Erweitern oder vorbeugen -
oder doch lieber nicht?
Sonntag, den 06.03.2011
Die Gretchenfrage, die den Abmahnwahn teilt, gibt man je erhaltener Abmahnung nur eine, diese Abmahnung betreffende mod. UE ab
oder ist besser gleich zu erweitern bzw. beugt man sogar letztendlich vor? Diese Frage wird niemand ganz sicher beantworten können,
da es immer auf den Einzelfall und auf die Entscheidungsfreiheit des Betroffenen ankommt.
Die Unterlassungserklärung ist anfänglich eine einseitige Willenserklärung, in der sich der abgemahnte Anschlussinhaber verpflichtet,
eine beanstandete Handlung zukünftig nicht mehr vorzunehmen und dient dem Ziel, die Wiederholungsgefahr und Erstbegehungsgefahr
auszuschließen. Eine spezielle Form ist gesetzlich nicht definiert, aber die abgegebene Unterlassungserklärung muss ernsthaft sein,
inhaltlich den an eine solche Erklärung zu stellenden Anforderungen entsprechen. Das heißt, es muss den Anspruchsgegenstand abdecken
und ein angemessenes Vertragsstrafeversprechen beinhalten. Wird diese Unterlassungserklärung dann vom verletzten Rechteinhaber
angenommen, kommt es zu einem Unterlassungsvertrag, der den Unterlassungsschuldner 30 Jahre bindet.
Beachten Sie:
- Für die Abfassung (Inhalt), wie weit oder wie eng die Unterlassungserklärung abgefasst wird, ist allein der Betroffene selbst verantwortlich,
- Je mehr Titel man einbezieht, desto höher wächst das Risiko, gegen das eigens abgegebene Vertragsstrafeversprechen zukünftig zu
verstoßen;
- Werden Nutzungshinweise nicht beachtet, eigene Musterschreiben im Do-it-yourself Verfahren kreiert, falsche Formulierungen des
Streitgegenstandes verwendet - kann die Annahme der abgegebenen Unterlassungserklärung berechtigt abgelehnt werden. Die Folgen
wären, dass die Wiederholungsgefahr wieder auflebt und einen eine teure EV oder Unterlassungsklage ereilen kann.
- Viele juristischen Formulierungen und Inhalte bedürfen immer noch einer höchstrichterlichen Klärung.
Deshalb wenden Sie eine Unterlassungserklärung nur mit Sinn und Verstand an!
Gretchenfrage: Reagiert der Betroffene nur auf jede Abmahnung mit einer mod. UE
oder erweitert bzw. beugt er vor?
Hier gibt es, weder bei den Abgemahnten bzw. Engagierten noch bei den Juristen selbst eine zufriedenstellende Antwort. Immer wieder hört man
das Argument, das man mit einer Erweiterung oder Vorbeugung “schlafende Hunde weckt“.
Schlafende Hunde wecken: umgangssprachlich; (englisch Let sleeping dogs lie); nichts zu unternehmen, was nachher Schaden anrichten könnte.
Es kann Dir beim Wecken eines schlafenden Hundes passieren, dass Du von ihm gebissen wirst.
Es wird aber deutlich, das in bestimmten Fällen eine Erweiterung bzw. Vorbeugung durchaus Sinn machen kann, und das die Betroffenen nach
Folge- oder Mehrfachabmahnungen zur Kenntnis gelangen, die “Hunde“ sind schon lange wach.
Warum erweitern bzw. vorbeugen?
Inhalt Abmahnung (stark verallgemeinert):
- 1. Unterlassungsanspruch (Unterlassungserklärung, Anwaltsgebühren)
2. Schadensersatzanspruch (Schadensersatzanforderungen
Mit der Abgabe einer erweiterten bzw. vorbeugenden Unterlassungserklärung entfällt die Wiederholungsgefahr für die benannten Werke im Voraus.
Das bedeutet, man kann immer noch ein Abmahnschreiben erhalten, in dem der Schadensersatzanspruch (der sogenannte Lizenzschadensersatz)
eingefordert wird, soweit der Verstoß durch den Anschlussinhaber persönlich begangen wurde (sogenannte Täterhaftung). Ohne Geständnis oder
konkreten Beweisen, dass es der Anschlussinhaber persönlich selbst war, wird dieser Schadensersatz nur schwer durchsetzbar sein. Die Forderung
nach den anwaltlichen Gebühren hingegen entfällt.
Wann wird erweitert bzw. vorgebeugt?
Natürlich hat ein Betroffener Angst wegen möglichen Folgen einer Abmahnung, Unkenntnis der juristischen Situation und Vorgehensweisen. Es muss
aber jeder begreifen, einerseits hängen die zu treffenden Entscheidungen vom konkreten Einzelfall ab und es muss sich letztendlich jeder selbst für
sich allein entscheiden.
unusquisque inemorior sola - jeder stirbt für sich allein
Jeder Betroffene steht, mit Erhalt eines Abmahnschreiben, vor der Wahl nach:
1. Wähle ich Risiko
Das bedeutet, ich gebe nur je erhaltener Abmahnung, je eine nur dem geforderten Streitgegenstand betreffend, eine Unterlassungserklärung ab.
Vorteil
Erhalte ich keine weitere Abmahnung, habe ich alles richtig gemacht.
Nachteil
Erhalte ich weitere Abmahnungen, werden bei diesen, die vollen Kosten (AG + SE) geltend gemacht. Das Risiko einer möglichen Leistungsklage (AG + SE)
wächst, kontinuierlich mit der Anzahl der erhaltenen Abmahnungen.
2. Wähle ich Sicherheit
Das bedeutet, ich erweitere (falls möglich), nach Erhalt einer Abmahnung, bei der Abgabe der diesbezüglichen Unterlassungserklärung und/oder/bzw. versende
vorauseilend eine oder mehrere vorbeugende Unterlassungserklärungen.
Vorteil
Erhalte ich eine weitere Abmahnung, können die anwaltlichen Gebühren nicht berechnet werden. Schadensersatz ja, aber sehr schwer allein durchsetzbar.
Nachteil
Je mehr Werke ich erweitere oder vorbeuge, desto höher steigt kontinuierlich das Risiko, gegen mein freiwillig abgegebenes Vertragsstrafeversprechen (30
Jahre) zu verstoßen.
Wichtig
- Erweiterungen bzw. Vorbeugungen, nur mit Sinn und Verstand. Keine ausufernden Abfassungen oder übereilte Aktionen!
- Sind sie nicht absolut sicher, lassen Sie es lieber oder beauftragen kostenpflichtig einen Fachanwalt!
Wo finde ich ein Musterschreiben einer erweiterten bzw. vorbeugenden Unterlassungserklärung?
Link:
Word Dokument
PDF-Dokument
Wie ich sinnvoll erweiter, wird in den Nutzungsbeispielen anhand verscheiden Konstellationen anwendbar erklärt. Eine vorbeugende Unterlassungserklärung
unterscheidet sich von der normalen Unterlassungserklärung nur darin, dass die Zeile Aktenzeichen herausgenommen wird.
An wem wird eine erweiterte oder vorbeugende Unterlassungserklärung versendet?
Erweiterte Unterlassungserklärungen werden an den Abmahner versendet. Beispiele 1 Rechteinhaber - ein Titel, 1 Rechteinhaber - mehrere Titel, mehrere
Rechteinhaber - einen oder mehrere Titel usw. befinden sich in den Nutzungshinweisen des Musterschreibens.
Vorbeugende Unterlassungserklärungen werden an die abmahnende Kanzlei (Einschreiben, Fax, E-Mail), sowie an den Rechteinhaber (Einschreiben + Brief,
Fax, E-Mail) versendet.
Hinweis
- Die Wahl des Versandes, nur auf das Einschreiben (Einwurf oder mit Rückschein), ist zur eigenen Beweisführung des Versandes - nicht - ausreichend. Immer
einen Mehrfachversand wählen!
- Aktuell ist sichtbar, das Abmahner einerseits die vorbeugenden Unterlassungserklärung als sogenannte “Irrläufer“ (durch fehlendes Aktenzeichen nicht
zuordnungsbar) zurücksenden oder Rechteinhaber die Einschreiben nicht annehmen!
Ich möchte Sicherheit, wann erweitere ich bzw. beuge vor?
Das ist die schwierigste Frage an sich.
- 1. Kenne ich - mit Sicherheit - die Werke (Name der Sampler-CD, Datum + Inhalt des Chartcontainers), die tatsächlich downgeloadet wurden
2. Sinnvoll bei,
-> aktuellen Abmahnungen betreff “Culcha Candela“ (bis dato bekannt: “Move It“ + “Berlin City Girl“) wo Abmahnungen durch BFRZ (Musikwerk) und gleichzeitig
N+L (Tonaufnahme) drohen
-> Sampler-CD’s
-> Chartcontainer (wie zum Beispiel Chartcontainer Top 100)
3. Power-User (Generalablass), die reinen Tisch machen wollen
Wie geh ich vor?
Beispiel: Chartcontainer Top 100 vom <Datum>
1. Abmahnung, Kanzlei A/Rechteinhaber B wegen Titel Platz 12
2. Abmahnung, Kanzlei B/Rechteinhaber C wegen Titel Platz 55
-> Stift, Papier, Konzentration, ca. 4 Stunden Zeit, Ruhe (keine Ablenkung)
-> Suche ich per Dr. Google den Inhalt des betreffenden Chartcontainers
-> Vergleiche ich jeden einzelnen Titel des betreffenden Chartcontainers
a)
Princess15114 Abmahnwahn-Datenbank
b) gebe in die Suchmaschine ein, z.B. “Abmahnung R.I.O. - Like I love you“
-> jetzt habe ich eine Liste, wo jeder abgemahnte Titel steht, geordnet nach Rechteinhaber und abmahnende Kanzlei.
-> Adressen
a) Princess15114 Abmahnwahn-Datenbank
b)
Dr. Google
-> Ich erweitere bzw. beuge vor.
Fazit
Unter gewissen Umständen und Konstellationen sind Erweiterungen und Vorbeugungen sinnvoll. Eine generelle Ablehnung der Möglichkeit von Erweitern oder
Vorbeugens und das nur empfehlen der Risiko-Variante, ist für mich persönlich unverantwortlich. Letztendlich muss aber jeder begreifen, dass es keinen
perfekten und zur freien Verfügung gestellten Musterweg gibt. Es hängt immer vom konkreten Einzelfall und der Entscheidungsfreudigkeit des Betroffenen ab,
will er Risiko oder Sicherheit.
Wichtig
- Erweiterungen bzw. Vorbeugungen, nur mit Sinn und Verstand. Keine ausufernden Abfassungen oder übereilte Aktionen!
- Sind sie nicht absolut sicher, lassen Sie es lieber oder beauftragen kostenpflichtig einen Fachanwalt!
SH für die Initiative AW3P