem Landgericht [Name] zu Az.: [Aktenzeichen] die Auskunft, dass die am 14.05.2012 und 15.05.2012 in 5 Fällen erfassten IP-Adressen, über welche das streitgegenständliche Werk im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse jeweils öffentlich zugänglich gemacht wurde, zur jeweiligen Tatzeit dem Anschluss der Beklagten zugewiesen waren.

    Die Klägerin ließ die Beklagte deshalb mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 06.12.2012 unter Fristsetzung bis zum 17.12.2012 zur Zahlung von Lizenzschadensersatz von 532,00 EUR und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren auffordern, die die Klägerin vorliegend jedoch nur in Höhe eines Teilbetrages von 368,00 EUR geltend macht.

    Die Klägerin begehrt ferner anteilige Erstattung der ihr in dem Ermittlungs- und Auskunftsverfahren vor dem Landgericht [Name] zu Az.: [Aktenzeichen] entstandenen Auskunftskosten für die Ermittlung der Daten der Beklagten i.H.v. 39,82 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung der Klägerin im Schriftsatz vom 13.05.2014, Seite 2, 3 (BI. 113 f GA) Bezug genommen, der der Beklagten zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung vorn 14.05.2014 vor dem Amtsgericht Köln übergeben wurde.

    Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagten obliege für die Existenz, Volljährigkeit und Möglichkeit des Internetzugriffs ihres angeblichen weiteren Sohnes die Darlegungs- und Beweislast, hierfür sei u.a. zwingend erforderlich, dass die Beklagte den zu ihrer eigenen Entlastung angegebenen Täter namentlich benenne.


    Im Verfahren vor dem Amtsgericht hat die Klägerin beantragt,
    • 1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Teilschadensersatz über 500,00 EUR nebst jährlicher Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2012 zu zahlen;
      2. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag über 368,00 EUR nebst jährlicher Zinsen jährlicher Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2012 zu zahlen;
      3. an sie weitere 39,82 EUR nebst jährlicher Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt,
    • die Klage abzuweisen.
    Die Beklagte hat behauptet, Täter der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen sei ein zum damaligen Zeitpunkt volljähriger Sohn gewesen, der in ihrem Haushalt gelebt habe. Dabei habe es sich nicht um den namentlich von der Beklagten benannten Sohn [Name] gehandelt.

    Mit Verfügung vom 21.08.2013 (BI. 56 GA) hat das Amtsgericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass nach den PKH-Unterlagen es einen weiteren volljährigen Sohn der Beklagten gebe und das Gericht dessen Preisgabe für die Substantiierung selbst nicht für erforderlich halte, das Landgericht jedoch gegenteiliger Ansicht sein könne.

    Mit Beschluss vom 18.06.2014 (BI. 125 GA) hat das Amtsgericht Beweiserhebung dazu angeordnet, ob ein weiterer, volljähriger Sohn der Beklagten das streitgegenständliche Filesharing am 14. und 15.09.2012 durchgeführt habe durch Vernehmung des Zeugen [Name]. Dieser hat im Beweistermin vor dem Amtsgericht Flensburg am 02.09.2014 die Aussage verweigert.

    Mit Urteil vom 25.02.2015 hat das Amtsgericht Köln die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zugunsten der Klägerin streite keine Vermutung für die Täterschaft der Beklagten, da die Beklagte zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung bewusst anderen Personen den Internetanschluss zur Nutzung überlassen habe. Es sei davon auszugehen, dass zumindest auch der Ehemann der Beklagten deren Anschluss habe nutzen können, so dass es nicht darauf ankomme, ob auch der zweite volljährige Sohn als Täter in Betracht komme. Es spreche nichts dafür, dass die Täterschaft der Beklagten wahrscheinlicher sei als die ihres Ehemannes.

    Es sei auch nicht von der Täterschaft der Beklagten wegen Verletzung der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast auszugehen. Dieser habe die Beklagte genügt, indem sie vorgetragen habe, dass Täter ihr zweiter, nicht namhaft gemachter Sohn gewesen sei. Zu einer Denunzierung ihres Sohnes sei die Beklagte im Lichte des verfassungsrechtlichen Schutzes der Familie gemäß Art. 6 GG nicht verpflichtet gewesen.

    Die Beklagte hafte auch nicht als Störer. Da die Mitnutzer des Internetanschlusses der Beklagten volljährig gewesen seien, habe mangels konkreter Anhaltspunkte für den Missbrauch des Anschlusses der Beklagten für diese kein Anlass zum Einschreiten oder zur Kontrolle bestanden.

    Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

    Mit Schriftsatz vom 23.03.2015, bei Gericht eingegangen am selben Tage, hat die Klägerin Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis 04.06.2015 verlängerten Frist zur Berufungsbegründung mit Schriftsatz vom 17.04.20151 begründet.

    Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ist der Ansicht, die gegen die Beklagte als Anschlussinhaberin sprechende Täterschaftsvermutung sei nicht von der Beklagten erschüttert oder ausgeschlossen worden. Die gegenteilige Begründung des erstinstanzlichen Urteils, als Täter komme auch der Ehemann der Beklagten in Betracht, sei bereits deshalb fehlerhaft und nicht nachvollziehbar, da die Beklagte in erster Instanz die Täterschaft ihres Ehemannes sowie ihres Sohnes Alexander positiv ausgeschlossen habe. Das Amtsgericht habe sich in unzulässiger Weise über unstreitigen Parteivortrag hinweggesetzt.

    Die Klägerin vertritt weiter die Auffassung, die Beklagte sei gehalten gewesen, den angeblichen Täter namentlich zu benennen, da Art. 6 GG keine Privilegien zu Gunsten der Beklagten im Rahmen der sie treffenden sekundären Darlegungslast begründe. Dies gelte insbesondere, da durch die Erfüllung ihrer sekundären Darlegungslast der Beklagten ein unmittelbarer Vorteil entstehe und im Rahmen der Güterabwägung zudem auch das verletzte Eigentumsrecht der Klägerin gemäß § 14 Abs. 1 GG angemessen zu berücksichtigen sei.


    Die Klägerin beantragt,
    das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 25.02.2015, Aktenzeichen 125 C 263/13, und nach den in erster Instanz gestellten Anträgen zu erkennen.


    Der Beklagte beantragt,
    die Berufung zurückzuweisen.


    Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie behauptet nunmehr, als Täter der Rechtsverletzung kämen auch ihr Sohn [Name] und Ehemann in Betracht, alle hätten selbständigen Zugang zu dem Internetanschluss der Beklagten gehabt. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, sie sei im Hinblick auf die Verfügung des Amtsgerichts vom 21.08.2013 (BI. 46 GA) nicht gehalten gewesen, weitere Angaben zu ihrem zweiten Sohn zu machen.

    II.

    Die Berufung der Klägerin ist zulässig und in vollem Umfang begründet.

    1.

    Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4, 517, 519, 522 ZPO.

    2.

    Die Berufung ist auch begründet.

    a.

    Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch wegen der unberechtigten Nutzung des Computerspiels "[Name]" in Form der öffentlichen Zugänglichmachung aus §§ 97 Abs. 2, 69 c Nr. 4 UrhG sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 97 a Abs. 1 UrhG a.F. in Höhe von insgesamt 868,00,00 EUR (500,00 EUR + 368,00 EUR) zu.

    Die Klägerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an, dem streitgegenständlichen Computerspiel aktivlegitimiert, §§ 69a, 69c, 31 Abs. 3 UrhG, wie das Amtsgericht mit Urteil vom 25.02.2015 als in erster Instanz unstreitig festgestellt hat. In zweiter Instanz kann die Beklagte nunmehr die Aktivlegitimation der Klägern nicht in zulässiger Weise bestreiten, da dieser neue Vortrag der Beklagten nicht zu berücksichtigen ist, § 529 Abs. 1 Nr. 2, 530, 531 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.

    Das streitgegenständliche Computerspiel ist aufgrund seiner Komplexität gemäß § 69 a Abs. 3 UrhG urheberrechtlich geschützt.

    Die Beklagte ist passivlegitimiert, da über ihren Internetanschluss am 14.09.2012 und 15.09.2012 das streitgegenständliche Computerspiel mehrfach im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse zum Download angeboten wurde. Dies stellt ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von § 19 a UrhG dar.

    Im Hinblick auf die Mehrfacherfassungen des Internetanschlusses der Beklagten über unterschiedliche IP-Adressen im Rahmen der Ermittlung der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen am 14.09.2012 und 15.09.2012 bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit des von der Klägerin vorgetragenen Ermittlungsergebnisses; dieses wurde in erster Instanz auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Vielmehr räumte die Beklagte ein, dass ein Familienmitglied (unbenannter Sohn) Täter der Rechtsverletzungen sei.

    Steht somit fest, dass ein geschütztes Werk von dem Internetanschluss einer bestimmten Person öffentlich zugänglich gemacht wurde, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08 - Sommer unseres Lebens, GRUR 2010, 633 ff.; BGH, Urteil vom 08.01.2014 - I ZR 169/12 - BearShare, GRUR 2014, 657; BGH Urteil vom 11.06.2015 - I ZR 75/14 - Rn. 37 Tauschbörse III).

    Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Dieser genügt der Anschlussinhaber (erst) dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Person und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vgl. BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff BearShare; betätigt durch BGH Urteil vom 11.06.2015 - I ZR 75/14 - Rn. 37 Tauschbörse III). Nicht ausreichend ist der Vortrag, dass der Internetanschluss von mehreren Personen im Haushalt genutzt werde, da es nicht auf die Nutzungsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern konkret auf die Situation im Verletzungszeitpunkt ankommt (BGH a.a.O., Tauschbörse III Rn. 39 a.E.).

    Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht genügt. Die Beklagte hat gerade nicht angegeben, welche andere Person selbstständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatte und - ausschließlich, so die Beklagte - als Täter in Betracht kam. Denn die Beklagte hat mit ihrem Vortrag zu einem "Sohn ohne Namen" gerade offen gelassen, welche andere Person statt ihrer Täter sein solle. Insbesondere hat die Beklagte nicht klargestellt, um welchen von mehreren möglichen Söhnen der Beklagten oder auch des Ehemannes der Beklagten es sich handelt.

    Die Namhaftmachung des Täters war vorliegend auch nicht entbehrlich, weil die Beklagte PKH-Unterlagen eingereicht hat, aus welchen sich nach dem Hinweis des Amtsgerichts ergebe, dass die Beklagte einen weiteren Sohn habe. Es ist auch nicht ansatzweise ersichtlich oder von der Beklagten vorgetragen, dass der in den PKH-Unterlagen angegebene junge Mann tatsächlich derjenige ist, den die Beklagte in erster Instanz als Sohn und Täter vorgetragen hat. Hinzu kommt, dass eine solche Information, die einer Partei nicht zugänglich gemacht wurde, ohnehin nicht als gerichtsbekannt verwertet werden kann.

    Die Beklagte hat auch trotz Hinweises der Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.11.2015 ihren diesbezüglichen Sachvortrag nicht ergänzt. Wenn aber eine Partei trotz des Hinweises der Gegenseite und des Gerichts bei ihrer Sachverhaltsdarstellung bleibt, so ist davon auszugehen, dass die Partei nicht mehr vortragen kann, oder vielmehr, wie hier, nicht mehr vortragen will und ihren Sachvortrag bewusst unvollständig und damit unsubstantiiert lässt, so dass letztlich zweifelhaft erscheint, ob dieser Täter (Sohn) überhaupt existiert.

    Die Kammer vermag dem Amtsgericht auch nicht darin zu folgen, dass aus der mittelbaren Drittwirkung des Art. 6 GG eine Reduzierung der Darlegungslast des in Anspruch genommenen Anschlussinhabers erfolge, zu Lasten des Verletzten. Zu Recht weist die Klägern darauf hin, dass der Bundesgerichtshof (Urteil vom 15.12.2012, I ZR 74/12 - Morpheus und Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12 - BearShare) vor dem Hintergrund von Art. 6 GG ausdrücklich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, auch in Fällen von möglicher Beteiligung von Familienangehörigen, bejaht hat. Das Amtsgericht verkennt, dass die Benennung von Angehörigen durch den Anschlussinhaber zunächst nur zur Abwehr des zivilrechtlichen Anspruchs gegen den Anschlussinhaber dient und der Anschlussinhaber frei entscheiden kann, ob er diese Strategie zum eigenen Vorteil nutzen will. Der Ausgang eines Folgeprozesses ist damit weder vorweggenommen, noch für die Klägerseite die Verfolgung von Familienangehörigen erleichtert mangels Rechtskrafterstreckung der tatsächlichen Feststellungen aus dem Vorprozess sowie der den Familienangehörigen zustehenden Zeugnisverweigerungsrechte.

    Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Amtsgerichts, eine Vermutung für die Täterschaft der Beklagten als Inhaber des Internetanschlusses entfalle, weil neben der Beklagten "zumindest auch deren Ehemann" den Anschluss habe nutzen können. Denn diese Annahme findet in dem Sachvortrag beider Parteien in 1. Instanz keine Grundlage. Insbesondere hat die Beklagte selbst in 1. Instanz nicht vorgetragen, dass auch ihr Ehemann als Alleintäter in Betracht kommt. Im Gegenteil hat die Beklagte zu ihrer Entlastung ausschließlich die Version vorgetragen, dass weder ihr Ehemann noch ihr Sohn [Name] Alleintäter seien, sondern ausschließlich ein weiterer, nämlich der von ihr im übrigen nicht weiter identifizierte Sohn die Rechtsverletzung begangen habe. Wenn aber von keiner der Parteien vorgetragen wird, dass der Ehemann als Täter in Betracht kommt, ist es dem Amtsgericht versagt, sich zur Begründung seines Urteils darauf zu stützen.

    Das ersichtlich an diese Erwägungen des Amtsgerichts in seinem Urteil vom 25. Februar 2015 angelehnte Vorbringen der Beklagten in zweiter Instanz, als Täter der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen kämen neben dem weiterhin namentlich nicht benannten Sohn auch ihr Sohn [Name] und der Ehemann in Betracht, ist gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 530, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen, da es sich insoweit um neuen Vortrag handelt, der in nicht zu vereinbarendem Widerspruch zu dem Vorbringen der Beklagten in erster Instanz handelt, wonach Alleintäter der "volljährige Sohn ohne Namen" gewesen sein soll. Die Beklagte hat auch keine Gründe dafür vorgebracht, weshalb sie ihren Vortrag nunmehr geändert hat. Allein der Umstand, dass das Amtsgericht in den Entscheidungsgründen den Ehemann der Beklagten als möglichen Täter angenommen hat, kann diese Veränderung des Vortrages nicht rechtfertigen, da die Beklagte zu wahrheitsgemäßem Vortrag verpflichtet ist, § 138 ZPO.

    Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat, weil sie nicht vorgetragen hat, welche andere Person als Alleintäter der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen in Betracht kommt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Beklagte als Täter für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGHZ 200, 76 - BearShare). In einem solchen Fall fehlt es an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme, ein Dritter könnte die Verletzungshandlung mit - alleiniger Tatherrschaft begangen haben (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14 Tauschbörse III).

    Die Beklagte handelte auch widerrechtlich, da sie von der Klägerin keine Lizenz zur Nutzung des streitgegenständlichen Computerspieles erworben hatte.

    Das der Beklagten zur Last fallende Verschulden im Sinne von § 276 BGB liegt darin, dass die Beklagte zumindest fahrlässig verkannt hat, zum Anbieten von Computerspielen über ihren Internetanschluss im Rahmen von Filesharing-Tauschbörsen nicht berechtigt zu sein, weil sie dafür keine Lizenzrechte von der Klägerin erworben hatte.

    Der Höhe nach steht der Klägerin wegen der rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung ihrer Leistungsschutzrechte durch die Beklagte nach der von ihr gewählten Schadensberechnungsart der sogenannten Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 Satz 2 UrhG wie beantragt ein Zahlungsanspruch in Höhe von 500,00 EUR zu. Die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2010 - I ZR 68/08 - Restwertbörse I). Dabei ist für die Bemessung des Lizenzschadensersatzes maßgeblich und im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen, was ein vernünftiger Lizenzgeber und ein vernünftiger Lizenznehmer anstelle der Parteien für die Übertragung des Rechts, welches die Beklagte durch Teilnahme an der Filesharing-Tauschbörse in Anspruch genommen hat, vereinbart hätten (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG). Streitgegenständlich ist nicht eine einmalige Kopie des streitgegenständlichen Computerspieles, sondern von der Beklagten wurde das Recht in Anspruch genommen, dieses im Internet unbeschränkt im Rahmen eines Netzwerkes für eine Vielzahl von Teilnehmern zum Download bereithalten zu dürfen und damit im Sinne von § 19 a UrhG öffentlich zugänglich zu machen. Der der Klägerin zustehende Schadensersatzanspruch kann aus diesen Gründen nicht auf den Kaufpreis einer Kopie des Computerspieles beschränkt oder daran orientiert werden, da das von der Beklagten in Anspruch genommene Nutzungsrecht zum weltweiten öffentlichen Zugänglichmachen des streitgegenständlichen Computer Spieles einen wesentlich größeren Umfang hatte als der (einmalige) Erwerb eines Vervielfältigungsstücks, etwa in Form einer CD-ROM oder DVD. Demzufolge hätten vernünftige Vertragspartner anstelle der Parteien eine an dem Umfang dieser Lizenz orientierte, wesentlich höhere Lizenzgebühr als die für den Erwerb eines Vervielfältigungsstücks vereinbart. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die durch die Mehrfacherfassungen des Anschlusses der Beklagten dokumentierte Intensität der Rechtsverletzungen von Seiten der Beklagten.

    Sachgerecht erscheint es aus diesen Gründen, als Anhaltspunkt für die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO auf die Beträge abzustellen, die für vergleichbare Nutzungsarten vereinbart werden. Der im Schwerpunkt für Urheberrechtsstreitigkeiten zuständigen Kammer ist aus mehreren Fällen gerichtsbekannt, dass bereits für die zeitlich und räumlich beschränkte Lizenz zum Upload einer Single im Internet Lizenzgebühren im vierstelligen Bereich vereinbart werden. Auch aus diesem Grund setzt die Kammer in ständiger Rechtsprechung für das Angebot von Musikaufnahmen über Filesharing-Netzwerke im Internet jeweils 200,00 EUR pro Musiktitel als angemessenen Schadensersatz für den Regelfall an, Dies entspricht der obergerichtlichen (vgl. etwa OLG Köln, Urteil vom 06.02.2015 - 6 U 209113; OLG Hamburg, Urteil vom 05.11.2013 - 5 U 222110; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2014 - 11 U 115/13; Urteil vom 16.12.2014 - 11 U 27/14) und auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteile vom 11.06.2015 zu I ZR 19/14, 1 ZR 21/14, I ZR 75/14 - Tauschbörse I bis III).

    Vor diesem Hintergrund hält die Kammer ebenfalls in ständiger Rechtsprechung Schadensersatzverlangen im Bereich von 400,00 EUR bis 600,00 EUR für das rechtswidrige Download-Angebot eines Filmwerkes im Rahmen eines Filesharing-Netzwerkes für angemessen (vgl. Urteil der Kammer vom 07.05.2015 - 14 S 44/14 und Urteil vom 06.08.2014 - 14 S 5/14).

    Da die Erstellung eines hochkomplexen Computerspieles wie dem streitgegenständlichen keinen geringeren Aufwand erfordert, ist der von der Klägerin als Teilschadensersatz verlangte Betrag von 500,00 EUR in jedem Fall begründet. Er liegt im Rahmen dessen, was auch für ein Filmwerk mindestens zu leisten ist.

    b.

    Auch der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren für die Abmahnung vom 06.12.2012 ist in der geltend gemachten Höhe von 368,00 EUR gemäß § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. begründet.

    Bei der Ermittlung der Rechtsverletzung in sogenannten Internet-Tauschbörsen wegen eines zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Computerspieles und der Durchsetzung der daraus folgenden Ansprüche handelt es sich nicht um einen einfach gelagerten Fall im Sinne von § 97 a UrhG in der bis zum 08.10.2013 geltenden Fassung (vgl. für Filmwerke ständige Rechtsprechung der Kammer vgl. Urteil vom 28.05.2015 - 14 S 33/14; so auch OLG Köln, Beschluss vom 13.09.2013 - 6 W 152/13), weshalb eine Begrenzung des Anspruchs der Klägerin auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren für die außergerichtliche Abmahnung gemäß § 97a Abs. 2 UrhG a.F. nicht in Betracht kommt.

    Die von der Klägern geltend gemachte Gebühr i.H.v. 368,00 EUR wäre bereits ausgehend von einem Gegenstandswert von 7.000,00 EUR gerechtfertigt (Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG a.F., eine 1,0 Gebühr beträgt danach bereits 375,00 EUR). Der Ansatz eines Gegenstandswertes von hier 7.000,00 EUR für den Unterlassungsanspruch wegen der öffentlichen Zugänglichmachung eines Computerspieles liegt noch weit unter dem Wert, den die Kammer in ständiger Rechtsprechung für die öffentliche Zugänglichmachung eines Filmwerks mit regelmäßig 15.000,00 EUR sowie eines Computerspieles mit regelmäßig 20.000,00 EUR annimmt. Unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der nutzungsberechtigten Klägerin an der Unterbindung der Rechtsverletzung und der erheblichen Angriffsintensität des Rechtsverletzers, die mit der Beteiligung an illegalen Filesharing-Tauschbörsen verbunden ist, ist dieser Wert des Unterlassungsanspruchs in jedem Fall gerechtfertigt.

    c.

    Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Erstattung der ihr in Zusammenhang mit der Ermittlung der Adressdaten der Beklagten in dem Sicherungs- und Gestattungsverfahren gemäß § 101 Abs. 9 UrhG vor dem Landgericht Köln zu Az. 220 0 163/12 entstandenen Kosten in Höhe von 39,82 EUR gemäß § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F.

    Aus § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. können neben Anwaltskosten für die Abmahnung auch sonstige Verfolgungs- und Ermittlungskosten beansprucht werden, z.B. Ermittlungskosten zur Identifizierung des Rechtsverletzers (vgl. Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 10. Auflage 2008 § 97 a UrhG (a.F.) Rn. 29). Die von der Klägerin geltend gemachten Ermittlungskosten, die der Höhe nach mit 39,82 EUR nicht streitig sind, waren erforderliche Aufwendungen zur Vorbereitung der Abmahnung i.S.v. § 97 Abs. 1 S. 2 UrhG a.F., da ohne Kenntnis der Anschlussdaten der Beklagten der Klägerin eine Abmahnung nicht möglich gewesen wäre.

    3.

    Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1. 247, 291 BGB. Verzug der Beklagten hinsichtlich der Zahlung von Lizenzschadensersatz und Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Klägerin ist mit Ablauf der mit Schreiben vom 06.12.2012 gesetzten Zahlungsfrist eingetreten. Hinsichtlich der Auskunftskosten folgt der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Zinsen aus § 291 BGB und ist mit Geltendmachung des Anspruchs in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 begründet (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1, Abs. 2 ZPO).

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EG ZPO.

    IV.

    Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Die Kammer weicht mit dieser Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung oder ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung beruht auf der tatrichterlichen Anwendung gesetzlicher und höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze in einem Einzelfall unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des konkreten Sachverhaltes.

    Die Beschwer im Berufungsverfahren wird auf 907,82 EUR festgesetzt.


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Steffen
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Einen guten Rutsch!

#10486 Beitrag von Steffen » Donnerstag 31. Dezember 2015, 09:39

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Steffen für AW3P

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WF Urteile:News

#10487 Beitrag von Steffen » Donnerstag 31. Dezember 2015, 17:34

WALDORF FROMMER - Recht:News



Silvester 2015



1. Amtsgericht Homburg, Urteil vom 23.11.2015, Az. 7 C 461/14 (18):
Bloßer Verweis auf Dritte genügt nicht den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast!


  • (...) Im Übrigen ist der Beklagte aus Sicht des Gerichts seiner sekundären Darlegungslast nicht gerecht geworden. Auch wenn die Darlegungslast und das Ausmaß der zumutbaren Nachforschungen nicht überspannt werden dürfen, erscheinen dem Gericht die Ausführungen des Beklagten nicht ausreichend. (...)

    (...) Das Vorbringen des Beklagten erschöpft sich in der pauschalen Darlegung, ihm sei nicht bekannt, wer seinen Internetanschluss zu Hause genutzt hat. Auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Angaben des Beklagten bei seiner persönlichen Anhörung vermag das Gericht nicht davon auszugehen, dass dem Beklagten angemessene Nachforschungen unmöglich und unzumutbar waren. (...)

    (...) Wenn aus Sicht des Beklagten seine damalige Lebensgefährtin oder Freunde und Bekannte als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen, müssten ihm entsprechende Nachforschungen wohl möglich sein. (...)

    (...) Dass die nach Darstellung des Beklagten beschränkten Kontakte zur früheren Lebensgefährtin jegliche Nachforschung ausschließen sollten, vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Nach alledem fehlt nach Auffassung des Gerichts ein hinreichend substantiierter Vortrag des Beklagten zu den Mitbenutzungsmöglichkeiten Dritter. (...)

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Autorin: Rechtsanwältin Carolin Kluge
Quelle: news.waldorf-frommer.de
Link: http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... -darlegun/
Urteil als PDF: AG Homburg, Urteil vom 23.11.2015, Az. 7 C 461/14 (18)





~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~




2. Amtsgericht Charlottenburg, Urteil vom 04.12.2015, Az. 206 C 387/15
Beklagte in voller Höhe verurteilt - Lizenzgebühr von 600,00 € nicht nur angemessen, sondern eher niedrig!


  • (...) Steht aber fest, dass die Urheberrechtsverletzung über einen bestimmten Internetanschluss begangen wurde, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber, von dessen Anschluss aus die Urheberrechtsverletzung begangen wurde, für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, GRUR 2010, 912, "Sommer unseres Lebens"), hier mithin die Beklagte. (...)

    (...) Diese Vermutung beruht auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Aus dieser tatsächlichen Vermutung ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast der Anschlussinhabers, der geltend macht, er habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Die Annahme kann mithin erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt werden, wenn der Anschlussinhaber Umstande darlegt, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt (BGB, a.a.O., LG Köln, Urteil vom 11.09.2012, recherchiert unter juris). (...)

    (...) Einen solchen anderen Geschehensablauf hat die Beklagte nicht ausreichend dargelegt. (...)

    (...) Darüber hinaus hat die gemäß § 273 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO eingeholte Behördenauskunft, welche der ergänzenden Stoffsammlung diente, sogar ergeben, dass die Tochter zu keinem Zeitpunkt unter der Beklagtenanschrift gemeldet war und der Sohn nur bis zum [Datum]. Dieses Datum liegt zwar knapp zwei Monate hinter dem streitgegenständlichen Zeitpunkt [Datum]., gibt aber ebenfalls Anlass zu zweifeln, ob der Sohn zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch dauerhaft in der Wohnung seiner Mutter gelebt hat. Auch zu den Wohnverhältnissen des Ehemannes (der im Übrigen teilweise auch als bloßer Lebensgefährte bezeichnet wird) ist sachlich gar nichts vorgetragen. Unter diesen Umständen besteht erst recht ein erhöhter Darlegungsbedarf hinsichtlich der genauen Umstände der Zugangsmöglichkeit. (...)

    (...) Damit bleibt es bei der Vermutung der Täterhaftung der Beklagten als Anschlussinhaberin. Von einer schuldhaften Verletzung des Urheberrechts ist ebenfalls auszugehen. (...)

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Autor: Rechtsanwalt David Appel
Quelle: news.waldorf-frommer.de
Link: http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... r-niedrig/
Urteil als PDF: http://news.waldorf-frommer.de/wp-conte ... 387_15.pdf






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Statistik 2015

#10488 Beitrag von Steffen » Freitag 1. Januar 2016, 00:55

Antistatistik Filesharing Abmahnungen 2015!


01.01.2016;
00:55 Uhr




Ehe man sich es versieht, verfliegt die Zeit und ein turbulentes aber auch spannendes Jahr 2015 ist Geschichte. Die Initiative AW3P möchte kurz und knapp sowie aus ihrer subjektiven Sicht heraus versuchen unter diesem Jahr - im wahrsten Sinn des Wortes - einen Schlussstrich zu ziehen.



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Antistatistik? Natürlich ist diese Formulierung provokant ausgewählt. Es wird von meiner Seite aus - keine - tiefgründige wissenschaftlich fundierte Statistik geben. Auf die Nennung diverser Zahlen möchte ich dennoch nicht verzichten und diese werden für den einen oder anderen vielleicht doch von Interesse sein.





AW3P Zahlensalat



Besucher der Homepage


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Beginn 01.05.2007: 0
Zwischenstand 30.12.2015; 14:30 Uhr: 2.811.102 Besucher





Top Tage (Besucher)

1. Platz
20.01.2015: 10.778
2. Platz
23.06.2015: 6.829
3. Platz:
01.10.2015: 6.329



Suchmaschinen

1. Platz
Google: 32.205
2. Platz
Yandex: 315
3. Platz
Yahoo: 90



Countries

1. Platz
Deutschland: 622.050
2. Platz
England: 205.186
3. Platz
Russland: 12.852




Downloads


Musterschreiben einer "mod. UE"

Word-Dokument


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2014: 18.245
2015: 9.546




PDF-Format


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2014: 44.840
2015: 19.722




PDF: "Wegweiser Inkasso"


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2014: 28.689
2015: 8.934





Klagezahlen

Es kommen mit der Veröffentlichung dieser Zahlen immer wieder zwei Extreme zum Vorschein. Einerseits wird den Zahlen kein Glauben geschenkt, da weit mehr Klageverfahren bundesweit geführt werden. Anderseits wird geschlussfolgert, dass die daraus resultierende bzw. berechnete Klagewahrscheinlichkeit keinen Anlass zur Sorge bietet.

Natürlich - und dies muss ich erneut betonen - stellen diese Zahlen nicht die Gesamtzahlen der geführten Klageverfahren bundesweit bei Filesharing Fällen dar, sondern nur die mitgeteilten Zahlen - 47 - von insgesamt - 47 - auf AW3P gelistete Kanzleien. Es gibt natürlich bundesweit weit mehr Anwaltskanzleien - insbesondere seit dem Wegfall des sog. "fliegenden Gerichtsstandes" - die Filesharing-Fälle übernehmen und nicht gelistet sind sowie Betroffene, die sich allein verteidigen. Hierbei werden diese obsiegen, anerkennen, versäumen, oder sich außergerichtlich bzw. gerichtlich vergleichen - ohne - in der Statistik erfasst zu sein.

Selbstverständlich werden die übermittelten Informationen vertraulich behandelt, nach der Zusammenfassung die zugesandten E-Mails gelöscht und nur die Gesamtzahlen - ohne - namentliche Spezifizierung veröffentlicht. Ich bedanke mich bei allen Kanzleien, die ihre Zahlen freundlicherweise mitgeteilt haben.


Im Weiteren gilt der umgemünzte Grundsatz: "iudex non calculat" - "der Richter rechnet nicht".


.................

Kanzleien
2011: 21
2012: 42
HJ 2013: 35
2013: 34
HJ 2014: 37
2014: 33
HJ 2015: 44
2015: 47

.................


Mandate
2011: 13.784
2012: 15.652
HJ 2013: 7.425
2013: 12.854
HJ 2014: 4.660
2014: 10.469
HJ 2015: 4.416
2015: 10.901

.................


Vergleichsbereitschaft (Mandanten)
2011: 0
2012: 42,6 %
HJ 2013: 41,45 %
2013: 36 %
HJ 2014: 23,05 %
2014: 20,78 %
HJ 2015: 3 - 10 % - größere Kanzleien; 30 - 80 % - kleinere Kanzleien
2015: 20 - 30 %

.................


Wöchentlicher Durchschnitt - Anrufe von Abgemahnte
2014: 1-2
HJ 2015: 3 - 5
2015: 1 - 3

Hinweis:
Da im Grundsatz es nur noch eine Großkanzlei gibt, wäre eine Aufspaltung in kleine und große Kanzleien nicht mehr aussagekräftig.



.................


Negative Feststellungsklage
2011: 0
2012: 0
HJ 2013: 0
2013: 0
HJ 2014: 0
2014: 5 (4 Sonstige, 1 WF)
HJ 2015: 5 (5 Debcon)
2015: 8
  • 5 Debcon
  • 3 Sonstige
[/b]

.................


Einstweiliges Verfügungsverfahren (EV)
2011: 0
2012: 27 (27 Sonstige)
HJ 2013: 19 (10 Selig, 5 Sch./Sch., 2 Nimrod, 1 Goethe, 1 Sonstige)
2013: 13 (10 Selig, 3 Sch./Sch.)
HJ 2014: 4 (1 Fareds, 1 Sch./Sch., 1 c-law, 1 WSYCR)
2014: 7 (4 Fareds, 1 Sch./Sch., 1 c-law, 1 WSYCR)
HJ 2015: 2 (1 WF, 1 S&P)
2015: 2
  • 1 WF
  • 1 S&P
[/b]

.................


Beschwerdeverfahren
2011: 0
2012: 7 (7 Sonstige)
HJ 2013: 5 (2 Sonstige, 1 WF, 1 Negele, 1 U+C)
2013: 7 (6 § 101 IX UrhG, 1 Streitwert)
HJ 2014: 2 (§ 101 IX UrhG)
2014: 2 (2 Sonstige (§ 101 X UrhG))
HJ 2015: 4 (2 Sonstige, 1 WF, 1 rka.)
2015: 4
  • 2 Sonstige
  • 1 WF
  • 1 rka.
[/b]

.................


Mahnbescheid (MB)
2011: 124 (124 Sonstige)
2012: 495 (495 Sonstige)
HJ 2013: 599 (307 Sonstige, 153 WF, 44 Rasch, 39 rka., 36 Sch./Sch., 8 Fareds, 4 Schröder, 2 Haas (infoscore, S&W), 2 Condor (BB), 1 Debcon, 1 Goethe, 1 S&P, 1 Es.Ka.We.)
2013: 2.016 (1.379 Sonstige, 164 WF, 131 Wulf, 72 BB, 55 Rudolph, 44 Negele, 42 Fareds, 38 Sch./Sch., 37 rka., 35 Rasch, 4 Edelmaier, 3 S&P, 2 adebio, 2 Schroeder, 2 Selig, 1 Schmietenknop, 1 Europa, 1 Wehrl, 1 Sebastian, 1 Es.Ka.We., 1 CSR)
HJ 2014: 482 (159 Sonstige, 101 WF, 67 Wulf, 43 BB, 29 Rudolph, 23 Debcon, 21 Fareds, 15 Sch./Sch., 10 Edelmaier, 5 Negele, 3 CSR, 2 U+C, 2 S&P, 1 Haas, 1 Sebastian)
2014: 1.060 (681 Sonstige, 139 WF, 82 Fareds, 42 BB, 28 Sch./Sch., 27 Sebastian Wulf, 18 Inkasso, 11 Negele, 9 rka., 7 CSR, 5 S&P, 4 Condor, 4 c-law, 2 U+C, 1 WSYCR)
HJ 2015: 441 (340 Sonstige, 40 WF, 30 BB, 12 Sch./Sch., 6 Fareds, 4 Rasch, 4 Sebastian, 4 rka., 1 c-law)
2015: 765
  • 630 Sonstige
  • 46 WF
  • 32 BB
  • 17 Fareds
  • 14 Sch./Sch.
  • 10 Debcon
  • 7 rka.
  • 5 Rasch
  • 2 S&P
  • 2 Sebastian
[/b]

.................


Vollstreckungsbescheid (VB)
2011: 0
2012: 22 (22 Sonstige)
HJ 2013: 3 (2 Fareds, 1 Rasch)
2013: 31 (16 Sonstige, 6 WF, 3 BB, 3 Wulf, 2 Fareds, 1 U+C)
HJ 2014: 38 (20 Sonstige, 5 BB, 4 Debcon, 3 Rudolph, 3 Wulf, 3 Sch./Sch.)
2014: 61 (30 Sonstige, 14 BB, 10 Inkasso, 2 Fareds, 1 Schroeder, 1 Sch./Sch., 1 c-law, 1 Condor, 1 Wulf)
HJ 2015: 22 (19 Sonstige, 2 Sebastian, 1 Fareds)
2015: 50
  • 43 Sonstige
  • 4 Sebastian
  • 2 WF
  • 1 Debcon
[/b]

.................


Unterlassungsklage
2011: 0
2012: 19 (19 Sonstige)
HJ 2013: 7 (2 Sch./Sch., 2 Sonstige, 1 Rasch, 1 WF, 1 Schröder)
2013: 10 (5 WF, 2 Sonstige, 1 Rasch, 1 Schroeder, 1 S&P)
HJ 2014: 5 (4 Sonstige, 1 Rasch)
2014: 8 (4 Sonstige, 2 WF, 1 Rasch, 1 Negele)
HJ 2015: 7 (7 Sonstige)
2015: 7
  • 7 Sonstige
[/b]

.................


Amtsgericht (AG)
2011: 165 (165 Sonstige)
2012: 498 (498 Sonstige)
HJ 2013: 238 (85 WF, 48 Rasch, 30 rka., 29 Sonstige, 27 Sch./Sch., 7 Schroeder, 3 Fareds, 2 CSR, 2 S&P, 2 Es.Ka.We., 2 ZD, 1 Lexius)
2013: 641 (189 WF: 189, 173 Sonstige, 120 Sch./Sch., 72 Rasch, 33 rka., 13 Marquort, 9 Schroeder, 8 BB, 5 Negele, 4 Fareds, 3 Es.Ka.We., 2 Kornmeier, 2 Condor, 2 CSR, 2 Nimrod, 2 Lexius, 1 S&P, 1 ZD)
HJ 2014: 237 (72 Sch./Sch., 55 WF, 34 BB, 34 Sonstige, 18 Rasch, 6 Fareds, 5 rka., 5 Negele, 3 Wulf, 2 CSR, 1 Debcon, 1 Sebastian, 1 S&P)
2014: 1.062 (340 Sonstige, 269 BB, 252 Sch./Sch., 95 WF, 28 rka., 18 Rasch, 10 Schalast, 8 Negele, 8 S&P, 7 CSR, 6 Debcon, 5 Sebastian Wulf, 5 Fareds, 3 Nimrod, 2 Inkasso, 2 Kornmeier, 2 Bindhardt, 1 U+C, 1 Es.Ka.We. Schwrz.)
HJ 2015: 525 (333 Sonstige, 95 BB, 51 WF, 18 Rasch, 14 Sch./Sch., 6 rka., 2 Focus, 2 c-law, 1 Fareds, 1 Kornmeier, 1 Munderloh, 1 Sebastian)
2015: 964
  • 381 Sonstige
  • 370 BB
  • 85 WF
  • 31 rka.
  • 25 NZGB
  • 24 Rasch
  • 22 Sch./Sch.
  • 12 Nimrod
  • 9 S&P
  • 3 Sebastian
  • 1 Fareds
  • 1 c-law
[/b]

.................


Landgericht (LG)
2011: 5 (5 Sonstige)
2012: 57 (57 Sonstige)
HJ 2013: 98 (90 Sonstige, 4 WF, 2 Rasch, 1 Schroeder, 1 rka.)
2013: 13 (6 Sonstige, 5 Rasch, 1 rka., 1 WF)
HJ 2014: 12 (10 Sonstige, 1 WF, 1 Nimrod)
2014: 69 (51 Sonstige, 7 Rasch, 4 WF, 4 BB, 2 rka., 1 Sch./Sch.)
HJ 2015: 61 (41 Sonstige, 14 BB, 2 WF, 2 Rasch, 1 Negele, 1 rka.)
2015: 131
  • 95 Sonstige
  • 27 BB
  • 4 Rasch
  • 2 WF
  • 1 NZGB
  • 1 rka.
  • 1 Nimrod
[/b]

.................


Oberlandesgericht (OLG)
2011: 1 (1 Sonstige)
2012: 12 (12 Sonstige
HJ 2013: 9 (8 Sonstige, 1 Rasch)
2013: 1 (1 Rasch)
HJ 2014: 4 (4 Sonstige)
2014: 4 (4 Sonstige)
HJ 2015: 9 (9 Sonstige)
2015: 6
  • 5 Sonstige
  • 1 Rasch
[/b]

.................


Bundesgerichtshof (BGH)
2011: 0
2012: 2 (2 Sonstige)
HJ 2013: 2 (2 Sonstige)
2013: 2 (2 Sonstige)
HJ 2014: 2 (2 Sonstige)
2014: 1 (1 Sonstige)
HJ 2015: 1 (1 Rasch)
2015: 1
  • 1 Sonstige
[/b]

.................


Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
2011: 0
2012: 0
HJ 2013: 9 (9 Sonstige)
2013: 0
HJ 2014: 0
2014: 1 (1 Sonstige)
HJ 2015: 0
2015: 5
  • 5 Sonstige
[/b]

.................


Kurz und knapp:

Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies (München):
  • (...) 2015 unser Rückblick: Die Abmahnkanzleien tun sich schwer mit dem neuen auswärtigen Gerichtsstand. Dennoch verzeichnen wir zahlreiche Klagen. Professionell wie immer Waldorf und Rasch, gelegentlich rka. und Sasse. Baumgarten arbeitet mit schwacher Qualität bundesweit zahllose Altfälle ab. Mit Rasch hat sich der Pionier der Abmahnindustrie offenbar aus dem aktuellen Abmahngeschäft verabschiedet und überlässt Waldorf Frommer das Feld, die prozentual heute deutlich Branchenführer sind. Auch Schulenberg, Schenk hat zu Beginn des Jahres seine Pornoabmahnungen eingestellt. Die Gesamtanzahl der Abmahnungen dürfte leicht rückläufig sein. (...)

Rechtsanwalt Christian Solmecke (Köln):
  • (...) Die Abmahnungen sind längst nicht mehr so massiv wie in den "Boom Jahren" 2011/2012. Trotzdem ist eine deutliche Zunahme durch neue Plattformen wie z.B. "Popcorn Time" zu verzeichnen. Solche Plattformen sehen aus wie harmlose Streaming Seiten, sind letztlich allerdings nichts Anderes als Tauschbörsen in neuem Gewand. Diese neuen Tauschbörsen werden auch für weitere Abmahnungen in 2016 sorgen. (...)

.................





Was war? Was wird?



Rechtsprechung

Es wurde deutlich, dass der Trend "Abmahnungs Rückgang - Klagen Anstieg" weiter anhält. Dennoch kann man nicht alle Gerichtsentscheidungen aufzählen, da es den Rahmen dieser "Antistatistik" sprengen würde. Immer noch herrschen anscheinend bundesweit Unklarheiten in Rechtsfragen, egal ob bei Juristen oder Engagierten, die eigentlich keiner höchstrichterlichen Klärung bedürfen.



1. Frage nach der Anwendung der 10-jährigen Verjährungsfrist gemäß § 102 S. 2 UrhG auf Filesharing Fälle

Dabei ist der § 102 UrhG eindeutig. Schadensersatzansprüche als bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche gem. § 102 S. 2 UrhG i.V.m. § 852 BGB verjähren frühestens innerhalb von zehn Jahren ab ihrer Entstehung (vgl. BGH, Urteil v. 24.11.1981, X ZR 7/80 "Kunststoffhohlprofil II"; BGH, Urteil v. 15.01.2015, I ZR 148/13 "Motorradteile"; BGH, Urteil v. 27.10.2011, I ZR 175/10, Rn. 37 bis 40 "Bochumer Weihnachtsmarkt"; BGH, Urteil v. 11.06.2015, I ZR 7/14 - "Tauschbörse II"; LG Frankfurt am Main, Urteil v. 08.07.2015, 2-06 S 21/14; LG Köln, Beschluss v. 21.07.2015, 14 S 30/15).

Im Rahmen des bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruchs (§ 102a UrhG i.V.m. §§ 812 ff. BGB) ist das "erlangte Etwas" i.S.d. § 812 BGB,
  • a) nicht der Download,
    b) nicht der ersparte Kaufpreis für einen Download,
    c) nicht die ersparte Lizenzvergütung, sondern,
    => der Gebrauch des Rechts als solcher (nämlich ohne rechtlichen Grund und auf Kosten eines anderen (h.M.: ein Vermögenswert ist nicht erforderlich)), der angemaßte (rechtswidrige) Gebrauch des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG), den sich der Verletzer durch das Anbieten des Werks in einer Internettauschbörse verschafft hat.
Im gesamten Urheberrecht geltende Grundsätze zur Verjährung - wie auch alle anderen Regelungen - für alle Rechtsverletzungen,
  • a) egal, ob online oder offline begangen,
    b) egal, ob es sich um ein Foto, ein Musikstück oder eine andere Werkgattung handelt,
    c) egal, in welches Recht eingegriffen wird,
    • ca) Vervielfältigung (§ 16 UrhG),
      cb) Verbreitung (§ 17 UrhG),
      cc) öffentlicher Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) etc.



2. Frage nach dem Beweismittelverbot von Reseller-Auskünften ohne Gestattungsbeschluss

Hier geht es im Wesentlichen um die Rechtsauffassung, wenn sich ein Beschluss zur Herausgabe von Verkehrsdaten gemäß § 101 Abs. 9 UrhG nur gegen den Netzvermieter (Backbone-Provider bzw. Access-Provider) richtet, der eigentliche Netzmieter (Reseller-Provider) aber resultierend die Kundendaten dem Antragsteller mitteilt, läge ein Beweismittelverbot vor, da ein zweiter Beschluss gegen den Reseller gestellt und genehmigt werden müsste. Diesbezüglich wurde eine Anfrage an die Stelle - die es schließlich wissen muss - gerichtet, nämlich an die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI).

Das Referat 8 des BfDI nahm zur Bewertung des Themas Bezug auf den BfDI Bericht vom 17.02.2014: "Auskunftsrecht bei Urheberrechtsverstößen":

  • (...) Ist ein sogenannter Reseller* im Spiel, so läuft das Verfahren zweistufig ab: Der Netzbetreiber beauskunftet im ersten Schritt, welcher Benutzerkennung bei welchem Reseller eine bestimmte IP-Adresse zugewiesen war. Danach muss der Reseller dem Rechteinhaber mitteilen, wer der Inhaber der Benutzerkennung ist. Hierbei handelt es sich um eine Bestandsdaten-Auskunft nach § 101 Absatz 2 Nr. 3 UrhG, für die kein richterlicher Beschluss erforderlich ist. (...)

    ______________________________
    *Ein Reseller ist ein Service-Provider, der die Vermittlung des Internet-Zugangs als eigene Dienstleistung anbietet und sich dabei der technischen Einrichtung eines Netzbetreibers bedient. Er verfügt über die Bestandsdaten seiner Kunden. Der Netzbetreiber vergibt die IP-Adressen an die Kunden des Resellers und erfährt dabei nur die Benutzerkennung. (...)

Das Referat 8 des BfDI weiter, "diese Einschätzung besitzt weiterhin Gültigkeit". Eine richterliche Anordnung für den Reseller ist nicht erforderlich, da es sich hier um eine reine Bestandsdatenauskunft handelt. Gemäß Gestattungsbeschluss teilt z.B. die "Telekom" dem Rechteinhaber den anhand der IP-Adresse + Zeitstempel ermittelten Namen des Resellers und die mit der IP-Adresse (notwendigerweise) verknüpfte Nutzerkennung mit. Der Reseller ermittelt dann anhand dieser Nutzerkennung die Daten seines Kunden in seinen Bestandsdatenbanken. Verkehrsdaten sind hier nicht betroffen. Der Argumentation des Amtsgerichts, das eine richterliche Anordnung auch für die Auskunftserteilung des Resellers erforderlich wäre, da die Auskunft letztlich unter Verwendung von Verkehrsdaten erfolgte, ist nicht zu folgen. Unklar bleibt auch, warum das Amtsgericht davon ausgeht, dass die Telekom eine unvollständige Auskunft - nämlich nur den Namen des Resellers, nicht aber die ihr bekannte Nutzerkennung - erteilen sollte.




3. Frage der sekundären Darlegungslast nach dem BGH-Entscheid: "BearShare"

Bei keiner anderen Rechtsfrage gab und gibt es so viele Unklarheiten, offenen Fragen und konträre Diskussionen zwischen Juristen bzw. in der Forenwelt, wie nach den Kriterien bzw. Anforderungen an einem Abgemahnten bzw. Beklagten hinsichtlich seiner sekundären Darlegungslast. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 08.01.2014 - I ZR 169/12 - "BearShare" spaltete den "Abmahnwahn" und es entpuppten sich viele als sogenannte "BGH-Flüsterer". Jede Partei interpretierte die höchstrichterliche Rechtsprechung auf ihre Weise. Erschwerend kam hinzu, dass es sich abzeichnete, das die Gerichtsstandorte einmal bundesweit und andermal innerhalb eines Gerichtsstandortes die "Messlatte" an den Anforderungen bzw. Kriterien an die sekundäre Darlegungslast unterschiedlich hoch ansetzten. Wurden im Süden der Republik (Leipzig, München, Köln, Stuttgart etc.) hohe Anforderungen an "Plausibilität und Detailliertheit" im Sachvortrag des Beklagten gelegt, kommt man hingegen weiter in den Norden, reicht oft nur die namentliche Benennung eines Mitnutzers. Nur sollte man auch eindeutig sagen, dass dieses nichts grundlegend Neues ist! Es gibt ein Gesetz, eine Rechtsprechung ... diese müssen in der Praxis "reifen. Und ja, Unterschiede in der Rechtsprechung gibt es leider immer einmal wieder. Was verhindert werden könnte, wenn der Bundesgerichtshof hier seine Kriterien konkretisiert.


Deshalb wurde von allen ein einziger Termin am Bundesgerichtshof (11.06.2015) mit Spannung erwartet, die eine Klärung bringen und den "Abmahnwahn" sein Ende bereiten sollte. Sollte. Im Blickpunkt standen rechtliche Fragen zu den Themen der Verlässlichkeit von IP-Adressermittlungen, zum Beweisrecht, zur Störerhaftung sowie zur Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers und die Möglichkeit der Entlastung im Rahmen der sogenannten sekundären Darlegungslast.


BGH - Urteil vom 11.06.2015 - I ZR 19/14: "Tauschbörse I"
  • Vorinstanzen:
    • LG Köln, Urteil vom 31.10.2012, Az. 28 O 306/11
    • OLG Köln, Urteil vom 20.12.2013, Az. 6 U 205/12
BGH - Urteil vom 11.06.2015 - I ZR 7/14: "Tauschbörse II"
  • Vorinstanzen:
    • LG Köln, Urteil vom 02.05.2013, Az. 14 O 277/12
    • OLG Köln, Urteil vom 06.12.2013, Az. 6 U 96/13
BGH - Urteil vom 11.06.2015 - I ZR 75/14: "Tauschbörse III"
  • Vorinstanzen:
    • LG Köln, Urteil vom 24.10.2012, Az. 28 O 391/11
    • OLG Köln, Urteil vom 14.03.2014, Az. 6 U 210/12

Nach dem 11.06.205 sowie mit der Pressemitteilung des BGH (Nr. 92/2015) stellte sich aber Ernüchterung ein. Obwohl man wieder versuchte alles zu interpretieren und schönzureden, war der 11.06.2015 - aus unserer Sicht jedenfalls - eher suboptimal verlaufen. Natürlich ist man hinterher immer schlauer. Punkt. Natürlich gäbe es ohne gewisses Risiko keinen BGH-Entscheid: "Morpheus" oder "BearShare". Den BGH-Entscheid "Sommer unseres Lebens" klammere ich hierbei aus, da diese Entscheidung durch die abmahnende Frankfurter Kanzlei "Kornmeier und Partner erstritten wurde.

Aber, jeder Betroffene, der mit seinem BGH-Anwalt nach Karlsruhe zieht, sollte immer genau wissen welche Kosten für wen und in welcher Konstellation konkret entstehen können. Und dieses ist die Verantwortung der betreffenden Anwälte hier schonungslos den Mandanten vorher aufzuklären.

Natürlich wurde im Weiteren mit Spannung das Erscheinen des Volltextes erwartet, was am 02.12.2015 durch die Hamburger Kanzlei "Rasch Rechtsanwälte" erfolgte. Nach einer gewissen größeren Denk- und Ruhephase sprudelten dann die Gedanken der Blogger und "BGH-Flüsterer". "Alles easy" und "Null Problemo", außerdem griff man schnell nach dem rettenden Strohhalm, die im Jahr 2016 anstehenden BGH-Entscheide zu Filesharing-Fällen, die aber jetzt so etwas von Klarheit bringen und dem Abmahnwahn sein Ende bereiten.




AW3P-Gedanken zum BGH-Entscheid: "Tauschbörse III"

Nach dem BGH-Entscheid: "Tauschbörse III" ist es weiterhin mit einem Benennen getan, sofern man sich auch zu dem Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung äußern kann. Nicht mehr ausreichend ist also der Vortrag, dass man den Anschluss in einem Mehrpersonenhaushalt benutzt, so dass eine Rechtsverletzung durch die Mitnutzer oder des Anschlussinhabers denkbar ist. Klar ausreichend ist der Vortrag, dass die Nachforschungen ergeben haben, dass der Anschlussinhaber am Tag der Rechtsverletzung zu Hause war und Zugang zum Anschluss hatte, so dass ein Upload durch ihn denkbar ist. Grenzfall, aber vielleicht ausreichend, wäre ein Vortrag, dass der Anschlussinhaber z.B. einen eigenen stationären Computer besass, mit dem er stets auf das Internet zugreifen konnte, und es nicht mehr ermittelt werden konnte, ob er an dem betreffenden Tag zu Hause war. Da eine Anwesenheit zum Upload nicht erforderlich ist, wären damit Umstände dargetan, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass der Anschlussinhaber zum konkreten Zeitpunkt Zugang zum Internetanschluss hatte und somit den Upload vornehmen konnte.

Es geht nicht um eine Verschärfung der sekundären Darlegungslast durch den BGH-Entscheid: "Tauschbörse III", sondern um eine konsequente Fortsetzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
  • BGH, Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08 -"Sommer unseres Lebens"
  • BGH, Urteil vom 15.11.2012 - I ZR 74/12 - "Morpheus"
  • BGH, Urteil vom 08.01.2014 - I ZR 169/12 - "BearShare"
  • BGH, Urteil vom 11.06.2015 - I ZR 19/14 - "Tauschbörse I"
  • BGH, Urteil vom 11.06.2015 - I ZR 7/14 - "Tauschbörse II"
  • BGH, Urteil vom 11.06.2015 - I ZR 75/14 - "Tauschbörse III"



Was bringt zukünftig das Erscheinen des Volltextes zu "Tauschbörse I - III"?

Ich weiß es nicht! Ein erstes Ausrufezeichen setzte aber eine durch die Berliner Kanzlei ".rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR" erstrittene Entscheidung vor dem Landgericht Köln (Urt. v. 17.12.2015, Az. 14 S 16-15).



Landgericht Köln, Urteil vom 17.12.2015, Az. 14 S 16-15:
  • (...) Nicht ausreichend ist der Vortrag, dass der Internetanschluss von mehreren Personen im Haushalt genutzt werde, da es nicht auf die Nutzungsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern konkret auf die Situation im Verletzungszeitpunkt ankommt (BGH a.a.O., Tauschbörse III Rn. 39 a.E.). (...)
  • (...) Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat, weil sie nicht vorgetragen hat, welche andere Person als Alleintäter der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen in Betracht kommt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Beklagte als Täter für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGHZ 200, 76 - "BearShare"). In einem solchen Fall fehlt es an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme, ein Dritter könnte die Verletzungshandlung mit - alleiniger Tatherrschaft begangen haben (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14 Tauschbörse III). (...)




Forenwelt

Als Forenbetreiber werde ich mich hier sicherlich schwertun. Ich versuche es einfach ... Im Bereich Filesharing Abmahnung kann 2015 von keiner Forenwelt mehr die Rede sein, sondern von noch zwei verbliebenen "aktiven" Foren (IGGDAW, AW3P). Viele andere Foren, die sich mit diesem Rechtsthema intensiv befassten, ermüdeten über die Jahre hinweg, rieben sich auf, orientierten sich um, sperrten ab oder versprachen nichteinhaltend das "Blaue vom Himmel", um ebenfalls in ihrer rettenden Verjährung abzutauchen.

Jeder - der es auch erkennen wollte - kam mit dem BGH-Entscheid "Sommer unseres Lebens" 2010 zur Erkenntnis, die Forenwelt zum Rechtsthema "Filesharing Abmahnungen" ist der "Neandertaler des Abmahnwahns". Nach meines Erachtens hatte bis dato auch nur ein einziges Forum ("Monster-Thread" im Gulli:Board) eine bedeutende Rolle erlangt, was mit seiner Schließung 2007 bis heute nie mehr erreicht wurde. Natürlich war die Schließung am 30.05.2007 keine großangelegte Verschwörung zwischen der "Abmahnindustrie" und den Betreibern des Forums, sondern war allein unsere Schuld. Natürlich ist bekanntlich Meinungsfreiheit ein hohes Gut und auch im Artikel 5 des Grundgesetzes verankert. Nur, es ist eine schöne und zerbrechliche Pflanze, mit der man behutsam umgehen sollte und nicht darauf trampeln.

Das Forum an sich wird deshalb nur noch sporadisch von Neuabgemahnten besucht werden, die sich lesend informieren statt aktiv mitzuposten. Dazu ist der Informationsgehalt einfach zu umfassend. Zu jährlichen Stoßzeiten (MB, Klageerhebung, neuen "Debcon Brief") werden die Foren besucht werden, ansonsten wird es nur der Treffpunkt des jeweilig gelangweilten "harten Kerns" darstellen.

Zu den unterschiedlichen Interessen und Ausrichtung der verbliebenden zwei Foren werde ich nicht mehr viel schreiben. Nach meinen 9-jährigen Jubiläum am 14.12.2015 kam ich zur bitteren Erkenntnis, dass es doch schnurzpiepegal ist,
  • a) wer wie viel Geld verdient, oder nicht,
    b) wer Anwalt ist, sich für einen hält, oder keiner ist,
    c) wer mit laienhaften Foren-Versprechungen wie viel Geld in einem Klageverfahren spart, oder nicht,
    d) wer rhetorisch geschult, Meister der Rechtschreibung oder Grammatik ist, oder nicht,
    e) wer welche vermeintlichen Erfolge verzeichnet, oder nicht,
    f) wer welche Meinung bzw. Standpunkt vertritt, diesen teilt, oder nicht usw. usf.
Sind wir doch ehrlich! Es interessiert doch eigentlich auch niemanden, solange man den "Kalten (Foren-) Krieg" anheizt, alles für "Lau" erhält bzw. zumindest vermeintlich etwas spart, solange Anwälte ihre Kosten per Spendenaktion erhalten usw. usf.

"Ehrenamt" entspringt nicht mehr aus dem Quell der Freiwilligkeit und des Helfens wegen, sondern aus dem Quell des wirtschaftlichen Erfolg und Ruhm einzelner.


Deshalb wird mit Wiederöffnung des Forums AW3P ab dem 02.01.2016 das Motto auf AW3P - abgeleitet eines Zitates von Otto Graf Lambsdorff ...
  • "Nach meiner Überzeugung wirken wir alle am besten, wenn wir arbeiten, nicht wenn wir reden."
    Otto Graf Lambsdorff (*20. Dezember 1926 in Aachen; † 05. Dezember 2009 in Bonn), dt. Politiker (FDP) -


... heißen:
  • "Nach meinen Überlegungen wirken wir alle am besten, wenn jeder fleißig in und für sein Forum arbeitet, nicht wenn wir nur allein über das andere reden."
    Steffen Heintsch (*30.03.1963) ehrenamtlicher Helfer, Initiator AW3P




Was war, was wird?

Diese Einschätzung basiert natürlich aus meinem subjektiven Blickwinkel heraus und ich versuche nicht abschweifen.


Auch wenn man das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken (kurz: "GguGpr", inkrafttreten 09.10.2013, BGBl 2013 I, 3714) nicht losgelöst von
  • a) dem Trend in der Rechtsprechung (seit dem BGH-Entscheid: "Sommer unseres Lebens" 2010),
    b) dem konsequenten Verlangen der Gebühr pro IP-Adressen durch die Gestattungslandgerichte sowie
    c) der Bundestagswahl 2013 sehen darf, stellt es einen verbuchten Erfolg des Gesetzgebers - jedenfalls bei "Filesharing Abmahnungen" - dar.

Aber es besteht noch Nachholbedarf bei der Festsetzung der Höhe des Schadensersatzanspruches bei Filesharing Fälle, sowie bei anderen Bereiche im "Abmahnwahn", wie z.B. Bilderabmahnungen eBay, Webseite, Blog usw., Abmahnungen wegen fehlerhaftem Impressum / Widerrufsbelehrung / AGB usw., Abmahnungen wegen Verstoß gegen das Zitatrecht usw. usf. ... die lange noch nicht die Aufmerksamkeit genießen, wie Filesharing! Man sollte beachten, dass hier viele seriös abmahnen, aber wenige unentdeckt eine lukrative Einnahmequelle für sich erschlossen. Gründe dafür sind einfach, das fehlende Interesse der Öffentlichkeit aufgrund geringer Anzahl versendeter Abmahnungen und fehlende Berichte in den Medien.



Es wird aber - zurück zum Filesharing - ersichtlich, die versendeten Abmahnungen gehen anzahlmäßig immer weiter zurück. Das bedeutet, dass zukünftig abmahnen werden,
  • a) in großer "Stückzahl"
    • => 1 "Großkanzlei" mit der entsprechenden Klientel (wie z.B. Münchner Kanzlei "Waldorf Frommer")
    b) in kleiner "Stückzahl"
    • => wenige "Kleinkanzleien" (wie z.B. "FAREDS"; "Schutt, Waetke"; "Nimrod", "Daniel Sebastian", "©-Law" usw.).
Alles andere wäre unwirtschaftlich. Und natürlich werden einzelne Kanzleien nicht mehr abmahnen. Punkt.


Wenn ich jetzt mit dieser Einschätzung richtig liege und das Datum 09.10.2013 (inkrafttreten des GguGpr) als den "Tag X" hernehme, betrachte ich Abmahnungen, ausgesprochen vor dem Tag X, als "Altfälle". Ansprüche aus diesen Altfällen werden innerhalb der gesetzlichen Frist gemäß § 195 BGB allgemein am Ende des Jahres 2016 verjähren. Das bedeutet, 2016 (bis max. ca. Juli 2017) wird noch einmal ein Jahr mit einer anzahlmäßig großen Mahnbescheidsbeantragung sowie Klagetätigkeit.

Jetzt schon ersichtlich, dass die Klagewelle der Kanzlei "BaumgartenBrandt" (beginnend 2014/2015) - zumindest vor den Amtsgerichten - zu Ende ist und hier nur noch die Rechtsstreite an den Instanzgerichten (LG, OLG) ausgefochten werden.


Das heißt, ab dem Ende des Jahres 2017 werden auch hier (siehe Abmahnungen) klagen,
  • a) in großer "Stückzahl"
    • => 1 "Großkanzlei" mit der entsprechenden Klientel (wie z.B. Münchner Kanzlei "Waldorf Frommer")
    b) in kleiner "Stückzahl"
    • => wenige "Kleinkanzleien" (wie z.B. "FAREDS"; "Schutt, Waetke"; "Nimrod", "Daniel Sebastian", "©-Law" usw.).

Das "große Geldverdienen" ist damit vorbei und jede Kanzlei, die ihr Hauptaugenmerk auf Filesharing Abmahnungen legte, war gut beraten, sich schon längst ein zweites Standbein gesucht zu haben. Ob ab Ende 2017 ein Forum überhaupt noch einen tiefgründigen Sinn macht, wird von Jahr zu Jahr eingeschätzt werden müssen.


Inkassounternehmen, wie z.B. Debcon, sind für mich persönlich "zahnlose Papiertiger", die auf der Angst der Betroffenen vor Lohn- und Kontopfändung bzw. Schufa-Einträgen bauen. Man muss hier sich selbst und den Betroffenen endlich einmal beweisen, ob in den ständig großangekündigten Mahn- und Klageverfahren die gerichtssicheren Beweise ausreichen oder nur poetische Schriftsätze abgefasst werden können.


Natürlich bleibt es für eingefleischte Engagierte und Juristen weiterhin spannend. Was bringt die Rechtsprechung ab dem 02.12.2015 (Veröffentlichung des Volltextes zu den BGH-Entscheiden: "Tauschbörse I - III"). Was ermessen die Bundesrichter im Jahr 2016. Kommen Präzisierungen zur sekundären Darlegungslast, oder geht es nur um spezielle Fragen wie z.B. die Höhe des Schadenersatzes. Stimmen die aufgestellten Prognosen oder gibt es eine unerwartete Wendung usw. usf.




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Frohes Neues Jahr Bilder - GBPicsOnline.com




In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein erfolgreiches, abmahnfreies, vor allem gesundes neues Jahr 2016. Ich werde ab dem 02.01.2016 das Forum AW3P wiederöffnen und dann geht es weiter, aber nicht wie gewohnt.




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Ihr Steffen Heintsch für AW3P






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Initiative AW3P
z.H. Herr Steffen Heintsch
An der Kirche 11
07343 Wurzbach/Thüringen


Telefon: +49 (0)36652 359741 (Festnetz)
Telefax: +49 (0)36652 359742
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#10489 Beitrag von Steffen » Samstag 2. Januar 2016, 11:26

Die Kanzlei Schutt, Waetke und das Dilemma mit den vorbeugenden Unterlassungserklärungen


02.01.2016; 11:25 Uhr


Wie die Berliner Kanzlei ...

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Sievers & Coll. Rechtsanwälte
Olympische Straße 10 | 14052 Berlin
Telefon: +49 (0)30 / 323 015 90 | Telefax: +49 (0)30 / 323 015 911
E-Mail: mail@recht-hat.de | Internet: www.recht-hat.de


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Bericht:
Autor: Rechtsanwalt Florian Sievers
Quelle: www.recht-hat.de
Urteil als PDF: LG Hannover - Az. 18 O 132/15


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... berichtet, wurde erfolgreich durch dem Landgericht Hannover eine Klage der Karlsruher Kanzlei "Schutt, Waetke" auf Zahlung der Vertragsstrafe abgewiesen.


  • AW3P - Kurz und knapp: Vertragsstrafe
    »Eine Unterlassungserklärung beinhaltet immer eine Vertragsstrafe (sogenannte Strafbewehrung). Dieses Versprechen soll die Einhaltung des Unterlassungsvertrages mit einer empfindlichen Vertragsstrafe im Wiederholungsfall gewährleisten. Die Höhe der Vertragsstrafe wird entweder mittels eines festen Betrages festgelegt, oder nach dem sogenannten "Neuen Hamburger Brauch" (Höhe wird vom Rechteinhaber nach billigem Ermessen festsetzt und im Streitfall soll ein Gericht über die Höhe der Vertragsstrafe entscheiden.).«


Der Beklagte gab 2011 eine vorformulierte vorbeugende Unterlassungserklärung ab. Er hatte eine Abmahnung erhalten und befürchtete, dass weitere folgen könnten. Rechtsanwalt Florian Sievers: "Seinen Internetanschluss konnten andere Mieter desselben Hauses mitnutzen. Die Rechtsanwälte Schutt Waetke, welche die Tobis Film GmbH & Co. KG vertreten, haben auf diese vorbeugende Unterlassungserklärung hin nicht reagiert, insbesondere nicht die Annahme der Unterlassungserklärung erklärt, sondern geschwiegen. Stattdessen folgt im Februar 2015 ein Schreiben, dass man nach Abgabe der vorbeugenden Unterlassungserklärung eine weitere Urheberrechtsverletzung vom Internetanschluss des Beklagten ermittelt habe und nun aus der Unterlassungserklärung aus dem Jahre 2011 eine Vertragsstrafe i.H.v. 6.500,00 EUR fordere."

"Wir haben den Beklagten im Rechtsstreit vor allem mit dem Argument verteidigt, dass eine Vertragsstrafe immer nur dann anfällt, wenn ein Unterlassungsvertrag durch Angebot und Annahme zustande gekommen ist. Da aber die Klägerin nach Erhalt der vorbeugenden Unterlassungserklärung geschwiegen hatte und gerade nicht deren Annahme erklärte, vertraten wir die Auffassung, dass eben kein Unterlassungsvertrag zustande gekommen war. Dem schloss sich das Landgericht Hannover an", so Rechtsanwalt Florian Sievers weiter.


LG Hannover, Urteil vom 08.12.2015, Az. 18 O 132/15:
  • (...) Ein Strafversprechen gemäß § 339 BGB ist eine vertragliche Abrede und nicht eine einseitige Erklärung (Palandt / Grüneberg, 72. Aufl., Rz. 11 zu § 339 BGB mwN). Nach allgemeinen Grundsätzen kommt die vertragliche Abrede über ein Strafversprechen durch hierauf gerichtete übereinstimmende Willenserklärungen zustande. (...)

    Indem der Beklagte die unter dem 29.03.2011 abgefasste Erklärung der Klägerin übermittelte, gab er ein Angebot auf Abschluss eines Vertrags gemäß § 339 BGB ab. Mangels Bestimmung einer Annahmefrist galt grundsätzlich nach § 147 BGB, dass das der abwesenden Klägerin unterbreitete Angebot nur bis zu einem Zeitpunkt angenommen werden konnte, indem er mit dem Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen rechnen konnte. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beklagten bezog sich seine Unterlassungserklärung vom Frühjahr 2011 auf ein vorangegangenes Handeln, zu dem er nicht zuzuordnen vermochte, welche Rechteinhaber hiervon betroffen sein könnten. Es mag daher sein, was jedoch vorliegend nicht entscheidungserheblich ist, dass in Bezug auf ein solches vorangegangenes Handeln das auf Abschluss eines Unterlassungsvertrags gerichtete Angebot des Beklagten unbedingt und unbefristet erfolgte, mithin auch noch nach der üblichen Annahmefrist bindend gewollt war, damit die Gläubigerin es jederzeit annehmen und die Vertragsstrafenverpflichtung begründen könnte. (...)

    (...) Unter solchen Umständen kann der Zweck einer vorbeugenden Unterlassungserklärung darin bestehen, der Entstehung von Kostenerstattungsansprüchen durch Abmahnungen der Rechteinhaber entgegenzuwirken. (...)

    (...) Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob mit einer in allgemeiner Form abgegebenen vorbeugenden Unterlassungserklärung auch eine verbindliche strafbewehrte Unterlassungsvereinbarung zustande kommt, aufgrund derer zukünftige Zuwiderhandlungen von dem Unterlassungsgläubiger, die vereinbarte Vertragsstrafe geltend machen können. Allein die Aussicht, dass der Dritte, d.h. derjenige, der - wie hier die Gläubigerin - den Schuldner zuvor nicht abgemahnt hat, das Angebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrags ohne Weiteres annehmen werde, kann im Falle der Unterwerfung gegenüber einem Dritten, der zuvor kein Interesse an der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs gezeigt hat, nicht als ausreichend angesehen werden (Köhler / Bornkamm, 30. Aufl., Rz. 1.168 a mwN). In einem solchen Fall einer "aufgenötigten" Unterlassungserklärung (Köhler / Bornkamm a.a.0.) muss es bei der Drittunterwerfung auch zu einer Annahme des Angebots durch den Empfänger der Drittunterwerfung kommen, da jedenfalls unklar bleibt, ob die inhaltliche Ausgestaltung der Reichweite und Höhe der Strafbewehrung dem Gläubiger ausreicht, der bei einer Annahme durch Schweigen an die einseitigen Festlegungen des Schuldners sonst unmittelbar gebunden wäre und bleibe. Anders als die Klägerin meint, ist nach diesen Grundsätzen nicht darauf abzustellen, dass wie von ihr im Einzelnen dargelegt der Prozessbevollmächtigte des Beklagten der Kanzlei der Klägerin eine hohe Anzahl an vorbeugenden Unterlassungserklärungen übermittelte. Im Gegenteil lässt sich aus dem Rechtsgedanken des § 241 a BGB ableiten, dass das Schweigen auf eine ohne individuellen Anlass abgegebene Erklärung nicht als Annahme gedeutet werden kann. Es hätte anderenfalls gern. § 151 BGB einer ausdrücklichen Erklärung des Beklagten, dass er auf eine Annahmeerklärung seitens der Klägerin verzichtet, bedurft. (...)

  • AW3P - Kurz und knapp: Annahme einer Unterlassungserklärung
    »Wird der dem Abmahnschreiben beigefügte "Entwurf eines Unterlassungsvertrages" (ugs. originale Unterlassungserklärung bzw. originale Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung) vom Abgemahnten - ohne inhaltliche Änderungen vorzunehmen - eigenhändig unterschrieben, gilt sie als konkludent angenommen. Das heißt, es bedarf keiner expliziten schriftlichen Annahmeerklärung.

    Wird der dem Abmahnschreiben beigefügte "Entwurf eines Unterlassungsvertrages" vom Abgebenden aber inhaltlich verändert ("modifiziert"; ugs. "mod. UE"; gilt auch für erweiterte Unterlassungserklärungen), oder im Rahmen des "vorbeugenden Rechtsschutzes" (ohne vorherige Abmahnung) eine sogenannte "vorbeugende Unterlassungserklärung" abgegeben, bedarf es einer explizit schriftlichen Annahmeerklärung, damit letztendlich ein (Unterlassungs-) Vertrag zustande kommt. Beachte: Da die Abgabe unbefristet ist, kann die (schriftliche) Annahme - jederzeit - durch den Rechteinhaber erfolgen.«


Der Bundesgerichtshof hat sich hierzu schon einmal in seiner Entscheidung (BGH, Urteil vom 28.02.2013, I ZR 237/11: "Vorbeugende Unterwerfungserklärung") unstreitig geäußert.


BGH, Urteil vom 28.02.2013, I ZR 237/11: "Vorbeugende Unterwerfungserklärung":
  • (...) Der Beklagte hat mit der Übersendung der vorbeugenden Unterlassungserklärung den Versuch unternommen, von einer ihm rechtlich zu Gebote stehenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, um seine Inanspruchnahme auf Unterlassung durch Mandanten der Klägerin zu verhindern und die damit für ihn verbundenen Kosten zu vermeiden. (...)

    (...) Für das Verhalten des Beklagten bestand aus seiner Sicht ein hinreichend begründeter Anlass, da er als Inhaber eines Internetanschlusses bereits von einem anderen Rechteinhaber wegen Verletzung von Urheberrechten auf Unterlassung in Anspruch genommen worden war. (...)

    (...) Die Übersendung einer vorbeugenden Unterlassungserklärung verursacht auf Seiten der Rechteinhaber nicht allein Aufwand und Kosten. Den Rechteinhabern wird dadurch vielmehr auch ein rechtlicher Vorteil verschafft. Sie haben die Möglichkeit, das Angebot zum Abschluss des angetragenen Unterlassungsvertrags unbefristet anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2009 - I ZR 217/07, GRUR 2010, 355 Rn. 21 = WRP 2010, 649 - Testfundstelle). (...)

    (...) Der Empfänger einer vorbeugenden Unterlassungserklärung ist zudem nicht verpflichtet, ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags anzunehmen. Er braucht daher auch keine Entscheidung über die Annahme des Vertragsangebots zu treffen. Ihm steht es vielmehr frei, eine vorbeugende Unterlassungserklärung keiner weiteren rechtlichen Überprüfung - gegebenenfalls durch einen Rechtsanwalt - zu unterziehen. Nimmt ein Rechteinhaber ein Angebotsschreiben allerdings zum Anlass, den Inhalt des Vertragsangebots einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen und weitere Nachforschungen über mögliche Rechtsverletzungen des Absenders durchzuführen, beruht der damit verbundene Aufwand auf seinem freien Entschluss und erfolgt allein in seinem eigenen Interesse. Das damit verbundene wirtschaftliche und finanzielle Risiko kann er daher auch nicht auf den Absender abwälzen, sondern muss es selbst tragen. (...)

Zur Frage, ob eine vorbeugende oder erweiterte Unterlassungserklärung 2015 noch zeitgemäß ist, habe ich - hier - meine Gedanken dargelegt.


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Steffen Heintsch für AW3P


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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10490 Beitrag von Steffen » Montag 4. Januar 2016, 14:49

Weiß & Partner:
AG Esslingen, Urteil vom 22.12.2015, Az. 3 C 270/14 -
Koch Media GmbH nicht aktivlegitimiert



14:50 Uhr


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Anwaltskanzlei Weiß & Partner
Katharinenstraße 16
73728 Esslingen
Fon: 0711 - 88 241 006
Fax: 0711 - 88 241 009
E-Mail: kanzlei@ratgeberrecht.eu


Autor: Rechtsanwalt Alexander F. Bräuer
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Quelle: www.ratgeberrecht.eu


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(...) Mit Urteil vom 22.12.2015 hat das Amtsgericht Esslingen zum Aktenzeichen 3 C 270/14 eine Klage der "Koch Media GmbH", vertreten durch die ".rka Rechtsanwälte Reichelt Klute Aßmann", auf Schadensersatz in Folge einer angeblichen Urheberrechtsverletzung durch Filesharing abgewiesen. Gegenstand des Rechtsstreits war das Computerspiel "F1 2010".

Seine Entscheidung stützt das AG Esslingen darauf, dass die "Koch Media GmbH" schon gar nicht zur Geltendmachung der behaupteten Ansprüche aktivlegitimiert sei.
(...)


Zum Volltext: www.ratgeberrecht.eu



AG Esslingen, Urteil vom 22.12.2015, Az. 3 C 270/14

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10491 Beitrag von Steffen » Dienstag 5. Januar 2016, 05:17

Niederlage für Waldorf Frommer in Frankfurt - Familienvater haftet nicht trotz BGH: Tauschbörse III

05:09 Uhr

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Rechtsanwalt Markus Brehm
Deutschherrnufer 27
60594 Frankfurt
Tel. 069 - 913 16 70 1
Fax 069 - 913 16 70 2
E-Mail: info@kanzleibrehm.de


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(...) Das AG Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 17.12.2015 eine Klage der Tele München Fernseh GmbH + Co Produktionsgesellschaft, vertreten durch die Kanzlei Waldorf Frommer abgewiesen – und zwar unter Berücksichtigung der jüngsten BGH-Rechtsprechung (Tauschbörse III). (...)

(...) Hierbei verkennt das Gericht nicht, dass es nicht auf die bloße Nutzungsmöglichkeit von Familienangehörigen, sondern konkret auf die Situation zum Verletzungszeitpunkt ankommt (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015, I ZR 75/14, Rn. 39 - Tauschbörse III) und eine pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten lebenden Dritten den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht genügt (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015, I ZR 75/14, Rn. 42 - Tauschbörse III). Im Gegensatz zu dem vom BGH entschiedenen Fall Tauschbörse III, in dem der Beklagte insbesondere vorgetragen hat, seine gesamte Familie habe sich im Urlaub befunden und die Stromzufuhr des Routers sei vor Reisebeginn getrennt worden, liegen die hier grundsätzlich bestehende Nutzungsmöglichkeit des Internetanschlusses der Familienmitglieder am xx.xx.2011 und der konkrete behauptete Verletzungszeitraum am xx.xx.2011 zeitlich eng beieinander. (...)



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Quelle: www.anwalt.de
Link: http://www.anwalt.de/rechtstipps/nieder ... 77029.html


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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10492 Beitrag von Steffen » Dienstag 5. Januar 2016, 20:06

Urteil des Landgerichts Berlin - Kein zweites Gestattungsverfahren gegen "Reseller" erforderlich

20:00 Uhr


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WALDORF FROMMER Rechtsanwälte
Beethovenstraße 12 | 80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10 | Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de | Web: www.waldorf-frommer.de

Autorin: Rechtsanwältin Caroline Kluge
Bericht: news.waldorf-frommer.de

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Die Kanzlei Waldorf Frommer veröffentlicht den Volltext der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 03.11.2015 (Az. 15 S 5/15).


Rechtsanwältin Caroline Kluge:
  • "Das Landgericht Berlin hatte sich in einem Berufungsverfahren mit der Frage zu befassen, ob ein Anschlussinhaber nur dann zulässigerweise identifiziert werden darf, wenn der Rechteinhaber zunächst ein richterliches Gestattungsverfahren gegenüber dem Netzbetreiber und anschließend ein weiteres auch gegenüber dem Endkundenanbieter, dem sogenannten Reseller, durchführt."

    "Ausgangspunkt der Diskussion ist § 101 Abs. 9 UrhG, wonach ein Provider Auskünfte über die Identität eines Anschlussinhabers erst nach richterlicher Gestattung erteilen darf, sofern die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten erteilt werden kann. "

    "Bei sogenannten "Reseller"-Konstellationen wird die Internetverbindung zwar wie gewohnt über einen Netzbetreiber hergestellt, die vertragliche Endkundenbeziehung jedoch über einen Reseller abgewickelt. In dieser Konstellation beauskunftet der Netzbetreiber zunächst die sog. Benutzerkennung, welche den jeweiligen Internetanschluss eindeutig identifiziert. Erst in einem zweiten Schritt ordnet der Reseller die Benutzerkennung einem seiner Kunden zu."

    "Das Landgericht Berlin hat in Übereinstimmung mit der Bundesdatenschutzbeauftragten festgestellt, dass es auch bei dieser Form der Auskunftserteilung keiner weiteren richterlichen Gestattung für den Reseller bedarf."

    "Vielmehr ist es ausreichend, wenn dem Netzbetreiber, also demjenigen, der die Verkehrsdaten tatsächlich verwendet, eine richterliche Gestattung erteilt wird. Da es sich bei den durch den Reseller beauskunfteten Klardaten lediglich um Bestandsdaten handelt, ist eine weitere Gestattung im Verhältnis zum Reseller entbehrlich."

    "Die von der […] AG in dem Gestattungsverfahren (LG Köln, Beschluss 15. Dezember 2009 - 31 OH 520/09 -) erteilten Auskünfte zu der streitgegenständlichen IP-Adresse, welche zur Tatzeit der […] AG als Reseller und der Beklagten als Nutzer zugewiesen war, unterliegt keinem Beweisverbot und ein weiteres Gestattungsverfahren gegen den Reseller ist nicht erforderlich (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2013, 137 Rn. 4 nach juris; a.A. LG Frankenthal, Urteil vom 11. August 2015 - 6 O 55/15 - Rn. 16ff. nach juris), denn es handelt sich um Bestands-, und keine Verkehrsdaten (vgl. BGH ZUM-RD 2011, 587 Rn. 37ff. Nach juris)."




Volltext

Landgericht Berlin, Urteil vom 03.11.2015, Az. 15 S 5/15


Vorinstanz: AG Charlottenburg, Az. 231 C 331/14

  • (...) hat die Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin in Berlin - Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 09.10 2015 durch den Richter am Landgericht [Name] als Einzelrichter

    für Recht erkannt:
    • 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. Dezember 2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg - 231 C 331/14 - abgeändert:
      Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 955,60 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten seit 19. Dezember 2013 zu zahlen.

      2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

      3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

      4. Die Revision wird nicht zugelassen.


    Gründe

    Auf die tatbestandlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen, § 540 Abs 1 Nr 1 ZPO. Im Übrigen wird gemäß §§ 540 Abs 2, 313a Abs 1 S 1 ZPO von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen

    Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 516 ff ZPO, sie ist auch ansonsten zulässig.

    Das angefochtene Urteil erweist sich als sachlich unrichtig.

    Es wird zunächst vollinhaltlich auf den Hinweisbeschluss vom 28. Juli 2015 Bezug genommen mit folgenden Ergänzungen.

    Sollten die Videogrammrechte an dem Filmwerk [Name] - wie die Beklagten behauptet - "jedenfalls seit 2010" ausschließlich bei der GmbH, und nicht mehr bei der Klägerin liegen, so ist dies für den hiesigen Fall ohne Belang, weil eine Verletzungshandlung vom 10. November 2009 im Streit ist. Das "Distribution-Agreement" (Anlage K 5), welches die Klägerin aktivlegitimiert, datiert bereits vom 11. Mai 2007. Die Frage der Aktivlegitimation ist auch eine Rechtsfrage, so dass es nicht darauf ankommt, ob dieser Punkt in erster Instanz "unstreitig" war. Die Beklagte tragt schon nicht vor, dass das Verwertungsrecht der Klägerin vor dem Tattag geendet habe.

    Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermittlung seitens der sind weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei dem von der Beklagten angeführten Prozess vor der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin (Geschäftsnummer 16 0 55/11) handelte es sich zum einen um keine Urheberrechts-, sondern um eine UWG-Sache und zum anderen um ein Eilverfahren.

    Die von der [Name] AG in dem Gestattungsverfahren (LG Köln, Beschluss 15. Dezember 2009 - 31 OH 520/09 -) erteilten Auskünfte zu der streitgegenständlichen IP-Adresse, welche zur Tatzeit der [Name] AG als Reseller und der Beklagten als Nutzer zugewiesen war, unterliegt keinem Beweisverbot und ein weiteres Gestattungsverfahren gegen den Reseller ist nicht erforderlich (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2013, 137 Rn. 4 nach Runs, a.A. LG Frankenthal, Urteil vom 11. August 2015 - 6 0 55/15 - Rn 16ff nach juris), denn es handelt sich um Bestands-, und keine Verkehrsdaten (vgl. BGH ZUM-RD 2011, 587 Rn 37ff Nach juris).

    Jedenfalls muss die Klägerin illegale Online-Nutzungen nicht hinnehmen, die die wirtschaftliche Verwertung der ihr eingeräumten ausschließlichen Nutzungsrechte ("Video Rights", "On-Demand/Demand View Rights" etc.) beeinträchtigen, auch wenn ihr selbst das Recht nach § 19a UrhG gerade nicht übertragen wurde (BGH ZUM-RD 2013, 514, Rn 47, 49 nach juris). Das Verbietungsrecht geht insoweit weiter als das eigene Nutzungsrecht (vgl. BGH GRUR 1992, 697 - ALF - Rn 20, s.a. jüngst AG Hamburg, Urteil vom 6. Februar 2015 - 36a C 38/14 - Rn 49ff nach juris).

    Die Beklagte ist als Täterin auch passivlegitimiert.

    Dabei kann ihre in der Berufung näher ausgeführte Behauptung, ihre damals 28 Jahre alte Tochter habe auf Befragen eine Täterschaft bestritten, als wahr unterstellt werden. Dann kommt in einem Zwei-Personen-Haushalt als Täter nach den Denkgesetzen aber nurmehr die Klägerin selbst in Betracht, weil ein Zugriff Dritter nicht ernstlich in Rede steht. Es wäre aber Sache der Beklagten, die Vermutungswirkung, dass zuvorderst der Anschlussinhaber selbst der Rechtsverletzer ist, nachhaltig zu entkräften. Daran fehlt es. Da die gängige Filesharing-Software nicht die Gegenwart des Nutzers erfordert, ist ihr Vorbringen, sie sei zur Tatzeit zusammen mit ihrer Tochter am gemeinsamen Arbeitsplatz gewesen, nicht erheblich.

    Deshalb war sowohl die anwaltliche Abmahnung berechtigt, so dass die dadurch verursachten Anwaltskosten nach § 97a Abs. 1 S 3 UrhG 2008 - gegen deren Hohe die Beklagte nichts erinnert in Hohe von 555,60 EUR von der Beklagten zu erstatten sind, wobei der ursprüngliche Freistellungsanspruch nach § 250 S 2 BGB infolge fruchtloser Fristsetzung zur Zahlung sich in einen Geldanspruch umgewandelt hat (vgl. BGH NJW 1992, 222; 1999, 1542; 2004, 1868, OLGR Rostock 2009, 134), als auch - weil die Beklagte zumindest fahrlässig handelte - ist ein Schadensersatzanspruch nach der sog Lizenzanalogie nach § 97 Abs 2 UrhG begründet, denn die eigenen Verwertungsmöglichkeiten und Absatzwege der Klägerin werden nicht nur spürbar beeinträchtigt, sondern das Nachfrageinteresse auf den kostenlosen Download via Filesharing umgeleitet und dort gesättigt. Für diesen Fall der Marktverstopfung erscheint es gerechtfertigt gemäß § 287 ZPO ebenfalls auf die Schadensberechnung der Lizenzanalogie zurückzugreifen. Für einen Spielfilm ist der geltend gemachte Lizenzschaden von 400,00 EUR nach ständiger Rechtsprechung der Berliner Urheberrechtskammer angemessen, zumal bei einem Upload in Filesharing-Netzwerken mit einer Vervielfachung des Verletzungspotentials bei zahlreichen dort zu erwartenden Vervielfältigungen mittels Upload anderer User zu rechnen ist, was der Beklagten zuzurechnen ist.

    Verzugszinsen sind nach §§ 288, 291 BGB begründet.

    Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr 10, 713 ZPO.

    Die Revision ist nicht zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs 2 ZPO). (...)

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10493 Beitrag von Steffen » Mittwoch 6. Januar 2016, 16:24

Rechtsanwälte Knies & Albrecht: AG Passau Filesharing - Keine Haftung bei Zeugnisverweigerung der Kinder!


16:23 Uhr


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Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies


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Mit der von uns erstrittenen Entscheidung des Amtsgerichts Passau vom 30.12.2015 (Az. 15 C 582/15 - nicht rechtskräftig) hat das Gericht entschieden, dass Eltern ihre Kinder nicht verraten müssen, um ihrer sekundären Darlegungslast gerecht zu werden.



Sachverhalt:

Die von der Kanzlei "Waldorf Frommer" vertretene Plattenfirma hatte ermittelt, dass auf dem Anschluss des Beklagten am 08.12.2011 ein geschütztes Musikalbum in einer Tauschbörse illegal angeboten worden war. Auf die Abmahnung wegen Filesharing hatte der Beklagte zwar eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben, die Kosten der Abmahnung aber nicht bezahlt. Die Klägerin hatte den Beklagten einige Jahre später auf die Zahlung der üblichen 450,00 EUR Schadensersatz und 506,00 EUR Abmahnkosten verklagt. Der Beklagte hatte sich im Prozess damit verteidigt, dass er selber zum Tatzeitpunkt in seiner Arbeitsstelle gewesen war, während sich bei ihm zu Hause seine Ehefrau, seine beiden Söhne und die Tochter befunden hätten. Er der Beklagte habe zuvor alle seine Familienmitglieder belehrt, dass über seinen Anschluss kein illegales Filesharing stattfinden dürfe. Nach dem Eingang der Abmahnung habe eines seiner Kinder die Tat gestanden, er wolle sein Kind aber nicht "ans Messer" liefern. In der Beweisaufnahme hatten die Ehefrau des Beklagten und seine Kinder von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.



Die Entscheidung des Gerichts:

Das AG Passau hat entschieden, dass der Beklagte durch seinen Vortrag seine sekundäre Darlegungslast erfüllt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, den gesicherten Nachweis der Täterschaft einer anderen Person zu liefern.
  • "Eine derartige Anforderung überspannt das Ausmaß der sekundären Darlegungslast des Beklagten und ist aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zu erfüllen. Mit der Benennung der im Haushalt des Beklagten lebenden weiteren Personen als Nutzer der streitgegenständliche Computer und des streitgegenständlichen Internet-Anschlusses sowie der Eingrenzung des Täterkreises ist der Beklagte in vollem Umfang seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen."
Auch hinsichtlich der Belehrung war der Beklagte nach Ansicht des AG Passau seiner sekundäre Darlegungslast nachgekommen. Er habe vorgetragen, dass er seine minderjährigen Kinder altersgerecht belehrt und ihnen die Nutzung von Tauschbörsen strikt untersagt habe. Das einfache Bestreiten dieser Belehrung durch die Klägerin reichte dem AG Passau hier nicht.



Bewertung:

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Mit ihr schließt sich das AG Passau erfreulicherweise einer Reihe anderer Gerichte an, die wie das LG Berlin v. 09.12.2014 (Az. 15 S 12/14) oder AG Braunschweig (Entscheidung vom 21.08.2015 (Az. 117 C 3682/14), das Landgericht Frankfurt (Hinweisbeschluss v. 18.09.2015, 2-03 S 30/15) ebenfalls nicht verlangen, dass die verklagten Eltern als Anschlussinhaber ihre Kinder "an Messer" liefern müssen (ähnlich AG München 264 C 19943/14 v. 27.2.2015, hier hatten die Kinder die Tat bestritten).

Damit bleibt es dabei, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Beweislast ihm Rahmen der sekundären Darlegungslast weiterhin bei der Klägerin liegt, denn nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist mit der sekundären Darlegungslast eines Anschlussinhabers eben gerade keine Umkehr der Beweislast verbunden.



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Autor: Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies
Quelle: http://www.new-media-law.net
Link: http://www.new-media-law.net/ag-passau- ... er-kinder/
Urteil als PDF: http://www.new-media-law.net/wp-content ... haring.pdf


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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10494 Beitrag von Steffen » Mittwoch 6. Januar 2016, 16:38

Oberlandesgericht München - Terminsbericht


06.01.2016


Das OLG München hat am 03.12.2015 über einen spannenden Filesharing Fall verhandelt, in dem es darum geht, ob Eltern als Anschlussinhaber ihre Kinder als Täter benennen müssen (29 U 2593/15).


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Die von uns verteidigten Eltern hatten sich gegen die Klage des von Raschs Rechtsanwälten vertretenen Tonträgerherstellers damit verteidigt, dass ihre drei Kinder, die sie altersgerecht belehrt hatten, Zugang zu ihrem Internet hatten und eines ihrer Kinder nach Eingang der Abmahnung wegen Filesharings auf die Nachforschungen der Eltern hin den Vorfall ihnen gegenüber gestanden hat. Sie waren aber auch rechtlich davon überzeugt, dass sie nicht verpflichtet wären, die Identität des verantwortlichen Kindes preiszugeben, da dieses ja ansonsten in die Gefahr geriete, selber zivil- oder strafrechtlich verfolgt zu werden und dies schon vor dem Hintergrund des grundgesetzlich verankerten Schutzes der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht statthaft sei. Ähnlich hatte das Landgericht Berlin mit Urteil vom 09.12.2014 (Az. 15 S 12/14) schon geurteilt, dass Eltern eben gerade nicht verpflichtet sind, ihre Kinder “ans Messer zu liefern”. Vor dem Landgericht hatten die Kinder der Beklagten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Das Landgericht hatte die Beklagten daraufhin zur Zahlung verurteilt (LG München vom 01.07.2015, Az. 37 O 5349/14).

Wie das OLG München den Rechtsfall beurteilen wird, erscheint im Moment noch völlig offen, da dem Senat die schriftlichen Urteilsbegründungen in den drei Filesharing Verfahren vor dem BGH aus dem Sommer diesen Jahres (Filesharing I-III) noch nicht vorlagen, die just an diesem Tage von der Kanzlei Rasch veröffentlicht worden waren.


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Eine Entscheidung des OLG München ist insofern erst für den 14.01.2016 angekündigt und wird mit Spannung erwartet.

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Quelle: new-media-law.net
Link: http://www.new-media-law.net/olg-muench ... nsbericht/


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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10495 Beitrag von Steffen » Freitag 8. Januar 2016, 17:03

"De Telegraaf": Deutsche, opferbereite Naivlinge!


17:00 Uhr


Wenn man die Geschehnisse Betreff der Silvesternacht in Köln und Hamburg so betrachtet, wird eines schnell deutlich. Sobald man auch ein negatives Wort hervorbringt oder auch nur die kleinste Kritik öffentlich äußert, gehört man zu dem "rechten Mob" oder ist zumindest Sympathisant des "rechten Mobs". Bullshit! Dieser Irrsinn geht soweit, dass man mit Armen und Füßen Beispiele heranzieht, die das Geschehene entschuldigen sollen, wir es tolerieren sollen. Dabei geschieht hier nur eines, die wahren Täter werden in eine Opferrolle gedrängt, die Opfer dadurch verhöhnt. Negative Vorreiterrolle gilt hier der Neißschen IGGDAW.


Aber, es muss eines deutlich gemacht werden.

Es geht hier nicht um Fragen oder Kritiken an der Flüchtlingspolitik, sondern das eine Gruppe von jungen Männern mit Migrationshintergrund - bewusst, geplant und organisiert, Straftaten - begangen. Insbesondere zur eigenen sexuellen Belustigung Frauen sexuell nötigten, belästigten und sogar in mindest einen Fall vergewaltigten. Und dabei ist es egal, ob es sich um deutsche Frauen, türkische oder syrische handelte. Unsere Kanzlerin fand hierzu die klaren und eindeutigen Worte. Es handelte sich um "widerwärtig kriminelle Taten" und der Rechtsstaat würde entsprechend reagieren.


Natürlich geht es nicht darum, das man jetzt alle Muslimen über einen Kamm schert und meint, das alle Flüchtlinge - insbesondere alleinstehende Männer - potenzielle Sextäter wären.

Aber jeder, der das Geschehene naiv verniedlichen will, schönreden will, sollte einmal seine Frau, seine Tochter oder sich selbst fragen, wie er sich gefühlt hätte, wenn eine Männergruppe von ca. 20 Personen einen einkesselt und gegen den eigenen Willen sexuell nötigt. Und diejenigen sollten dann noch einmal nachdenken, dann erst ihre Gedanken veröffentlichen und nicht alle Kritik dumm als rechten Publizismus abtun. Dies geht auch in Richtung des neusten Bericht auf dem Stadler-Blog: "Internet-Law". Die jungen Frauen sind nach der Silvesternacht für ihr Leben negativ geprägt. Natürlich kann so eine organisierte Straftat ("taharrush gamea") nicht verhindert werden, aber man muss zukünftig sofort und angemessen reagieren!


Fazit

Es muss aber darauf ankommen das Geschehene in allen Einzelheiten aufzuarbeiten, zu analysieren und die notwendigen Schlussfolgerungen sowie Konsequenzen (auch personell) zu ziehen.

Angefangen von der Untätigkeits- und Vertuschungsstrategie der Kölner Polizei, Stellenerhöhung von Polizeibeamten, konkretisierte und abgestimmte Einsatzpläne, Änderung von möglichen Gesetzen ... bis hin einer rigorosen Aufklärung und Verurteilung der Täter. Obwohl bei Letzterem es wahrscheinlich zu keiner Einzigen kommen wird, da die notwendigen Beweise fehlen und die Unschuldsvermutung greift.

Es geht nicht darum, alle Muslimen in Deutschland über einen Kamm zu scheren. Nein. Aber es darf jetzt auch nicht widerwärtig kriminelle Taten verharmlost und entschuldigt werden. Denn dann wären wir tatsächlich nach der niederländischen Zeitung: "Deutsche, opferbereite Naivlinge!"



Der Silvesterskandal - Wer schützt uns noch?
Phoenix-Runde spezial vom 07.01.2016






Klar und unmissverständlich!

Und mehr Diskussion bedarf es nicht!


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Steffen Heintsch für AW3P

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LG Hannover - 18 S 60/15

#10496 Beitrag von Steffen » Sonntag 10. Januar 2016, 10:39

Landgericht Hannover zur sekundären Darlegungslast: Das Verschweigen der Adresse eines Zeugen führt zur Haftung des Anschlussinhabers!



10:38 Uhr



Wie die Hamburger Kanzlei ...

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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz



.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR
Johannes-Brahms-Platz 1 | 20355 Hamburg
Telefon +49 (040) 5 50 06 05 0 | Telefax +49 (040) 5 50 06 05 55
E-Mail kanzlei@rka-law.de | Web rka-law.de

Bericht:
Quelle: rka-law.de/filesharing/landgericht
Link: http://rka-law.de/filesharing/landgeric ... sinhabers/
Urteil als PDF: LG Hannover, Urteil vom 22.12.2015, Az. 18 S 60/15


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... informiert, wurde in einem Berufungsverfahren (Az. 18 S 60-15) durch das Landgericht Hannover ein am 05.06.2015 verkündetes Urteil des Amtsgericht Hannover (Az. 524 C 10020/14) zu Gunsten des Rechteinhabers abgeändert.


Rechtsanwalt Nikolai Klute wörtlich:
  • "Die Anschlussinhaberin wurde in dem von ".rka Rechtsanwälte" für die Mandantin geführten Prozess auf Zahlung von Anwaltskosten, Kosten des Auskunftsverfahrens und Schadensersatz in Anspruch genommen. Sie verteidigte sich damit, dass sie selbst die Rechtsverletzung nicht begangen habe, wohl aber ein bei ihr übergangsweise aufgenommene Jugendlicher, dessen Namen sie zwar benannte, nicht aber seine Adresse. In erster Instanz ist das Amtsgericht den Beweisangeboten der Klägerin auf Parteieinvernahme und zeugenschaftlicher Vernehmung des jugendlichen Zeugen gar nicht nachkommen. Es hat die Klage abgewiesen. Vor dem Landgericht Hannover wurde die Beklagte aufgefordert, die ladungsfähige Anschrift des Zeugen zu benennen. Dem kam die Beklagte nicht nach, was im Ergebnis zu ihrer Haftung aufgrund der gegen sie streitenden Täterschaftsvermutung führte."
Das Landgericht Hannover entschied, dass in Anspruch genommene Anschlussinhaber, über dessen Internetanschluss ein urheberrechtlich geschütztes Werk in Filesharingbörsen zum Download angeboten wurde, muss die Adressen von ihm benannten Zeugen nennen, die seinen Internetanschluss mit genutzt haben. Das Verschweigen der Anschriften begründet die eigene Haftung des Anschlussinhabers.

Rechtsanwalt Nikolai Klute weiter:
  • "Mit seiner Entscheidung schließt sich das Landgericht Hannover den Entscheidungen des Landgerichts Köln und des Landgerichts Berlin an. Der Anschlussinhaber, der eine Haftung in Filesharingfällen aufgrund der gegen ihn streitenden Täterschaftsvermutung vermeiden will, hat seine sekundäre Darlegungslast vollständig zu erfüllen. Damit verbietet sich das Verschweigen von Mitnutzern des Internetanschlusses ebenso, wie das Verschweigen ladungsfähiger Adressen."
Wenn man diese Entscheidung des Landgerichts Hannover das erste Mal flüchtig liest, kommt man zu dem Schluss, dass die Forderung gegenüber der Beklagten nach Auskunft und eigener Recherche zur ladungsfähigen Anschrift des benannten Täters überzogen sei. Doch, durch das Führen einer Erziehungsstelle der Jugendbehörde sowie der Angabe, dass der benannte Täter wieder bei seinem Eltern wohnt, musste der Beklagten die Adresse bekannt sein, oder zumindest sei eine Nachfrage bei der Jugendbehörde zur Adresse zumutbar.

Das Landgericht Hannover wörtlich:
  • "Die Benennung einer im vorliegenden Fall nicht einmal zum Familienkreis der Beklagten gehörenden genannten Person ohne Wohnanschrift, bei der weder die Klägerin noch das Gericht in der Lage ist, auch nur deren Existenz zu überprüfen, reicht nicht aus. Es wäre der Beklagten möglich und zumutbar gewesen, die Anschrift in Erfahrung zu bringen und mitzuteilen."



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Volltext


Landgericht Hannover, Urteil vom 22.12.2015, Az. 18 S 60/15


  • (...) hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 01.12.2015 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], den Richter am Landgericht [Name] und die Richterin am Landgericht Dr. [Name]

    für Recht erkannt:

    • Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05.06.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover abgeändert.

      Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 350,00 EUR nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2012 zu zahlen.

      Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11,82 EUR nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.07.2014 zu zahlen.

      Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 500,00 EUR nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 400,00 EUR ab dem 18.02.2012 und auf 100,00 EUR ab dem 18.07.2014 zu zahlen.

      Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

      Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

      Die Revision wird nicht zugelassen.



    Gründe:

    Auf die tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

    Die zulässige Berufung der Klägerin ist im vollen Umfang begründet.

    Die Klägerin kann die Beklagte gem. § 97 Abs. 2 UrhG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
    Über den Internetanschluss der Beklagten ist am 23.10.2011 unstreitig das Computerspiel "[Name]" zum Download über eine Filesharing Software angeboten worden. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn über seinen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wird. Diese Vermutung greift nicht ein, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen den Anschluss benutzen konnten (vgl. BGH Urteil vom 08.01.2014, 1ZR 169/12 "BearShare"). In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses allerdings eine sekundäre Darlegungslast, der er dadurch genügt, dass er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (a.a.O. Rdz. 18 mwN). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (a.a.O.).

    Diesen Anforderungen ist die Beklagte auch auf eine Auflage der Kammer (BL.136 R.d.A.) hin nicht nachgekommen. Die Beklagte hat in I. Instanz Folgendes vorgetragen:

    "Die Beklagte betrieb bis Mai 2014 in ihrem Hause, wo auch der Internetanschluss gelegt war, eine Erziehungsstelle. Es waren bei ihr durch die Jugendbehörden Jugendliche dauerhaft oder zeitweise untergebracht.

    Inzwischen hat die Beklagte ermitteln können, dass ein seinerzeit in der Einrichtung "[Name]" untergebrachter Jugendlicher Namens [Name] vor einigen Jahren etwas aus dem Netz heruntergeladen hat. Dies wird der Beklagten von der Klägerin offenbar nunmehr zur Last gelegt.

    ...

    Der jugendliche Täter, [Name], wohnt inzwischen wieder bei seinen leiblichen Eltern. Die Wiederholung dieser Vorfälle ist deswegen vollständig ausgeschlossen."


    Nach der Abweisung der Klage durch das Amtsgericht unter Ablehnung der Anträge der Klägerin auf Parteivernehmung der Beklagten sowie auf Zeugenvernehmung des von der Beklagten benannten Jugendlichen hat die Kammer gem. § 273 ZPO die Ladung des Zeugen [Name] angeordnet und als voraussichtliches Beweisthema angegeben: "Hat der Zeuge das Computerspiel "[Name]" im Oktober 2011 über den Internetanschluss der Beklagten angeboten?". Der Beklagten ist ferner aufgegeben worden, die ladungsfähige Anschrift des oben genannten Zeugen binnen 3 Wochen mitzuteilen. Hierzu hat die Beklagte lediglich ausgeführt, "dass ihr diese Anschrift nicht bekannt ist und sie diese bisher auch nicht in Erfahrung bringen konnte" (vgl. Schriftsatz vom 26.11.2015, BI. 176 d. A.). Die Beklagte hat in keiner Weise dargestellt, ob bzw. welche Nachforschungen sie bezüglich der Anschrift angestellt hat. Das ist nicht nachzuvollziehen, weil die Beklagte selbst in erster Instanz angegeben hatte, der Jugendliche wohne wieder bei seinen Eltern. Da ihr dies bekannt war, hätte sie deren Anschrift mitteilen können und müssen. Selbst wenn diese nicht aktuell bekannt war, hätte sie diese zumindest über das Jugendamt ohne weiteres in Erfahrung bringen können.

    Damit ist die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen. Die Benennung einer im vorliegenden Fall nicht einmal zum Familienkreis der Beklagten gehörenden genannten Person ohne Wohnanschrift, bei der weder die Klägerin noch das Gericht in der Lage ist, auch nur deren Existenz zu überprüfen, reicht nicht aus. Es wäre der Beklagten möglich und zumutbar gewesen, die Anschrift in Erfahrung zu bringen und mitzuteilen (s.o.).

    Der Beklagten war keine Erklärungsfrist zuzubilligen, um weitere Nachforschungen anzustellen. Der Beklagten ist bereits mit der Übermittlung der Berufungsschrift und der Terminsladung zum 19.10.2015 die o.g. Auflage erteilt worden. Aus der Auflage ergab sich - in Umsetzung der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofs - auch für die Beklagte zweifelsfrei, dass aus Sicht der Kammer die Entscheidung des Rechtsstreits von der Vernehmung des Zeugen abhing und die Kammer davon ausginge, dass ihr im Rahmen der sekundären Darlegungslast die Mitteilung der Anschrift oblag.

    Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist, bleibt es bei der Vermutung ihrer Täterschaft infolge der Rechtsverletzung über ihren Internetanschluss. Sie hat daher daher gern. § 97 Abs. 2 UrhG für den Schaden der Klägerin einzustehen, deren Rechte durch das Download-Angebot verletzt worden sind. Die Klägerin kann einen von der Kammer gern, § 287 ZPO auf 500,00 EUR geschätzten lizenzanalogen - Schadensersatz verlangen, weil das Computerspiel in zeitlicher Nähe zur Erstveröffentlichung zum Download angeboten worden ist.

    Ferner kann die Klägerin für die Abmahnung und das damit verbundene Unterlassungsverlangen Rechtsanwaltsgebühren mindestens in Höhe des verlangten Betrages beanspruchen. Es mag letztlich dahinstehen, ob der insoweit von der Klägerin angesetzte Gegenstandswert von 22.500,00 EUR angemessen ist, da sie nur ein Betrag von 350,00 EUR geltend macht, der bei der hier anzusetzenden 1,3/10-Gebühr gem. § 13 RVG, VV 2300 bereits bei einem zumindest angemessenen Gegenstandswert in Höhe von 5.000,00 EUR bereits deutlich überschritten wird.

    Darüber hinaus kann die Klägerin die anteiligen Kosten des infolge des Verstoßes erforderlichen Auskunftsverfahrens gem. § 101 Abs. 9 UrhG verlangen, die sie zutreffend mit 11,82 EUR berechnet hat (vgl. wegen der Berechnung BI. 11, 12 d. A.).

    Die Zinsansprüche der Klägerin ergeben sich aus §§ 284, 286 BGB.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.


    [Name] - [Name] - Dr [Name] (...)

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LG Hannover, Urteil vom 22.12.2015, Az. 18 S 60/15

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10497 Beitrag von Steffen » Montag 11. Januar 2016, 09:02

Ganz ehrlich? Ich finde persönlich nichts interessantes daran, sondern es widerspiegelt unser naives "German Welcome Nature". Aber, statt irgendwelche Entschuldigungen oder Entlastendes für die Täter zu suchen, sollte man
  • als erstes an die Opfer denken,
  • als zweites an die Opfer denken,
  • als Drittes an die Ursachen, begünstigende Faktoren, Fehler (Taktik, Personell, Führung - Polizei / Politik), Schlussfolgerungen + Lehren + Konsequenzen i.V.m. Täterermittlung/-veruteilung (es wird keine Verurteilung geben)
VG Steffen





ZDF; Berlin Direkt; So. 10.01.2016 19:10 Uhr

Video: ca bei 07:05 min

Bettina Schausten:
  • "Und die Polizei konnte die Frauen nicht schützen!?"
Innenminister de Maizière:
  • "Die Polizisten vor Ort haben sich wirklich alle Mühe gegeben die Frauen zu schützen, soweit es in ihren Mächten stand."
jkj:s_;






Unbekannte attackieren Ausländer in Köln

Quelle: F.A.Z.

  • (...) Mehrere Menschen aus Pakistan und Syrien sind in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofs angegriffen worden. Zuvor hatten sich Hooligans laut einem Bericht zur "Menschenjagd" verabredet. (...)



Und natürlich ist so etwas auch nicht zu tolerieren, verabscheuungswürdig und der Rechtsstaat muss darauf mit allen Mitteln reagieren.

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Steffen
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10498 Beitrag von Steffen » Donnerstag 14. Januar 2016, 00:15

AW3P: Der Gerichtsstandort Bielefeld mit Neuinterpretation des Paragraphen 102 UrhG


00:15 Uhr



Die Berliner Rechtsanwaltskanzlei ...

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Bericht: www.recht-hat.de
Link: http://www.recht-hat.de/urheberrecht/fi ... hn-jahren/

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... informiert über ein aktuelles (Baumgarten und Brandt-) Berufungsverfahren vor dem Landgericht Bielefeld. In den auszugsweise veröffentlichten Entscheidungen des Amtsgericht Bielefeld (Urt. v. 07.05.2015, Az. 42 C 416/14) und dem Hinweisbeschluss des Landesgericht Bielefeld (Beschl. v. 05.01.2016, Az. 20 S 182/15), unternimmt der Gerichtsstandort eine neue Interpretation des Paragrafen 102 des Urhebergesetzes.



Die fehlerhafte Argumentation des Amtsgericht Bielefeld ist dabei nicht neu und deckt sich dabei mit einigen anderen Erstgerichten, wie zum Beispiel Frankenthal.


AG Bielefeld, Urteil vom 07.05.2015, Az. 42 C 416/14:
  • "Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Die dreijährige Verjährungsfrist gilt auch für den Schadensersatzanspruch.

    Die Voraussetzungen einer 10-jährigen Verjährungsfrist gemäß §§ 102 Satz 2 UrhG, 852 BGB liegen nicht vor. Nach diesen Vorschriften unterliegen diejenigen Ansprüche einer längeren Verjährung als drei Jahre, die auf die Herausgabe deliktisch Erlangten zielen. Dies kann die ersparte Lizenzgebühr sein. Für den Fall, dass ein legaler Erwerb durch Zahlung von Lizenzgebühren mögliche ist, hat der BGH diesen Fall bereits entschieden ("Bochumer Weihnachtsmarkt", BGH, Urteil vom 27.10.2011, I ZR 175/10, BeckRS 2012, 09457).

    Filesharing-Fälle unterscheiden sich jedoch davon grundlegend. Es besteht keine Möglichkeit, einen entsprechenden Lizenzvertrag abzuschließen.

    Der Beklagte hat mithin gerade keine Lizenzgebühr für einen möglichen Lizenzvertrag erspart. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es Benutzern von Filesharing-Systemen darauf ankommt, die fragliche Datei zum eigenen Gebrauch für sich herunterzuladen und zu nutzen. Dass damit notwendigerweise auch verbunden ist, das während des eigenen Uploadvorganges gleichzeitig Dritten ein Download der übertragenen Dateifragmente vom eigenen Computer ermöglicht wird, ist eine notwendige Folge, die die Nutzer der Filesharingbörsen billigend in Kauf nehmen. Insoweit liegt jedoch gerade kein bewusster Eingriff in den Zuweisungsgehalt der von der Klägerin wahrgenommenen Rechte vor."

Nun weiß ich nicht aus welchen Gründen heraus, versucht sich die Berufungskammer das Landesgericht Bielefeld an eine gänzlich neue Auslegung des § 102 für Filesharing-Fälle.


LG Bielefeld, Hinweisbeschluss vom 05.01.2016, Az. 20 S 182/15:
  • "Entgegen der Ansicht der Berufung sind dagegen die Bestimmungen der §§ 102 S. 2 UrhG, 852 BGB insbesondere nicht auf den Schadensersatzanspruch nach der Lizenzanalogie anzuwenden. (...) Der hier geltend gemachte Schadensersatzanspruch der Klägerin ist jedoch nicht auf die Herausgabe einer durch die Verletzung des Urheberrechts erlangten Bereicherung gerichtet. (...) Aus einem Vergleich von § 102 S. 1 UrhG mit § 102 S. 2 UrhG ergibt sich jedoch, das sich die lange Verjährungsfrist des Satzes 2 i.V.m. 852 BGB nur rechtfertigt, wenn sich ein echter Vermögensvorteil als "Mehr" gegenüber der Verletzungshandlung nach Satz 1, hier dem bloßen unberechtigten Gebrauch, gegeben ist."

Ob richterlich verfehlt oder Befangen oder beides, oder einfach nur Willkür - ich weiß es nicht.

  • "Aus einem Vergleich von § 102 S. 1 UrhG mit § 102 S. 2 UrhG ergibt sich jedoch, das sich die lange Verjährungsfrist des Satzes 2 i.V.m. 852 BGB nur rechtfertigt, wenn sich ein echter Vermögensvorteil als "Mehr" gegenüber der Verletzungshandlung nach Satz 1, hier dem bloßen unberechtigten Gebrauch, gegeben ist."
Selbst bei mehrfachen Lesen dieser Aussage der Bielefelder Landesrichter wird sie nicht richtiger oder einleuchtender. Dabei ist es doch eigentlich gar nicht so schwer.

Der § 102 Satz 2 UrhG ist eindeutig. Schadensersatzansprüche als bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche gem. § 102 S. 2 UrhG i.V.m. § 852 BGB verjähren frühestens innerhalb von zehn Jahren ab ihrer Entstehung (vgl. BGH, Urteil v. 24.11.1981, X ZR 7/80 "Kunststoffhohlprofil II"; BGH, Urteil v. 15.01.2015, I ZR 148/13 "Motorradteile"; BGH, Urteil v. 27.10.2011, I ZR 175/10, Rn. 37 bis 40 "Bochumer Weihnachtsmarkt"; BGH, Urteil v. 11.06.2015, I ZR 7/14 - "Tauschbörse II"; LG Frankfurt am Main, Urteil v. 08.07.2015, 2-06 S 21/14; LG Köln, Beschluss v. 21.07.2015, 14 S 30/15).

Im gesamten Urheberrecht geltende Grundsätze zur Verjährung - wie auch alle anderen Regelungen - für alle Rechtsverletzungen,
  • a) egal, ob online oder offline begangen,
    b) egal, ob es sich um ein Foto, ein Musikstück oder eine andere Werkgattung handelt,
    c) egal, in welches Recht eingegriffen wird,
    • ca) Vervielfältigung (§ 16 UrhG),
      cb) Verbreitung (§ 17 UrhG),
      cc) öffentlicher Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) etc.
Im Rahmen des bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruchs (§ 102a UrhG i.V.m. §§ 812 ff. BGB) ist das "erlangte Etwas" i.S.d. § 812 BGB,
  • a) nicht der Download,
    b) nicht der ersparte Kaufpreis für einen Download,
    c) nicht die ersparte Lizenzvergütung,
    => sondern der Gebrauch des Rechts als solcher, ohne rechtlichen Grund und auf Kosten eines anderen.


Dieser Wert (Restschadenersatzanspruch bzw. Wertersatzanspruch) ist herauszugeben. Ist es nicht möglich, hat der Verletzte die freie Wahl der Berechnung aus drei Möglichkeiten gemäß § 97 Abs. 2 UrhG. Dabei wird in der Regel immer die Lizenzanalogie gewählt.


Kurz und knapp:
Derjenige, der ein Recht nutzt, erlangt dadurch den Gebrauch dieses Rechts (also hier des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung) und erspart sich die Lizenz, die ein Lizenznehmer üblicherweise verlangen könnte, wenn er dem Gebrauch des Rechts vorher zugestimmt hätte.


Wenn jetzt jemand meint, ich hätte keine Ahnung, da ich nicht Jura studiert habe, sollte einmal in seinem Material für Studium und Examen nachschauen.

  • Hemmer / Wüst / Gold / d'Alquen
    Bereicherungsrecht
    Das Prüfungswissen für Studium und Examen
    14. Auflage, 2014
    Rn 106, 113



    Gebrauchs- und Nutzungsvorteil = Bereicherungsgegenstand
    • "Erlangt ist schon die bloße Gebrauchsmöglichkeit als Vermögenswert, so dass § 812 BGB bejaht wird."

      "Es ist dabei nicht erforderlich, dass es sich bei dem Bereicherungsgegenstand um ein gegenständlich "fassbares Etwas" handelt."

Sicherlich werden viele "Experten" die Entscheidung des Gerichtsstandortes Bielefeld begrüßen und bejahen. Besser wäre es aber, wenn man Bestehendes bundesweit einheitlich anwendet und nicht willkürlich Neues erfindet.



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Steffen Heintsch für AW3P

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10499 Beitrag von Steffen » Donnerstag 14. Januar 2016, 11:16

Antenne Bayern - Aktuell

Wie der Radiosender Antenne Bayern eben berichtet, wurde am OLG München ein Urteil zugunsten der Plattenfirma gefällt.

  • (...) Ja, sie müssen bezahlen, so die Richter am Vormittag. Die Eltern wüssten zwar, welches der Kinder ein "Rihanna"-Album illegal angeboten hat, wollten aber nicht verraten welches und argumentierten, man könne ihnen nicht zumuten, die eigenen Kinder zu belasten. Die hatten vor Gericht, von ihrem Schweigerecht gebrauch gemacht. Somit fällt die Schuld zurück auf die Inhaber des Internetanschlusses. Rund 3.500,- € sollen sie jetzt an die Plattenfirma zahlen, wenn sie nicht weiter vor dem Bundesgerichtshof ziehen. (...)

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PM 02/16 - OLG München

#10500 Beitrag von Steffen » Donnerstag 14. Januar 2016, 12:24

Oberlandesgericht München - Pressemitteilung Zivilsachen 02/16:

Filesharing -

Zur Haftung von Eltern für Urheberrechtsverletzungen, die aus der Familie heraus begangen wurden




Den Leitsatz des Urteils, welches das Oberlandesgericht München am 14.01.2016 verkündet hat, können sich wirklich nur Juristen ausgedacht haben.

Er lautet:
  • "In Filesharing-Fällen betrifft die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers die der Feststellung der Täterschaft vorgelagerte Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen, er sei der Täter. Erst wenn der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast genügt, trifft den Anspruchsteller die Last der dann erforderlichen Beweise; genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dagegen nicht, so muss er zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen."


Was heißt das nun auf Deutsch?

Was eine Internettauschbörse ist, werden viele wissen: Ein Nutzer stellt anderen Nutzern über das Internet eine Auswahl seiner Dateien zur Verfügung (= Filesharing) und erhält im Gegenzug die Möglichkeit, auf Dateien anderer Teilnehmer zuzugreifen. Wenn dies illegal geschieht und Rechte Dritter verletzt werden, stellt sich für diese bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen oft das Problem, den Verantwortlichen ausfindig zu machen.

Über eine solche, schwierige Frage der sogenannten Darlegungs- und Beweislast und sogar Fragen nach dem Umfang der Geltung von Grundrechten aufwerfende Fallkonstellation hatte das Oberlandesgericht München zu entscheiden.

Die Klägerin, eine Tonträgerherstellerin, der die ausschließlichen Verwertungsrechte an einem bestimmten Musikalbum und den dort enthaltenen elf Musiktiteln zustehen, hatte vor dem Landgericht München I gegen ein Ehepaar Schadensersatzansprüche in Höhe von mindestens 2.500,- EUR und Ersatz ihrer Abmahnkosten in Höhe von über 1.000,- EUR geltend gemacht, da dieses Album mit sämtlichen Titeln an einem bestimmten Tag über einen Internetanschluss, dessen Inhaber die beklagten Eheleute sind, mittels einer Filesharing-Software im Rahmen einer Internettauschbörse ohne Zustimmung der Klägerin unberechtigt zum Herunterladen angeboten worden war. Das Vorbringen der Beklagten, sie hätten drei Kinder und diese hätten Zugang zu dem Internetanschluss gehabt, bestritt die Klägerin.

Die Beklagten hatten zu ihrem Antrag auf Klageabweisung vorgetragen, sie selbst hätten zur fraglichen Zeit einen gemeinsamen, normalerweise im Wohnzimmer stehenden Rechner besessen. Sie hätten mit ihren drei damals bereits volljährigen Kindern zusammengewohnt, die jeweils eigene Rechner gehabt hätten. Mit einem Router der Telekom hätten sie einen drahtlosen Internetzugang betrieben, der durch ein auch den Kindern bekanntes Passwort gesichert gewesen sei. Die Verletzungshandlung sei von einem ihrer Kinder vorgenommen worden; sie wüssten zwar, welches Kind dafür verantwortlich sei, wollten dieses jedoch nicht benennen.

Mit Urteil vom 01.07.2015 (Gz.: 37 O 5394/14) hatte das Landgericht die Beklagten dazu verurteilt, an die Klägerin 3.544,40 EUR nebst Zinsen zu bezahlen.

Das Oberlandesgericht bestätigte nun das landgerichtliche Urteil und wies die Berufung des beklagten Ehepaares insoweit zurück. Es sah das Ehepaar als Täter der begangenen Rechtsverletzung gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) an.

In seinem Urteil stellte das Oberlandesgericht zunächst die für den Nachweis der Täterschaft in Filesharing-Fällen in der Rechtsprechung gelten Grundsätze dar:
  • - Grundsätzlich ist es danach Sache des Anspruchstellers, nachzuweisen, dass der von ihm auf Schadensersatz in Anspruch Genommene für die behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist. Wenn allerdings ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers. Halten mehrere Personen, etwa - wie im Streitfall - Eheleute, den Internetanschluss mit der betreffenden IP-Adresse gemeinsam, so gilt die Vermutung zulasten aller Anschlussmitinhaber. Eine tatsächliche Vermutung begründet einen sogenannten Anscheinsbeweis, zu dessen Erschütterung nicht allein der Hinweis auf die Möglichkeit eines anderen Verlaufs genügt; es müssen vielmehr besondere, gegebenenfalls vom Anspruchsgegner - hier dem Anschlussinhaber - nachzuweisende Umstände hinzukommen, aus denen sich die ernste Möglichkeit eines anderen als des vermuteten Verlaufs ergeben soll.

    - Voraussetzung für das Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses ist allerdings nicht nur das Vorliegen einer Verletzungshandlung, die von diesem Internetanschluss ausging, sondern - im Falle der hinreichenden Sicherung des Anschlusses - auch, dass der Anschluss nicht bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. Will sich der Anspruchsteller auf die tatsächliche Vermutung stützen, so obliegt es grundsätzlich ihm, deren Voraussetzungen darzulegen und nötigenfalls zu beweisen. Beweisbedürftig werden die entsprechenden Darlegungen des Anspruchstellers jedoch nur, wenn der Anschlussinhaber sie nicht nur pauschal bestreitet, sondern ihnen mit konkreten Angaben entgegentritt. Dieser sogenannten sekundären Darlegungslast genügt der Anschlussinhaber nur dann, wenn er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen; in diesem Umfang ist er im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Diesen Anforderungen wird die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Anschlussinhabers lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss nicht gerecht. Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache des Anspruchstellers, die für eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen. Entspricht der Anschlussinhaber dagegen seiner sekundären Darlegungslast nicht, so ist zugunsten des Anspruchstellers dessen Vorbringen zugrunde zu legen.

    - Sekundäre Darlegungslast und tatsächliche Vermutung stehen daher, so das Oberlandesgericht, nicht einander ausschließend nebeneinander, sondern greifen wie folgt ineinander: Die sekundäre Darlegungslast betrifft die der Feststellung der Täterschaft vorgelagerte Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen, der Anschlussinhaber sei der Täter. Erst wenn der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast genügt, trifft den Anspruchsteller die Last der dann erforderlichen Beweise; genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dagegen nicht, so muss er zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen.
Nach diesen Grundsätzen, so das Oberlandesgericht, sei das Landgericht in dem nun entschiedenen Fall zu Recht von der Täterschaft der Beklagten ausgegangen.

Die Beklagten hätten die Anforderungen der sie insoweit treffenden sekundären Darlegungslast nicht erfüllt. Ihnen habe es oblegen mitzuteilen, welche Kenntnisse sie über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hatten, nach ihrem eigenen Vorbringen also, welches ihrer Kinder die Verletzungshandlung begangen hatte. Sie hätten sich indes geweigert, diese Kenntnis mitzuteilen. Damit hätten sie sich lediglich pauschal auf eine bloß generell bestehende Zugriffsmöglichkeit ihrer drei Kinder auf den Internetanschluss berufen, ohne konkrete Angaben zur Verletzungshandlung zu machen. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehe die Grundrechtsverbürgung des Art. 6 Abs.1 GG, nach der Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen, dieser zivilprozessualen Obliegenheit nicht entgegen. Denn Art. 6 Abs.1 GG gewähre keinen schrankenlosen Schutz gegen jede Art von Beeinträchtigung familiärer Belange; vielmehr seien auch die gegenläufigen Belange der Klägerin, deren Ansprüche ihrerseits den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG genießen würden, zu berücksichtigen. Diesen komme im Streitfall ein Gewicht zu, das es rechtfertige, dass sich die Beklagten im Einzelnen dazu erklären müssen, wie es zu den - unstreitig über ihren Internetanschluss erfolgten - Rechtsverletzungen aus der Familie heraus gekommen sei; andernfalls könnten die Inhaber urheberrechtlich geschützter Nutzungsrechte bei Rechtsverletzungen vermittels von Familien genutzter Internetanschlüsse ihre Ansprüche regelmäßig nicht durchsetzen.

Da die Beklagten ihrer sekundären Darlegungslast zum Zugriff Dritter auf ihren Internetanschluss nicht nachgekommen seien, sei von der tatsächlichen Vermutung auszugehen, dass die Beklagten als Inhaber des Anschlusses die Täter der Rechtsverletzung seien. Diese tatsächliche Vermutung hätten die Beklagten nicht erschüttert. Sie haben sich zwar darauf berufen, dass auch ihre Kinder zum Zeitpunkt der rechtsverletzenden Handlung Zugriff auf den Internetanschluss gehabt hätten, und diese zum Beweis dafür benannt. Sie seien jedoch beweisfällig geblieben, weil sich die als Zeugen benannten Kinder auf ihr ihnen jeweils gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht berufen haben.

Das Oberlandesgericht hat, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, die Revision gegen seine Entscheidung zum Bundesgerichtshof zugelassen. Dies deshalb, da die Rechtsfrage, durch welche Angaben ein Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nachkommen kann, über den Streitfall hinaus für eine Vielzahl von Filesharing-Fällen Bedeutung hat.

Das Geschäftszeichen des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht München lautet 29 U 2593/15.


Wilhelm Schneider
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
Pressesprecher des Oberlandesgerichts München für Zivilsachen



Quelle: https://www.justiz.bayern.de/gericht/ol ... /index.php

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