Zu Schadenersatz und Anwaltskosten
in Filesharing-Angelegenheiten
Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Univ. Matthias Lederer
- Urheberrecht, Wettbewerbs- und Mietrecht
Rechtsanwälte Dr. Altersberger und Kollegen
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Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Dies betrifft nicht nur Musik oder Filme,
sondern seit einigen Jahren auch die Verletzung von Urheberrechten an eben solchen Werken.
Seit mehreren Jahren lassen verschiedene Rechteinhaber vertreten durch spezialisierte
Anwaltskanzleien Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen verfolgen. Im Grundsatz geht es
dabei immer um die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen, die aber trotz ihrer
rechtlichen Bedeutung häufig als kleineres Problem einer Abmahnung wahrgenommen werden. In
den meisten Fällen tendieren Betroffene dazu, die oft hohen Zahlungsforderungen aus dem
Abmahnschreiben als Hauptproblem wahrzunehmen. Diese Forderungen setzen sich üblicherweise
aus Schadenersatz sowie den Kosten der Rechtsverfolgung zusammen und können u.U., wenn
auch nicht immer in der angegebenen Höhe, gerechtfertigt sein. Das ist immer eine Frage
dessen, ob und inwieweit der Anschlussinhaber haftet.
Die Streitigkeiten insoweit drehen sich seit jeher vor allem um die Höhe der jeweiligen
Ansprüche. Dabei muss differenziert werden zwischen den Ansprüchen auf Schadenersatz sowie
denen auf Erstattung von Anwaltskosten.
Die Höhe der Schadenersatzansprüche stellt unseres Erachtens nach wie vor ein ungelöstes
Problem dar. Zu unterschiedlich fallen die Beträge aus, die von einzelnen Gerichten als
angemessen erachtet werden. In der Vergangenheit wurden Schadenersatzbeträge zugesprochen,
die schon bei einzelnen Musikstücken 300,00 EUR erreichen konnten. Auch die
Geltendmachung eines Schadenersatzes in Höhe von 500,00 EUR oder mehr bei einem Filmwerk
wird von den meisten Gerichten gebilligt.
Hintergrund der Schadenshöhe ist hier immer, dass der Schaden nach der sog. Lizenzanalogie
ermittelt werden kann. Das bedeutet: Es wird derjenige Betrag als Schadenersatz angesetzt,
den der Rechteinhaber und der Rechtsverletzer als Lizenzsumme vereinbart hätten, hätte der
Rechtsverletzer tatsächlich ein Recht erworben, das betreffende Film- oder Musikwerk
(kostenlos und weltweit) in einer Tauschbörse anzubieten.
Die Existenz dieser Berechnungsmethode ist unbestritten, allerdings ist unseres Erachtens
schon seit jeher fraglich, ob sie in Tauschbörsenfällen wirklich eine angemessene
Berechnungsmethode darstellt. Denn die angesprochene Lizenzerteilung muss auch marktüblich
sein, was jedoch nicht der gängigen Praxis entspricht. Es finden sich bis heute nur wenig
Unternehmen, die - zudem zu den so gesehen dann verhältnismäßig geringen Summen aus einer
Abmahnung - einer Privatperson Lizenzen verkaufen, die die Verbreitung von
urheberrechtlich geschützten Werken in einer Tauschbörse ermöglichen. Bis heute fehlen
auch jegliche Vergütungstabellen o.ä., nach denen sich derartige Lizenzbeträge auf ihre
Angemessenheit hin überprüfen lassen. Selbst aus Klageverfahren - z.B. denen der Kanzlei
Waldorf Frommer im Auftrag verschiedener Mandanten - ist bekannt, dass die jeweiligen
Rechteinhaber selbst davon ausgehen, derartige Lizenzen generell nicht zu erteilen.
Aus unserer Sicht ist bislang ein anderer Punkt eher unbeachtet geblieben. Denn die reine
Möglichkeit einer Berechnung des Schadens - so wenig überzeugend sie im Einzelfall auch
sein mag - setzt zudem voraus, dass überhaupt ein Schaden entstanden ist. Genau dies
behauptet die Medien schaffende Industrie seit Jahren, und in vielen Fällen haben wir
hieran Zweifel.
Dies müssen nun nicht unbedingt solche Abmahnungen sein, mit denen u.a. Schadenersatz für
die Verletzung von Urheberrechten an mehr oder weniger unbekannten Pornofilmen gefordert
wird. Häufig haben wir hierbei durch Recherchen feststellen können, dass die jeweils
betroffenen Filme schon gar nicht (mehr) im Handel verfügbar sind. Dass bei einem
Werkstück, das sich nicht mehr in der relevanten Auswertungsphase befindet, ein Schaden
naturgemäß eher schwer eintreten kann, dürfte offensichtlich sein.
Aus unserer Sicht zeigen sich aber die Mängel des Vortrags, durch die rechtswidrige
Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken sei ein Umsatz- bzw. Gewinneinbruch
festzustellen, an einer ganz anderen Stelle. So gibt es durchaus Rechteinhaber, die -
entweder selbst oder nach Lizenzerteilung an einen Dritten - verschiedene Werke selbst
kostenlos im Internet verfügbar machen (lassen). Als Beispiele seien hier die Twentieth
Century Fox Home Entertainment Germany GmbH oder die Zooland Music GmbH genannt. Jedes der
Unternehmen lässt sich durch eine bekannte Anwaltskanzlei (im einen Fall die Kanzlei
Waldorf Frommer aus München, im anderen die WeSaveYourCopyRights
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Frankfurt) vertreten und Abmahnungen für
Rechtsverletzungen an verschiedenen Werken aussprechen. Bei der Zooland Music GmbH sind
dies vor allen Musiktitel, die Twentieth Century Fox Home Entertainment Germany GmbH
hingegen lässt seit einiger Zeit Rechtsverletzungen an diversen TV-Serien verfolgen.
Nun ist es so, dass die Zooland Music GmbH einen eigenen Youtube-Kanal betreibt, auf dem
einige der Musikstücke, die Gegenstand von Abmahnungen sind oder waren, abrufbar sind
(bzw. einmal waren). Einige der dort verfügbaren Videos - übrigens fast alle in HD
abrufbar - haben viele Millionen Aufrufe erzielen können. Die Twentieth Century Fox Home
Entertainment Germany GmbH andererseits hat offensichtlich Pro7 eine Lizenz erteilt, z.B.
die Serie "How I Met Your Mother", bzw. Episoden der 8. Staffel der Serie, kostenlos auf
der Internetseite des Fernsehsenders als Stream zur Verfügung zu stellen.
Unserer Erfahrung nach geht es den wenigsten Nutzern von Tauschbörsen darum,
urheberrechtlich geschützte Werke zu verbreiten. Die meisten tatsächlichen Rechtsverletzer
wollten das Werk einfach nur beziehen. Aus unserer Sicht stellt sich nun die Frage, wie
diese beiden Sachverhalte miteinander in Einklang zu bringen sind, insbesondere ob es sich
auswirken sollte, dass jedenfalls manche Rechteinhaber Werke, die auch Gegenstand von
Abmahnungen sind, selbst kostenlos im Internet verfügbar machen bzw. machen lassen.
Denn hier drängt sich unweigerlich folgende Frage auf: angenommen, sämtliche
Rechtsverletzungen in Tauschbörsen würden enden, würde dies zu einer Umsatzsteigerung
führen? Den aufgrund der kostenlosen Verfügbarkeit aus offensichtlich völlig legalen
Quellen scheint es unwahrscheinlich, dass dann der Konsum der bislang abgemahnten Werke
zunehmen würde.
Verschiedene Studien, u.a. eine Studie der
EU-Kommission haben bereits gezeigt, dass die
Nutzung von Tauschbörsen nicht dazu führt, dass weniger gekauft wird. Im Gegenteil ist,
gerade bei "fleißigen" Tauschbörsennutzern ist ein Anstieg des Konsums feststellbar.
Das bedeutet: Sofern tatsächlich Schäden aus einem Umsatzrückgang feststellbar sind,
dürften diese ihre Ursache an anderer Stelle als der Nutzung von Tauschbörsen haben. Da
sich über Geschmack bekanntlich streiten lässt, wollen wir hier nicht so weit gehen zu
behaupten, dass schlicht und einfach "Massenware" nicht mehr gekauft wird.
Möglicherweise lässt sich ein Umsatzrückgang aber auch schlicht und einfach so erklären:
Warum sollte ein Kunde einen Film, eine Episode einer Fernsehserie oder ein Musikstück
kaufen, wenn ihm das jeweilige Objekt der Begierde vom Rechteinhaber selbst in bester
Qualität kostenlos zum dauerhaften Abruf im Internet zur Verfügung gestellt wird? Gerade
aufgrund der Möglichkeiten mobiler Internetnutzung, der Verbreitung von Spielereien wie
Smartphones usw. halten wir diese Frage durchaus für berechtigt.
Wollen wir einmal unterstellen, dass der Umsatzrückgang zumindest teilweise ein "selbst
gemachtes" Problem ist, so führt das zur Ausgangsfrage zurück: Der Schaden mag vielleicht
nach der Methode der Lizenzanalogie zu berechnen sein, die Ursache des Schadens dürfte
aber nicht oder bestenfalls teilweise in der Nutzung von Tauschbörsen zu sehen sein. Dann
aber dürfte in vielen Fällen der Ansatz eines Schadens, jedenfalls in der bislang geltend
gemachten Höhe, anders zu bewerten sein.
Nur zur Klarstellung: Damit ist nicht gesagt, dass wir Abmahnungen in Fällen wie den
beispielhaften generell für Abzocke oder gar rechtsmissbräuchlich halten. Allerdings
sollte der Schadenersatz seiner Höhe nach wohl kritischer hinterfragt werden.
Im Hinblick auf die erstattungsfähigen Anwaltskosten beim Ausspruch einer Abmahnung ist
mit der Verabschiedung des Gesetzes gegen unseriöse Gesetzespraktiken am 27.06.2013 ein
erster Schritt in die richtige Richtung getan. Tatsächlich halten wir das Gesetz - mit
Ausnahme der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes - an und für sich für unnötig, da
die damit vorgenommenen Änderungen auch bislang durch eine etwas andere Auslegung der
vorhandenen Gesetze erzielt werden hätten können. So war z.B. eine Deckelung der
Abmahnkosten bereits seit 2008 im § 97a Abs. 2 UrhG geregelt, der nach einer Meldung des
BMJ (Bundesjustizministerium) vom 24. Januar 2007 auf der Internetseite des BMJ als
typischen Anwendungsfall der Regelung explizit den der Tauschbörsennutzung nannte. Dass
die Gerichte hierüber großzügig hinweggesehen haben, ist bekannt, die Gründe dafür
ebenfalls - wenngleich die Argumente gegen die Anwendung des § 97a Abs. 2 UrhG aus unserer
Sicht angesichts des mit seiner Einführung verfolgten Zieles nie überzeugt haben.
Selbst wenn dann aber - wie in der Folge zwingend - die Gebühren sich nach dem
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bemessen, so sind aus unserer Sicht sowohl die Gebührensätze
als auch die konkreten Gegenstands- und Streitwerte meistens völlig falsch angenommen
worden. Gegenstands- bzw. Streitwerte, die regelmäßig jenseits der 10.000,00 EUR liegen,
dabei regelmäßig eine 1,3-fache Gebühr rechtfertigen sollten - das erscheint jedenfalls
bei einer massenhaften Bearbeitung, die oft ersichtlich ohne anwaltliche Prüfung im
Einzelfall erfolgt, untragbar.
Mit der gesetzlichen Neuregelung wird dem - abgesehen von einer Ausnahme, über die in
Zukunft sicherlich Streit bestehen wird - der Gegenstandwert auf 1.000,00 EUR begrenzt mit
der Folge, dass jedenfalls die Anwaltskosten geringer ausfallen werden.
Es ist auch bereits angesprochen worden, dass die gesetzliche Regelung natürlich keine
Rückwirkung entfaltet, sondern nur für zukünftige Fälle gelten wird.
Allerdings hat der
Kollege Dr. Schenk am 07.08.2013 auf eine interessante Verfügung des AG
Hamburg (27.07.2013, Az. 31a C 108/13) hingewiesen: Eine Begrenzung des Streitwertes auf
1.000,00 EUR sei hiernach auch bei Alt-Fällen anzunehmen. Nach dem nach Dafürhalten des
Gerichts könne das am 28.06.2013 beschlossene Gesetz u.a. zu Änderung des
Urheberrechtsgesetzes nicht außer Acht gelassen werden (
BT-Drucksache 17/13057).
Wir sind gespannt, ob sich diese Rechtsauffassung durchsetzen wird. Tatsächlich dürfte es
schwer vermittelbar sein, warum eine abgemahnte Urheberrechtsverletzung, die vor
Inkrafttreten des Gesetzes ein Vielfaches der Anwaltskosten rechtfertigen können soll als
nach dem Inkrafttreten. Inhaltlich schließlich hat die anwaltliche Tätigkeit das gleiche
Ziel und voraussichtlich einen vergleichbaren Umfang. Und für den Rechteinhaber selbst ist
es - zumindest bei einer berechtigten Abmahnung - schließlich unerheblich, in welcher Höhe
Anwaltskosten entstehen. Schließlich sind diese ja dann durch den Abgemahnten zu
erstatten.
Insgesamt lässt sich jedoch aus unserer Sicht eine Entwicklung vermuten, die die Gegenwehr
gegen Abmahnungen - selbst wenn diese nur in einer Reduzierung der Forderungen bestehen
sollte - in Zukunft auch für Alt-Fälle verbessern sollte.
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Autor: Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Univ. Matthias Lederer
- Urheberrecht, Wettbewerbs- und Mietrecht
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