AG Charlottenburg zur Auskunftspflicht
eines Abgemahnten mit Erhalt
des Abmahnschreibens
In den diversen Abmahnschreiben ist Nachfolgendes, so oder so ähnlich im Grundsatz zu
lesen:
Originalzitat des Abmahners:
(...) Aus der Adressermittlung ergibt sich, dass über Ihren Internetanschluss in dem
fraglichen Zeitpunkt das Spiel unserer Mandantschaft illegal heruntergeladen wurde.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.05.2010, Az. I ZR
121/08 "Sommer unseres Lebens"; siehe auch LG Hamburg a.a.O.) spricht damit ein
Anscheinsbeweis dafür, dass Sie die Rechtsverletzung begangen haben. (...) ein gutes
Beispiel ist der klassische Auffahrunfall, bei dem typischerweise der Auffahrende den
erforderlichen Abstand nicht eingehalten hat. (...)
(...) Der gegen Sie sprechende Anscheinsbeweis führt dazu, dass Sie darlegen und
beweisen müssen, dass Sie die Rechte unserer Mandantschaft nicht verletzt haben.
(...)
Wenn Sie meinen, dass nicht Sie, sondern ein Dritte die Rechtsverletzung begangen
haben hat, so trifft Sie eine sog. sekundäre Darlegungs- und Beweislast. Danach
müssen Sie substantiiert darlegen und beweisen, dass ein Dritter die Rechtsverletzung
begangen hat (dazu Greger in Zöller 28. Aufl. 2010 § 138 Rdz. 8b). Im Ergebnis müssen
Sie also den Dritten, unter Angabe einer zutreffenden Anschrift benennen. Wir weisen
vorsorglich daraufhin, dass Sie im Hinblick auf unser heutiges Anschreiben eine
Antwortpflicht trifft (BGH, Urteil vom 19.10.1089, Az. I ZR 63/88). Das Unterlassen
der Antwort kann für sich genommen Schadensersatzansprüche auslösen. (...)
Diese Ansicht "Ross und Reiter" vermeintlich benennen zu müssen (LG Köln, Urteil vom
11.05.2011, Az.: 28 O 763/10) ist nicht neu, es wird aber für die Beobachter des
Abmahnwahn ersichtlich, das in Fragen der sekundären Darlegungslast des Abgemahnten
bzw. Beklagten ein (richterliches) Umdenken erfolgt.
Ausgangslage
Ein Anschlussinhaber wurde 2012 abgemahnt. Ihm wurde vorgeworfen an 2 unterschiedlichen
Tagen im Jahr 2012 eine Urheberrechtsverletzung über ein P2P-Netzwerk getätigt zu haben
sowie aufgefordert neben der Zahlung eines pauschalenAbgeltungsbetrages in Höhe von
850,00 Euro eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Der Anschlussinhaber gab eine modifizierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung
ab, zahlte nicht und verteidigte sich weiterhin "schweigend". Das heißt, es wurden
außer der mod. UE - keine - Äußerungen zum Sachverhalt getätigt.
2013 wurde Klage erhoben, der Anschlussinhaber beauftragte - wie auf AW3P eingefordert -
einen Anwalt aus der Liste empfohlener Anwälte. In der Klageerwiderung wurde vorgetragen,
dass der Anschlussinhaber selbst über keinen PC verfügte, die beiden im Familienverbund
wohnenden Kinder aber jeder über einen PC und das Internet allein nutzten. Im Weiteren
sagte der Anschlussinhaber aus, das beiden Kindern mehrfach die Benutzung von P2P verboten
wurde, sowie auf Nachfragen die entsprechende Rechtsverletzung verneint wurde.
Aufgrund der Klageerwiderung verzichtete die Klägerin auf die Ansprüche aus der
Abmahnung (Abmahnkosten 1.005,40 Euro, Schadensersatz 510,00 Euro) beantragte aber
festzustellen, das die Beklagte die Kosten des Rechtsstreites trägt.
Das Amtsgericht Charlottenburg hatte sich in dieser negativen Feststellungsklage
auseinanderzusetzen mit der Rechtsfrage:
Ansicht der Klägerin:
(...) Die Beklagte sei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dazu verpflichtet
gewesen, bereits auf das Abmahnschreiben hin die nunmehr in der Klageerwiderung
angegebenen Auskünfte zu erteilen. Solange die Auskünfte nicht erfolgt seien, habe
sie - die Klägerin - nach der Rechtsprechung des BGH von der Täterschaft der
Beklagten selbst ausgehen müssen. Daher habe sie - die Klägerin - einen Anspruch auf
Ersatz der nutzlos aufgewandten Rechtsverfolgungskosten, welche vermieden worden
wären, wenn die Beklagte rechtzeitig die nunmehr nachgeholten Angaben gemacht hätte.
(...)
Das Amtsgericht Charlottenburg entschied, das diese Klage zulässig ist, aber
unbegründet.
AG Charlottenburg, Urteil vom 24.09.2013, Az. 225 C 141/13
(...)
- 1. Die Klage ist abzuweisen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(...)
Urteilsbegründung
(...) Für die Begründetheit einer derartigen Feststellungsklage bedarf es nur der
Prüfung, ob die Klägerin erst durch die verspätete Auskunftserteilung Klarheit über
das Nichtbestehen eines Leistungsanspruches hatte und der Schuldner schuldhaft seine
Auskunftsverpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen ist (vgl. BGH,
Urteil vom 05.05.1994, 3 ZR 98/93).
Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.
Einen Anspruch aus Verzug gem. §§ 286, 280 Abs. 1, 2 BGB ist vorliegend bereits
mangels Verzuges der Beklagten nicht gegeben. Dazu hätte es zumindest einer
Aufforderung seitens der Klägerin zur Auskunftserteilung durch die Beklagte bedurft,
die vorliegend nicht gegeben ist. Die Klägerin hat die Beklagte allein zur Abgabe
einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert, die die Beklagte auch
abgegeben hat. Eine Aufforderung zur Täterschaft Auskunft zu erteilen, ist darin
nicht zu sehen. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Klägerin im
Abmahnschreiben, nachdem die Beklagte, wenn sie meine, ein Dritter hätte die
Rechtsverletzung begangen, substantiiert darzulegen und zu beweisen hätte
(...) im Ergebnis also den Dritten unter Angabe einer zutreffenden Anschrift benennen
zu müssen. (...) Abgesehen davon hat die Beklagte auch in der Klageerwiderung einen
konkreten Dritten, der die Rechtsverletzung begangen hat, nicht benannt, sondern
vielmehr darauf hingewiesen, dass ihre Söhne dies auf ihre Frage hin verneint hätten.
Sie war also noch nicht einmal in der Lage, einen Dritten unter Angabe einer
zutreffenden Anschrift zu benennen. (...)
Abgesehen davon besteht grundsätzlich keine Pflicht des unberechtigt Abgemahnten,
vorgerichtlich überhaupt Stellung zu den ihm gemachten Vorwürfen zu nehmen,
geschweige denn, diese zu widerlegen (vgl. dazu LG Köln, Urteil vom 11.09.2012, Az.
33 U 353/11).
Der Klägerin wäre es auch insoweit unbenommen geblieben, die Beklagte zunächst auf
Auskunft in Anspruch zu nehmen. Dass sie es nicht getan hat, geht zu ihren Lasten.
(...)
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Steffen Heintsch für AW3P; Das Urteil wurde erstritten und freundlicherweise
bereitgestellt durch die Hamburger Kanzlei Dr. Wachs Rechtsanwälte
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AG Charlottenburg, Urteil vom 24.09.2013, Az. 225 C 141/13: Volltext
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