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»Hier geht die mittlerweile wohl ganz herrschende Rechtsprechung der Instanzgerichte davon aus, dass bei Filesharing nicht nur der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten, sondern auch der Lizenz-Schadensersatzanspruch, gemäß § 195 BGB nach drei Jahren verjährt. Laute Worte aus Bottrop unter einem neuen Logo ändern die Rechtslage nicht.«
Forenstrategie: »Zielgerichteter Zweckoptimismus«
Vorab, ich werde auf (nick-)namentliche Nennung verzichten, versuchen supi sachlich zu bleiben und wer sich angegriffen fühlt - dies ist sein Problem. Man sollte zu einigen Sachverhalten Stellung nehmen.
- »Zielgerichteter Zweckoptimismus«
Wie der Name es schon ausdrückt, Ziel ist es nicht das Sein zu erörtern, sondern wie wir etwas einschätzen ... immer flach, um niemanden unnötig in Unruhe zu versetzen / was nicht in den Plan passt, wird vertuscht.
Mal zwei Beispiele.
1. LG Stuttgart, Urteil vom 30.09.2015, Az. 24 O 179/15: "SE = 8.000,- €"
- Klageverfahren beginnt am AG Waiblingen - Az. 8 C 1966/14
- Im Rahmen dieses Klageverfahren wurde erst nach der Klageerwiderung sowie der Sicht, das es suboptimal läuft kommt man auf den rettenden Strohalm: Man benennt einen Minderjährigen als Täter.
Ziel ist klar:
a) Beklagter ist aus der Haftung
b) Man wird schon nicht wagen einen Minderjährigen zu verklagen.
- Kläger erweitert die Klage nach Benennung des Täters + dessen Einräumung des Vorwurf. Der Rechtsstreit wurde aufgrund des Streitwertes über 5.000,- € am Landgericht Stuttgart weitergeführt.
- Dabei wird deutlich, das die Grundvoraussetzungen einer Belehrung nach BGH-Morpheus (Belehrung Internetverhalten Verbot P2P) nicht erfüllt sind ... und die Aussagen des Beklagten jetzt widersprüchlicherweise an den Forderungen der Landesrichter angepasst worden.
Statt aber jetzt die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen oder zumindest diese Entscheidung auszudiskutieren, passiert in den Foren:
- bedächtiges Schweigen der Engagierten
- Ein "Rufer der Wüste" nach einem Fehlurteil
- obwohl jedem Juristen klar ist, das der Rechtsstreit am Amtsgericht begann, nach Klageerweiterung am Landgericht weitergeführt wurde, ... sagen wir jetzt: Nö, es kann nicht sein, das der Rechtsstreit am Amtsgericht begann. Das darf nicht sein und wir haben immer recht.
Hier ist natürlich der »Zielgerichtete Zweckoptimismus« überdeutlich. Denn wenn es - wie es auch war - am Amtsgericht begann, ging es ja um ca.
560,- € AG
1.000,- € SE. Spätestens als man feststellte, das es suboptimal lief, wurden die falschen Entscheidungen getroffen. Aber dies passt nicht in unsere heile Forenwelt.
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Der geniale Schachzug (in etwa):
SE 8.000,- €
AG 555,80 €
IP-Ermittlung 1.110,88 €
.....
fremder Anwalt: 1.600,- €
eigener Anwalt: 1.200,-€
GK 700,- €
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etwa 13.160,- €
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Es wird aber nicht sachlich analysiert, sondern verfahren nach dem Prinzip:
Und wenn man etwas diesbezüglich postet, regieren die Foren:
2. Verjährung 3 oder 10 Jahre
Auch hier gibt es erst einmal -
keinen - Spielraum.
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Verjährungsfrist - Allgemein gemäß § 102 UrhG
1. § 102 Satz 1 UrhG = Abmahnkosten - 3 Jahre
a) unabhängig ihrer Rechtsgrundlage (§§ 97, 97a Abs. 3 UrhG) = drei Jahren (§ 195 BGB)
b) Beachte: mögliche Unterschiede in den Höchstfristen (§ 199 BGB)
2. § 102 Satz 2 UrhG = (Rest-) Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung - 10 Jahre
a) Unabhängig von den Abmahnkosten
b) Verletzung durch eine unerlaubte Handlung (schuldhaft, widerrechtlicher Eingriff in einen fremden Rechtskreis; § 852 BGB
c) ist im Umfang der ungerechtfertigten Bereicherung, die der Schädiger aus der unerlaubten Handlung erlangt hat und von der deliktischen Verjährung ausgenommen.
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Natürlich - und dabei ist es mir persönlich egal, was irgend jemand woanders bloggt - gibt es zwar eine große Anzahl Erstinstanzgerichte (Amtsgericht) und einige Berufungsgerichte (LG Bielefeld, LG Frankenthal (Pfalz)) die eine generelle dreijährige Verjährungsfrist bei Filesharingfällen bejahen und die Anwendung der 10-jährigen Verjährungsfrist verneinen.
Hauptargumente:
- RI vergibt keine Fileshar-Lizenz, deshalb ist ein Lizenzanalogie nicht anwendbar
- Filesharer hat sich nicht bereichert, da er das Werk nur zu seiner privaten Eigennutzung beschafft
Aber es gibt auch Entscheidungen von Berufungsgerichten (LG Frankfurt am Main, LG Köln), die klipp und klar sagen:
- (...) Soweit vereinzelt einige Amtsgerichte eine Anwendung von § 852 BGB im Sinne von § 102 S. 2 UrhG ablehnen, verkennen sie den Gehalt und die Bedeutung der Regelung im Rechtsgefüge des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts. Hier gilt allgemein der Grundsatz, dass das durch eine Schutzrechtsverletzung oder einen Wettbewerbsverstoß Erlangte auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs aus unerlaubter Handlung als ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 - ZR I 148/13 - Motorradteile).
Unzutreffend ist auch die weitere Auffassung des Beklagten, dass ein "bereicherungsrechtlich abschöpfbarer Vorteil" bei ihm gar nicht eingetreten sei, weil der Hauptzweck beim Filesharing darin liege, ein Musikstück oder eine Filmdatei zu erhalten, der Teilnehmer an einem Filesharing-Netzwerk sich mithin keine Lizenzgebühren erspare, sondern allenfalls den üblichen Kaufpreis für eine CD gezahlt hätte. Dieser Maßstab ist bereits im Ansatz und grundlegend ungeeignet. Die von der Klägerin geltend gemachte Rechtsverletzung besteht nicht in dem einzelnen Download, also der einzelnen Vervielfältigung, die ein Filesharing-Teilnehmer erstellt, wenn er ein Werk über das Netzwerk auf seinen Computer herunterlädt. Die streitgegenständliche Verletzungshandlung ist das öffentliche Zugänglichmachen gemäß § 19 a UrhG, liegt also in dem Angebot an die unübersehbare Vielzahl der Teilnehmer in Filesharingnetzwerken, solche Vervielfältigungen vorzunehmen. (...)
Und wer sich einmal mit einem Juristen ab LG aufwärts unterhält wird dann hören, das die meisten Amtsgerichte keine Ahnung haben.
1.) Eine Lizenz bz. Filesharing ist Murks, da ansonsten niemand mehr sein Produkt kauft, wenn es legal und kostenlos per Lizenz filegeshared werden kann
2. Bereicherung
Und hierzu zählen nicht die Theorie der Foren, sondern die Realität
Neben dem Schadensersatzanspruch kann der Verletzte unter dem Gesichtspunkt der Eingriffskondition die Herausgabe der Bereicherung verlangen, da der Verletzer durch die unberechtigte Verwertung in den Zuweisungsgehalt des Rechts eingreift, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Rechtsinhaber vorbehalten ist. Im Unterschied zum Schadensersatzanspruch setzt der Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung kein Verschulden voraus. Der Anspruch ist darauf gerichtet, die durch die Verletzung entstandene vorteilhaftere Vermögenssituation des Verletzers wieder rückgängig zu machen.
Der Bereicherungsanspruch richtet sich auf das, was der Verletzte durch den Gebrauch erlangt hat.
Erlangt hat er regelmäßig die Nutzung. Da diese selbst nicht mehr herausgegeben werden kann, ist der Wert. ersetzen (§ 818 Abs. 2 BGB). Der Wert ist damit der objektive Verkehrswert. Herauszugeben ist daher die übliche Lizenzgebühr. Insofern Überschneiden sich die Schadensersatzberechnungsmethoden der fiktiven Lizenzgebühr mit der Herausgabeverpflichtung aufgrund der Bereicherungshaftung. Punkt.
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Letztlich ist es aber für Forderungen Debcons irrelevant. Wenn man außerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist etwas geltend machen möchte, muss man es gerichtlich tun. Und solange sollte na außergerichtliche Schreiben als - Wichtig - abheften!
Nur sollte man sich hüten, nur weil ein Anwalt dies oder das bloggt, sofort darauf zu schließen, das die Rechtsprechung gefestigt sei hinsichtlich einer generellen dreijährigen Verjährungsfrist. In spätestens 2 Jahren ist dieser Spuk sowieso vorbei, wenn BB nicht mehr klagt oder jeder merkt das Debcon mit stumpfen Waffen kämpft. Denn 2015'er Entscheidungen diesbezüglich kann Debcon auch nicht vorweisen.
VG Steffen